Gezielte Suche nach dem besten Katalysatorsystem
Institute wollen die Lücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung schließen
Die Katalyse gehört zu den wichtigsten Disziplinen in der Chemie. Mehr als 80 % aller produzierten Chemikalien kommen bei der Herstellung in Kontakt mit einem Katalysator. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung von Katalysatoren sind die Auswahl und Herstellung eines geeigneten Katalysatorsystems für einen bestimmten Prozess, insbesondere für industrielle Anwendungen. Durch eine unterschiedliche Fokussierung ist zwischen universitärer Grundlagenforschung und industrieller Anwendung in den vergangenen Jahren eine Lücke in der Forschung entstanden.
Ein erster Ansatz, diese zu schließen, bietet die Kooperation zwischen dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) und dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung. Das Ziel ist, katalytische Konzepte zu entwickeln, die auf großtechnische Anlagen zu übertragen sind. Im Workshop „Umsicht- Zur Sache! Katalyse - Von der Grundlage zur Anwendung", der Ende letzten Jahres in Oberhausen stattgefunden hat, tauschten sich Fachleute zu dem Thema aus.
Heterogene Katalyse
Auf industrieller Ebene handelt es sich vornehmlich um heterogen katalysierte Prozesse. Im Gegensatz zur homogenen Katalyse liegen Katalysator (meist fest) und Reaktanden (meist gasförmig) hierbei in unterschiedlichen Phasen vor, wodurch eine einfache Produktabtrennung gewährleistet wird. Auswahl und Herstellung eines geeigneten Katalysatorsystems für einen bestimmten Prozess stellen die großen Herausforderungen im Bereich der Katalysatorentwicklung dar.
Universitäre Grundlagenforschung
Auf universitärer Ebene beschäftigt sich die heterogene Katalyse verstärkt mit der Aufklärung von Struktur-Wirkungs-Beziehungen und Reaktionsmechanismen. So zeigte Prof. Martin Muhler vom Lehrstuhl für Technische Chemie der Ruhr-Universität Bochum, wie durch das richtige Zusammenspiel zwischen Katalysatorpräparation, Charakterisierung und kinetischen Testmessungen entscheidende Einblicke in katalytische Prozesse gewonnen werden können. Mittels ausgefeilter Analytik lassen sich beispielsweise die Oberflächeneigenschaften eines Katalysators charakterisieren und in Bezug zu den Ergebnissen der Testmessungen setzen. Die daraus gezogenen Erkenntnisse beeinflussen wiederum die Art der Präparation und führen so zu einem iterativen Prozess aus Synthese, Analytik und Reaktion. Auf diese Weise können neuartige Katalysatoren entwickelt oder bestehende Systeme optimiert werden.
Industrielle Katalysatorentwicklung
Im Bereich der großtechnischen Katalysatorentwicklung bedient man sich verstärkt der sog. Hochdurchsatz-Methoden. Diese ermöglichen ein zeit- und kostensparendes Screening einer Vielzahl an unterschiedlichen Katalysatorsystemen und Herstellungsmethoden. Nach dieser ersten Auswahl geeigneter Kandidaten beginnt allerdings erst die Arbeit für den industriellen Katalysatorhersteller. So präsentierte Andreas-Jörg Ufer von der BASF den Weg eines Katalysators aus dem Labor hin zur Produktion im Tonnenmaßstab und zum großtechnischen Einsatz in Demonstrationsanlagen. Dabei treten in der Praxis oftmals Probleme auf, die in der Grundlagenforschung nur wenig betrachtet werden. So ist die Hochskalierung der Katalysatorpräparation ein entscheidender Faktor, bei dem sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die gleichbleibende Produktqualität im Fokus steht. Dazu spielt die Formgebung des Katalysators eine große Rolle und entscheidet maßgeblich über die Performance des Katalysators unter Reaktionsbedingungen. Erst unter Berücksichtigung all dieser Faktoren lässt sich ein kommerzielles Produkt gewinnen.
