Hochdurchsatz-Katalyseforschung



CHEManager: Herr Stichert, Hte wurde vor 20 Jahren gegründet. Damals hielt die Laborautomation gerade Einzug in die Forschung. Wer erkannte als erstes das Potenzial der Automation der Hochdurchsatztechnologie, die damals entwickelt wurde? Und was gab dann den Ausschlag zur Gründung des Unternehmens?
Wolfram Stichert: Die Grundidee hatte Ferdi Schüth, inzwischen Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft. Er war der Ansicht, dass unsere damaligen Arbeiten im Bereich der Katalyse noch genauso aussähen wie 100 Jahre zuvor. Als Professor an der Goethe-Universität Frankfurt wollte er einen Weg finden, um Katalysatoren gleichzeitig zu testen und schneller den effektivsten Reaktionsbeschleuniger zu identifizieren. Er hatte die Idee, mit Hilfe der damals bereits verfügbaren Automatisierungstechnologien die Wirtschaftlichkeit der Katalyseforschung zu verbessern.
Waren Sie und die anderen Gründer mit Ihrem Chemie-Start-up damals Exoten?
W. Stichert: In Heidelberg gab es damals einige Start-ups wie Lion Bioscience, Febit und Graffinity, mit denen wir uns verglichen haben. Diese Firmen waren aber eher im Biobereich angesiedelt. Mit unserem in der klassischen industriellen Chemie angesiedelten Thema waren wir daher auf jeden Fall ein Exot. Aber das hat sich über die Jahre auch nicht wesentlich geändert.
„Digitalisierung ist neben der eigentlichen Hochdurchsatz-Katalyseforschung
die Grundlage unseres Geschäfts."
Wolfram Stichert, CEO, Hte
Wie waren denn damals die Möglichkeiten für Start-ups in Deutschland, Investoren zur Finanzierung ihrer Ideen zu finden?
W. Stichert: Es herrschte eine Start-up- oder gründerfreundliche Atmosphäre, die Wirtschaft befand sich auf dem Höhepunkt der New Economy, deren Entwicklung besonders im IT- und Bio-Bereich getragen wurde. Bis das Platzen der „Dotcom-Blase“ den Markt erschütterte.
War es rückblickend sogar ein Vorteil, dass sich die breite Venture-Capital-Szene noch nicht für ein fokussiertes Chemie-Start-up interessierte?
W. Stichert: Nein, es war kein Vorteil. Für eine junge Firma ist es immer vorteilhaft, wenn es einen Finanzierungsmarkt gibt. Inzwischen sind viele Firmen in diesem Bereich aktiv – im Mainstream ist industrielle Katalyse aber bestimmt noch nicht angekommen.
Wer waren denn zu Beginn Ihre Förderer? Und welche Hürden mussten Sie mit dem jungen Unternehmen überwinden?
W. Stichert: Unsere Firma hatte das enorme Glück, direkt mit 5-Jahres-Verträgen zweier bedeutender Firmen zu starten: BASF und Chevron Technologies. Unsere Finanzierung war also von Anfang an umsatzgetragen. Das ist wie ein Sechser im Lotto.
Was war denn ein technologischer Meilenstein? Wann hatten Sie das Gefühl, dass Sie einen Durchbruch erreicht hatten?
W. Stichert: Rückblickend ist sicherlich unsere Technologie zur Hochdurchsatzforschung unter höheren Drücken, also unsere Druckhaltetechnologie, entscheidend. Das ist für die Firma eines der wertvollsten Patente. Ein anderes Beispiel sind unsere Multizonenöfen. Insgesamt sind es aber völlig unterschiedliche Details, die entscheidend sein können. Viele unserer Software-Entwicklungen waren ebenfalls wichtig. Letztendlich ging es immer darum, einem Kunden demonstrieren zu können, dass wir seine Chemie mit unserer Technologie auf einem Qualitätsstandard abwickeln können, der seinem eigenen entspricht.
„Unsere Finanzierung war von Anfang an umsatzgetragen.
Das ist wie ein Sechser im Lotto."
2008 hat BASF die Mehrheit an Hte übernommen. Wie hat Ihr Unternehmen davon profitiert?
