Farbenindustrie kämpft für Erhalt des Blauen Engel


Zum 40. Geburtstag des Umweltzeichens „Blauer Engel“ gibt es eine böse Überraschung für die deutsche Farbenindustrie: Der Entwurf für neue Vergabekriterien aus dem Umweltbundesamt verbannt sämtliche Konservierungsmittel aus Wandfarben. Der jüngste Vorschlag für neue Vergabekriterien trifft insbesondere kleinere und mittlere Farbenhersteller. Bei einer Anhörung am Montag hagelte es Proteste, vor allem aus dem Mittelstand.
Der Blaue Engel für Wandfarben gibt Verbrauchern in Deutschland seit dem Jahr 2000 eine wichtige Orientierung bei der Auswahl umweltfreundlicher und gesundheitlich unbedenklicher Farben. Derzeit gibt es 583 Innenwandfarben mit dem Blauen Engel, Produkte im Wert von circa 530 Mio. EUR. Damit sind Wandfarben neben Lacken mit Abstand eine der erfolgreichsten Produktengruppen mit dem Blauen Engel.
„Die drastisch verschärften Kriterien könnten dazu führen, dass in Zukunft 80 Prozent weniger Farben das Umweltzeichen tragen. Das wäre eine massive Marktverschiebung zu Lasten kleiner und mittlerer Hersteller“, kommentiert Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL), den neuen Entwurf. Er kritisiert, dass ein kompletter Verzicht auf Konservierungsmittel in allen Wandfarben technisch gar nicht möglich ist. „Moderne, wasserbasierte Farben brauchen Schutz vor Pilzen und Bakterien. Schon bisher haben die Hersteller Konservierungsmittel nach dem Prinzip ‚So wenig wie möglich, so viel wie nötig‘ eingesetzt.“. Ohne ausreichende Konservierung könnten bis zu 11 Millionen Eimer Farbe pro Jahr schon auf dem Weg zum Verbraucher verderben, so Engelmann.
Der Vorschlag stößt auch deshalb auf Unverständnis in der Branche, weil ein Verzicht auf Konservierungsmittel aus Gründen des Gesundheitsschutzes gar nicht erforderlich ist. „Bereits heute gelten für Farben mit dem Blauen Engel die strengsten Grenzwerte weltweit beim Einsatz von Konservierungsmitteln“, erläutert Engelmann. Andere Umweltzeichen, wie z.B. das EU-Umweltzeichen oder der Nordic Swan, hätten ebenfalls strenge Kriterien, erlaubten aber weiterhin den Einsatz von Konservierungsmitteln. Nicht nachvollziehbar ist für die Branche auch, dass andere Produktgruppen beim Blauen Engel, wie z.B. Shampoos, Handgeschirrspülmittel und Spielzeug, weiterhin Konservierungsmittel enthalten dürfen.
Die Entwicklung konservierungsmittelfreier Farben ist mit hohem Aufwand, Kosten und Zeit verbunden. „Allein um eine separate konservierungsmittelfreie Produktionsanlage zu errichten, sind Investitionen in Höhe von 10 bis 50 Millionen Euro erforderlich. 80 Prozent der Hersteller von Wandfarben können solche Investitionen nicht stemmen“, warnt Engelmann. Den mittelständischen Unternehmen drohten erhebliche Wettbewerbsnachteile, bis zu 10.000 Arbeitsplätze seien gefährdet.
Angesprochen darauf, was das Umweltbundesamt zu diesem radikalen Schritt bewogen haben könnte, vermutet Engelmann einen Zusammenhang mit vereinzelten Medienberichten, die den Blauen Engel im Jubiläumsjahr in ein schlechtes Licht gesetzt hätten. Vielleicht seien die Wandfarben aber auch einfach zu erfolgreich im Blauen Engel geworden. „Egal, was die Hintergründe für die Verschärfung sind: Die Kriterien für den Blauen Engel dürfen allein auf einer wissenschaftlichen Bewertung von Risiko und Nutzen beruhen. Wir fordern das Umweltbundesamt auf, zu einer faktenbasierten Betrachtung zurückzukehren“, fasst Engelmann die Forderungen der deutschen Farbenhersteller zusammen.
Der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) repräsentiert über 180 zumeist mittelständische Lack-, Farben- und Druckfarbenhersteller in Deutschland. Im VdL sind über 90% des Industriezweiges organisiert. Die Branche setzte 2017 rund 8 Mrd. EUR um und beschäftigt circa 25.000 Mitarbeiter.
Meist gelesen

Kraftstoffe und Chemikalien aus Biomasse
Europas größter Zuckerproduzent, der Südzucker-Konzern mit Sitz in Mannheim, setzt auf erneuerbare Chemikalien und nachhaltige Agrarwirtschaft.

Leuchttürme der Start-up-Szene – Teil 2: Ineratec
Der CHEManager Innovation Pitch, die Start-up-Förderinitiative von CHEManager und CHEManager International, hat seit ihrem Launch 2019 mehr als 100 Start-ups aus über 15 Ländern die Möglichkeit geboten, ihre innovativen Ideen, Produkte und Technologien einer breiten Zielgruppe zu präsentieren. Diesen Meilenstein nehmen wir zum Anlass, um auf einige der Gründerstories der vergangenen sechs Jahre zu blicken und deren Entwicklung aufzuzeigen.

Herausforderungen und Trends in der Chemielogistik
Studie zum Erfolgsfaktor Supply Chain Management und Logistik in der Chemieindustrie 2024

Wie die deutsche Pharmaforschung wieder den Anschluss schaffen kann
Die Fraunhofer-Gesellschaft und der Pharmaverband VFA zeigen in einem Strategiepapier Mittel und Wege auf, wie Deutschland in der Pharmaforschung wieder an internationales Niveau aufschließen kann.

Erneuerbarer Kohlenstoff
Wenn die Chemie auf alternative Rohstoffe umsteigt, wirkt das dem Klimawandel effektiv entgegen.