09.07.2019 • ThemenAkzoNobelAshlandBASF

M&A - Fokussierung auf Kernkompetenzen

Der Trend zur Portfolio- und Margenoptimierung in der chemischen Industrie in Deutschland und anderen Industrienationen hält an. Ziel dieser Entwicklung ist die Fokussierung auf zukunftsfähige Kernkompetenzen des jeweiligen Unternehmens. Nur wenige Entscheider sind weiterhin bereit, am Kapitalmarkt einen „Konglomerats-Abschlag“ in Kauf zu nehmen. Aktivistische Investoren drängen Managementteams zur Aufspaltung und fordern spezialisierte Unternehmen, die fokussiert in ihre Zukunft investieren. Nicht umsonst gelten Portfoliorestrukturierungen deshalb im Chemiesegment als einer der wichtigsten M&A-Trends für 2019. Auf Käuferseite bleiben Carve-outs aus Portfoliobereinigungen vor allem für liquiditätsstarke Finanzinvestoren interessant.

In jüngster Vergangenheit haben in erster Linie drei Faktoren dafür gesorgt, dass die Zahl der Unternehmensabspaltungen konstant hoch bleibt: wettbewerbsrechtliche Auflagen im Zuge von großen M&A-Transaktionen, gesteigertes Engagement von aktivistischen Investoren und Portfoliooptimierungen als Reaktion auf neue globale Herausforderungen und eine sich abkühlende Konjunktur.
 
 „Carve-outs aufgrund von kartellrechtlichen Auflagen
werden häufig von Strategen gekauft."
 
Verkäufer stärken ihre Margen und konzentrieren sich auf das Kerngeschäft
Weltweit beachtete Transaktionen, wie die Fusion von Dow und DuPont oder die Übernahme von Monsanto durch Bayer, ziehen wettbewerbsbehördliche Konsequenzen nach sich. Um eine Konzentration der Marktmacht auf einen oder wenige Unternehmen zu verhindern, müssen häufig Unternehmensteile in bestimmten Sparten oder Regionen verkauft werden. Solch große Transaktionen erwartet die IKB auch in Zukunft, da die Wertschöpfung in Zeiten von geringem organischem Wachstum gesteigert und der Zugang zu wichtigen Märkten gesichert werden sollen. Carve-outs aufgrund von kartellrechtlichen Auflagen werden häufig von Strategen gekauft, da diese ihre Marktposition dadurch schnell und passgenau ausbauen können. 
Aktivistische Investoren streben häufig Unternehmensaufspaltungen an, da sie davon überzeugt sind, dass die Summe der Teile eines Unternehmens mehr wert ist als das Gesamtunternehmen. Dies basiert häufig auf der Argumentation, dass die Einzelteile in einem großen Konstrukt nicht die nötige Aufmerksamkeit des Top-Managements erhalten, Investitionsstaus entstehen und/oder die nötige Forschung und Entwicklung nicht ausreichend gefördert wird. Ziele solcher Investoren sind zurzeit etwa Ashland und PPG, die zur Aufspaltung gedrängt werden sollen.

Während in der Vergangenheit eine Commoditisierung von Produkten und die kostengünstige Konkurrenz aus Schwellenländern die Hauptprobleme der Chemieindustrie waren, sind aktuelle Herausforderungen u. a. Klimawandel, Digitalisierung, internationale Handelskonflikte, abklingendes Weltkonjunkturklima und scheinbare politische Willkür. Die Unternehmen reagieren daher mit einer Fokussierung ihres Geschäfts und der Stärkung ihrer Margen. Unternehmensteile, die unter dem durchschnittlichen operativen Ergebnis liegen und kaum Zukunftstechnologien beinhalten oder aber wenige Synergien mit dem übrigen Geschäft aufweisen, werden einer strategischen Prüfung unterzogen. Potenzielle Käufer dieser Unternehmensteile sind in erster Linie Finanzinvestoren, die die abgespaltenen Segmente mit gezielten Investitionen deutlich im Wert steigern möchten. So hat AkzoNobel seine Sparten mit Spezialchemikalien als Nouryon an Carlyle und GIC verkauft; Evonik trennt sich von seinem Methacrylat-Geschäft, welches von Advent übernommen wurde; BASF veräußert momentan seine Bau­chemiesparte, in der Endverhandlungsrunde sollen laut Presseangaben KKR, Cinven und Bain sein.