W. Stichert: BASF genießt als größtes Chemieunternehmen der Welt eine sehr hohe Vertrauenswürdigkeit im Markt. Davon profitieren wir natürlich ebenfalls.
Was bedeutet es, einem großen Konzern zu gehören und sich an diesen zu binden?
W. Stichert: Es ist ja die Entscheidung des Investors, in diesem Fall also der BASF, wie die künftige Firmenstrategie aussieht. Und BASF hat sich entschieden, einige der Möglichkeiten, die Hte bietet, für sich selbst zu nutzen – allerdings nicht alle. Unsere Firma sollte das Business, wie es bis dato betrieben wurde, möglichst fortführen.
Wieso gibt es diesen Bottleneck? Ist es im Zeitalter der Digitalisierung nicht möglich, solche Prozesse zu simulieren.
W. Stichert: Das liegt daran, dass wir trotz intensiver Forschung bei vielen Katalysatoren immer noch nicht genau wissen, wie diese Stoffe unter Reaktionsbedingungen eigentlich aussehen. Wir haben natürlich Möglichkeiten, uns das anzusehen, aber die Rechnerkapazität, die uns heute zur Verfügung steht, reicht für die Berücksichtigung aller Einflüsse nur idealisiert aus. Das heißt selbst, wenn wir ein wenig verstanden haben, wie dieser Katalysator unter Reaktionsbedingungen aussieht, ist es immer noch ein extrem schwieriger Schritt zurückzugehen und diese Oberfläche zu synthetisieren.
finanzielle Power als in anderen Branchen."
Wie hilft Hte seinen Kunden bei der Bewältigung des Test-Bottlenecks?
W. Stichert: Vor der kommerziellen Nutzung eines vielversprechenden Katalysators müssen die Prozessbedingungen für seine Anwendung geprüft werden. Wir unterstützen Kunden dabei, ein breites Spektrum an Parametern wie Temperatur, Druck, Flussrate, Alterungsstufen der Katalysatoren und Edukt-Zusammensetzungen zu untersuchen. Zudem bewerten wir diese in umfangreichen kinetischen Studien und Modellen, und können die Startup- und Shutdown-Prozeduren, das Aktivierungs- und Deaktivierungsverhalten und die Regenerationsprozesse der Katalysatoren testen.
Bei Simulationen und Tests werden ja riesige Datenmengen produziert. Ist es da auch ein Vorteil, dass Sie jetzt bei BASF Möglichkeiten haben, diese Daten auch zu verarbeiten?
W. Stichert: Absolut! Meiner Einschätzung nach gibt es weltweit kein Unternehmen auf dem Chemiemarkt, welches das Thema Digitalisierung derartig konsequent angeht. Aber auch wir können anhand unserer zwanzigjährigen Erfahrung Aspekte in Projekte der BASF einbringen und diese vorantreiben. Im Grunde handelt es sich für BASF und Hte um eine Win-Win-Situation, da wir uns aufgrund unserer jeweiligen Expertise gegenseitig befruchten und ergänzen.
Welche Rolle spielt denn Digitalisierung bei Hte?
W. Stichert: Digitalisierung ist neben der eigentlichen Hochdurchsatz-Katalyseforschung die Grundlage unseres Geschäfts. Die von uns durchgeführten Experimente in mehreren parallelisierten Systemen generieren eine enorme Datenmenge, die verknüpft und evaluiert werden muss. Daher ist eine schnelle und integrierte Datenanalyse bei der Synthese, Charakterisierung und Prüfung von Katalysatoren entscheidend. Wenn ein Kunde eine Anlage von uns kauft, dann ist das letztendlich ein kompletter R&D-Workflow, der den gesamten experimentellen Zyklus beinhaltet, inklusive Software und der darin eingebundenen Analysegeräte.
Wie sehen Sie im Moment die akademische Forschung im Bereich Katalyse in Deutschland oder Europa? Haben Sie da auch Partnerschaften?
