Flanschverbindungen mit Dichtlinsen


CITplus - In sensiblen Bereichen von Anlagen im Hochdruckbereich mit verschraubten Flanschverbindungen und Linsendichtung treten zuweilen Leckagen auf. Nach dem Abstellen des betreffenden Anlageteils und Nachziehen der Schrauben ist die Leckage für einen weiteren Zeitraum beseitigt. Die Ursachen liegen nicht im Kriechen der Schrauben, sondern im Kriechen der Dichtlinse unter einer nicht berücksichtigten tangentialen Druckspannung.
Im Anhang A der DIN 2696:1999-08 „Flanschverbindungen mit Dichtlinse" ist im Abschnitt Erläuterungen unter „A.1 Allgemeines" u.a. ausgeführt, dass „grundsätzlich im Einzelfall ein rechnerischer Nachweis der Eignung notwendig" ist. Hierbei seien mindestens zwei Fälle zu unterscheiden:
- Festigkeit gegen Innendruck, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Radialkomponente der Dichtungskraft.
- Festigkeit gegen die Radialkomponente der Dichtungskraft bei erhöhten Temperaturen, jedoch ohne Innendruck.
Eine Anleitung zur Berechnung wird jedoch nicht gegeben. Erst die DIN EN 1591-1:2011-08 liefert den Berechnungsalgorithmus für die Beanspruchung der Dichtlinse im Montagezustand und in den folgenden Betriebszuständen. Es wird allerdings nur die jeweilige Belastung der Dichtlinse durch Axialkräfte ermittelt. Im Folgenden wird gezeigt, wie die entstehenden Radialkräfte und die resultierenden tangentialen Druckspannungen in der Dichtlinse zu berechnen sind.
Unvollständige DIN EN
Die DIN EN 1591-1 ist unvollständig in Bezug auf die Berechnung von Flanschverbindungen mit Dichtlinse. Wie einleitend ausgeführt, können mit der Norm nur Belastungen durch Axialkräfte berechnet werden, dies allerdings für alle beliebigen Betriebszustände - einschließlich des Prüfzustands. Bei Dichtungen auf Dichtflächen, die senkrecht zur Rohr- oder Apparateachse liegen führt das Auftreten einer reinen Axialkraft zu überschaubaren Verhältnissen.
Auch bei den Dichtflächen für Ring-Joint-Dichtungen ergibt sich kein Nachteil. Durch die um 23° paarweise gegen die Rohrachse geneigten Kegelflächen treten gegeneinander gerichtete Radialkräfte auf, so dass sich die Wirkung kompensiert.
Anders liegen jedoch die Verhältnisse bei der Dichtlinse. Auf der um 70° gegen die Rohrachse geneigten kegelförmigen Dichtfläche entstehen wegen der großen Axial-kräfte beachtliche Radialkräfte (FRad). Diese radialen Kräfte führen wiederum zu tangentialen Druckspannungen, die die Dichtlinse zu stauchen versuchen. Überwinden die tangentialen Druckspannungen die - temperaturabhängige - Festigkeit des Werkstoffs, kriecht die Dichtlinse auf einen kleineren Durchmesser.
Die durch die Schraubenkraft erzeugte Radialkraft FRad beträgt:
FRad = FG x tan(13,16) = 0,23 x FG
Diese Radialkraft wirkt auf die beiden geschnittenen Querschnittsflächen ein und erzeugt die für das Kriechen verantwortliche tangentiale Druckspannung.
Dadurch gelangen aber im Bereich des Dichtdurchmessers dünnere Bereiche der Dichtlinse in Kontakt, wodurch sich die Verbindung entspannt. Die Flächenpressung wird erniedrigt und eine Leckage ist die Folge. Der Vorgang geht wegen des Kriechens schleichend vor sich. Wird beim Auftreten der Leckage nachgezogen, ist die Verbindung wieder dicht - bis erneut eine Leckage auftritt.
Untersucht man einen solchen Fall mit den Methoden der DIN EN 1591-1 und ergänzenden Berechnungen, die die tangentiale Druckspannung ergeben, dann erkennt man, dass die tangentiale Druckspannung durch einen größeren Linsenquerschnitt erniedrigt werden kann. Dazu ist entweder die Höhe der Dichtlinse zu vergrößern oder eine Querschnittsvergrößerung durch einen zusätzlichen Außenrand vorzunehmen.
Berechnung mit Dichtlinsen
In Anlehnung an die Norm wurden die Programmmodule der Bookware „Flanschberechnung nach EN 1591" um zwei Module für die Berechnung von Flanschverbindungen mit Dichtlinsen erweitert und zwar für folgende Flanschkombinationen:
- Gewindeflansch gegen Gewindeflansch: B2-TMT 1591-2-2001-2G Linse8,
- Gewindeflansch gegen Blockflansch: B2-TMT 1591-2-2001-GB Linse8.
- In Vorbereitung sind:
- Gewindeflansch gegen Festflansch: B2-TMT 1591-2-2001-GF Linse8,
- Festflansch gegen Festflansch: B2-TMT 1591-2-2001-FF Linse8.
DIN EN 1591-2:2008-9 „Dichtungskennwerte" enthält nur noch die Kennwerte für Flachdichtungen mit rechteckigem Querschnitt aus Weichstoffen und Verbunden aus Metall/Weichstoff nach Bild 3a vom Typ 1 der Tabelle 1 der DIN EN 1591-1:2011-8 aber leider keine Dichtungskennwerte für Metalle. Um Flanschverbindungen mit Metalldichtungen berechnen zu können, muss deshalb für die Dichtungskennwerte auf die (an sich) ungültige Vornorm DIN V ENV 1591-2:2001 zurückgegriffen werden.
Für massive Metalldichtungen kann der Faktor PQR gleich 1 gesetzt werden. Die Angaben zu den erlaubten Flächenpressungen können auch der DIN EN 13445-3:2002 Anhang G entnommen werden. Dort findet man auch Angaben zu Reibwerten zwischen den Metallen.
Was nun allerdings fehlt, sind Angaben zum Leckageverhalten metallischer Flach- und Profildichtungen nach den Bildern 3b, 3c, 3d, 3e und 3f der Tabelle 1 der DIN EN 1591-1:2011-8, wie sie z. B. den häufig angewandten Ring-Joint-Dichtungen, Metall-Flachdichtungen oder Dichtlinsen entsprechen. Ohne diese Angaben ist nur die Aussage möglich: „undicht" bzw. „wahrscheinlich dicht".
Ausblick
Wenn die Berechnung einer verschraubten Flanschverbindung mit Linsendichtungen mit Hilfe der speziellen Programmmodule der Bookware zeigt, dass die Höhe der Tangentialspannung ein Kriechen befürchten lässt, weil der festgelegte Linsenquerschnitt nicht ausreicht, dann kann entweder die Höhe der Linse vergrößert oder/und ein äußerer Verstärkungsring am Linsenquerschnitt angebracht werden.