Aktivistische Investoren streben 
Unternehmensaufspaltungen an."

Private-Equity-Investoren interessieren sich in erster Linie für große Carve-outs
Für Verkäufer, die einen Carve-out in Erwägung ziehen, existieren vier Optionen der Veräußerung: die Listung über den Kapitalmarkt oder der Verkauf an Finanzinvestoren, große Chemieunternehmen oder Mittelständler.
Für die Kapitalmarktvariante haben sich in diesem Jahr Dow, DuPont und Corteva entschieden, die aus der 2017 fusionierten DowDuPont hervorgegangen sind. Ziel hierbei war die Portfoliooptimierung und -fokussierung, sodass aus zwei großen, breit aufgestellten Chemie­unternehmen drei spezialisierte Firmen entstanden sind. Weitere, deutsche Beispiele für solche Transaktionen sind Lanxess und Covestro, die aus dem Bayer-Konzern herausgespalten wurden. Der Kapitalmarkt ist immer dann eine interessante Option, wenn das herausgelöste Geschäft sehr groß und organisatorisch autark aufgestellt ist.
Ähnliche Investitionsabsichten verfolgen Finanzinvestoren. Sie kaufen in erster Linie Carve-outs, die ein wenig kleiner sind und viel Potenzial für Synergien bieten oder einen Investitionsstau aufweisen. Beispiele hierfür sind Axalta, Nouryon oder das Methacrylat-Geschäft von Evonik. 

Große Chemieunternehmen hingegen kaufen des Öfteren Carve-outs, die aufgrund von kartellrechtlichen Auflagen einer anderen Transaktion entstanden sind. Unternehmenskultur und -organisation sind oftmals ähnlich, sodass eine Integration deutlich besser dargestellt werden kann. Außerdem bieten solche Geschäfte häufig Zugang zu bisher unterrepräsentierten Regionen oder Technologien. Beispiele für solche Transaktionen sind die Übernahme der europäischen Geschäfte von Praxair durch Nippon, die Übernahme der amerikanischen Geschäfte von Linde durch Messer und CVC sowie die Übernahme des Saatgutgeschäfts von Bayer durch BASF. 
Demgegenüber sind Mittelständler oft sehr vorsichtig, was die Akquisition von Carve-outs aus großen Unternehmen angeht. Zwar gibt es durchaus abgespaltene Unternehmensteile, deren Portfolien zu dem ein oder anderen Mittelständler passen würden, allerdings zweifeln viele Geschäftsführer an der Fähigkeit einen Teil eines ursprünglichen Großunternehmens erfolgreich integrieren zu können. Sowohl Kultur- als auch Organisations- und Integrationsfragen stehen einem solchen Geschäft häufig im Weg.
Mittelständler sind oft sehr vorsichtig, was die Akquisition
von Carve-outs aus großen Unternehmen angeht."
 
Finanzierungsumfeld für Akquisitionen bleibt positiv
Die IKB erwartet auch mittelfristig eine starke Übernahmeaktivität im Chemiesektor, da das organische Wachstum in vielen Upstream-Segmenten weiter überschaubar sein wird und die globale Konjunktur sich vor dem Hintergrund eines langsameren Wachstums in China und globalen Handelskonflikten weiter abkühlen könnte. Das Finanzierungsumfeld ist sowohl für strategische Käufer als auch für Finanzinvestoren grundsätzlich weiter positiv. Es dürfte sich sowohl für den Mittelstand als auch für Großunternehmen lohnen, den Markt genau zu beobachten und bei schwächelnder Konjunktur und nach wie vor niedrigem Zinsniveau nach sinnvollen Übernahmezielen Ausschau zu halten. Wir beobachten zwar, dass der Risikoappetit der Banken in Form von hohen Leverages vor dem konjunkturellen Hintergrund abnimmt, allerdings erwarten wir, dass auch die Kaufpreis-Multiples wieder etwas sinken werden. Individuelle und innovative Finanzierungstrukturen bei der Übernahme können hier helfen, für alle Seiten einen Mehrwert zu schaffen.

ZUR PERSON
Sven Anders ist Associate in der Industriegruppe Healthcare, Pharma & Chemicals der IKB. Er betreut Unternehmen aus den Branchen Chemie und Pharma und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Finance an der Norwegian School of Economics (NHH) hat er seine ersten beiden Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 2018 zur IKB stieß. 


 

 

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