Katalyse als Gesamtprozess
Neben dem Katalysator spielen natürlich noch eine ganze Reihe weiterer verfahrens- und reaktionstechnischer Aspekte eine Rolle bei der Entwicklung eines industriellen Gesamtprozesses. So präsentierte Dr. Ralph Kleinschmidt von ThyssenKrupp Uhde anhand ausgewählter Beispiele den Weg vom Katalysator zur technischen Großanlage. Nach Auswahl eines geeigneten Systems für eine bestimmte katalytische Reaktion kann mittels genauer Strukturanalyse und computergestützter Prozess-Simulation ein Gesamtkonzept auf dem Reisbrett entwickelt werden. Dies beinhaltet nicht nur den Reaktor, sondern alle erforderlichen Komponenten wie beispielsweise eine vorherige Gasreinigung oder die nachgeschaltete Produktauftrennung. Anhand des ersten Konzeptes wird das Verfahren dann in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und ökologischer Bilanz weiter optimiert und in Form einer ersten Laboranlage realisiert. Erste Versuche bieten die Grundlage für den Bau und Betrieb einer Versuchsanlage im Technikumsmaßstab (Miniplant), bevor schließlich Pilotanlagen entstehen, mit Kapazitäten von mehreren 100.000 t Produkt im Jahr. Trotz zahlreicher Faktoren, welche die Planung, Auslegung und den Betrieb einer solchen Anlage beeinflussen, spielt der Katalysator die entscheidende Rolle.
Zwischen Grundlage und Anwendung
Sowohl die universitäre als auch die industrielle Katalysatorforschung verfolgen das übergeordnete Ziel, neuartige Katalysatorsysteme und innovative Prozesse zu entwickeln. Allerdings unterscheiden sich die Herangehensweisen beider Seiten oftmals deutlich. So untersuchen die Hochschulen in der Regel reine Modellkatalysatoren in kleinem Maßstab, deren Herstellung oftmals sehr komplexe und herausfordernde Methoden beinhaltet. Zudem sind die Reaktionsbedingungen, unter denen die Katalysatoren getestet werden, idealisiert, um gezielt Struktur-Wirkungs-Beziehungen aufzuzeigen und Reaktionsmechanismen genauestens aufzuklären. Auf Seiten der Industrie werden Katalysatoren verlangt, die in großer Menge herzustellen und deren Produktionsmethoden in Bezug auf den Gesamtprozess wirtschaftlich zu realisieren sind. Zudem ist die Langzeitstabilität der Systeme unter realen Reaktionsbedingungen ein entscheidendes Kriterium für eine Kommerzialisierung. Auf diese Weise ist in den letzten Jahren eine Lücke zwischen universitärer Grundlagenforschung und industrieller Anwendung entstanden, die als langfristige Bedrohung für die Spitzenposition Deutschlands im Bereich der Katalyseforschung angesehen wird.
Institut als Bindeglied
Fraunhofer Umsicht versucht, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten, indem am Standort Oberhausen eine neue Kompetenz im Bereich der Katalysatorentwicklung als Bindeglied zwischen Hochschule und Industrie entsteht. Das Konzept sieht vor, über ein Up-Scaling anorganischer Festkörpersynthesen die in Kooperation mit den Hochschulen und dem MPI für Kohlenforschung entwickelten Struktur-Wirkungs-Beziehungen und katalytischen Konzepte auf großtechnisch realisierbare Systeme zu übertragen und diese unter industrienahen Bedingungen zu testen. Bei der Hochskalierung innovativer Syntheserouten zur Herstellung von heterogenen Katalysatoren wird untersucht, inwieweit das durch die Maßstabsvergrößerung veränderte Parameterfeld angepasst und kontrolliert werden muss, um konstante Produktqualität zu garantieren. Dazu stehen in Oberhausen Präparationseinheiten zur Verfügung, in denen sich unter reproduzierbaren Bedingungen Katalysatoren von wenigen Gramm bis zu einigen Kilogramm herstellen lassen. Um die chemischen und strukturellen Eigenschaften der präparierten Katalysatoren möglichst vollständig zu untersuchen, wurde ein umfangreiches Netz an verschiedensten Charakterisierungsmethoden aufgebaut. Durch den Aufbau eines Mehrfachreaktorsystems ist es möglich, mehrere Katalysatoren simultan unter gleichen Bedingungen zu testen. Durch dieses schnelle und verlässliche Screening können vielversprechende Katalysatoren ausgewählt und in einer Miniplant unter industriell-relevanten Bedingungen untersucht werden. Auf diese Art gelingt es, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung im Bereich der Katalysatorentwicklung zu bewerten und zur erfolgreichen Anwendung zu führen.