W. Stichert: Wir haben hauptsächlich Großkunden aus dem Öl-, Gas- und Chemiebereich, die in der Regel sehr fokussierte Programme mit uns durchführen. Es ist meist nicht Teil der Strategie unserer Kunden, Teile dieser Programme als Unterauftrag an akademische Forschungsreinrichtungen zu vergeben. An dieser Stelle ergibt sich also keine Schnittstelle zu der universitären Forschung. Ein bisschen anders sieht es auf der Ebene BASF/Hte aus. Hier arbeiten wir auch mit akademischen Forschungseinrichtungen zusammen – und das auch sehr erfolgreich.
Über die deutsche Start-up-Szene haben wir ja schon kurz gesprochen. Wie kann man diese denn stärker fördern, gerade im Bereich Chemie? Welche Rahmenbedingungen würden Sie sich da wünschen?
W. Stichert: Ich wünsche mir zum einen, dass die Investitionsintensität im Chemiebereich zunimmt. Wir haben zwar hinsichtlich der Finanzierung einige Module dazubekommen, die es vor 20 Jahren so noch nicht gab, denken Sie nur an den Hightech-Gründerfonds. Hier gibt es allerdings meiner Ansicht nach noch deutlich Luft nach oben.
Welche Trends oder auch Herausforderungen in der Chemieproduktion sind denn die Innovationstreiber in der Katalyse?
W. Stichert: Wir erleben gerade eine sehr interessante Zeit in der Katalyse. Unser Geschäft ist ja R&D im Bereich Katalyse. Das heißt also, wann immer Dinge sich verändern, sich neue Herausforderungen, neue Prozesse ergeben, merken wir das als Erste. Und uns geht es im Moment gut. Das ist eines von mehreren Zeichen, dass sich etwas tut. Im Grunde muss man sich nur anschauen, was Firmen veröffentlichen. Stichwort: CO2-neutrales Wachstum. Die Auswirkungen dieses scheinbar simplen Ziels für eine Firma wie BASF sind enorm und beinhalten eine Vielzahl von Prozessen, die geändert oder ganz neu eingeführt werden müssen.
Denken Sie, dass sich das Mindset in der Chemieindustrie geändert hat, da etablierte Unternehmen sich aktiv in der Start-up-Szene nach neuen Ideen und Impulsen umsehen?
W. Stichert: Ich glaube, das Mindset ändert sich, und ich kann auch schon einen Effekt erkennen. Auf der ökonomischen Ebene zeigt er sich allerdings noch nicht so deutlich, denn im klassischen Chemiebereich fehlen noch wirklich erfolgreiche Start-ups, die es auch mal an die Börse schaffen und dort erfolgreich sind. Im Bio- und im IT-Bereich gibt es solche Firmen bereits. Im Vergleich mit anderen Branchen haben wir meiner Meinung nach in der Chemie noch Luft nach oben.
Anbieter
HTE GmbH – The High Throughput Experimentation CompanyKurpfalzring 104
69123 Heidelberg
Deutschland
Meist gelesen

Grüne Transformation: Wachstumschance für Europa
Die chemische Industrie bleibt eine der turbulentesten Industrien weltweit.

Leuchttürme der Start-up-Szene – Teil 2: Ineratec
Der CHEManager Innovation Pitch, die Start-up-Förderinitiative von CHEManager und CHEManager International, hat seit ihrem Launch 2019 mehr als 100 Start-ups aus über 15 Ländern die Möglichkeit geboten, ihre innovativen Ideen, Produkte und Technologien einer breiten Zielgruppe zu präsentieren. Diesen Meilenstein nehmen wir zum Anlass, um auf einige der Gründerstories der vergangenen sechs Jahre zu blicken und deren Entwicklung aufzuzeigen.

Kraftstoffe und Chemikalien aus Biomasse
Europas größter Zuckerproduzent, der Südzucker-Konzern mit Sitz in Mannheim, setzt auf erneuerbare Chemikalien und nachhaltige Agrarwirtschaft.

Innovationen in Gefahr
Wie Kooperationen mit Industriepartnern zum Risiko für Start-ups werden können.

Herausforderungen und Trends in der Chemielogistik
Studie zum Erfolgsfaktor Supply Chain Management und Logistik in der Chemieindustrie 2024