06.09.2016 • NewsAfrikaChemieChemieindustrie

Chemiekonjunktur – Wachstumsschwäche der Schwellenländer erreicht Afrika

Bis zur Weltwirtschaftskrise setzte die Weltwirtschaft große Hoffnungen auf Afrika. Nach Asien und Südamerika sollten vor allem die Länder der Subsahara der nächste globale Wachstumsmarkt werden. Und die Wachstumsraten sprachen für sich. Im Durchschnitt wuchs die afrikanische Wirtschaft zwischen 2000 und 2008 um 4,5 % pro Jahr. Seit der globalen Finanzkrise konnte Afrika an diese Wachstumsraten aber nicht mehr anknüpfen. 2015 wuchs das afrikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 2,5 %. Im laufenden Jahr wird das BIP-Wachstum mit rund 2 % sogar noch schwächer ausfallen (Grafik 1). Zu wenig, um Wohlstand für einen breiteren Teil der Bevölkerung zu schaffen, die im selben Zeitraum um 2,6 % wuchs. Die Wachstumsschwäche der Schwellenländer hat Afrika erreicht.

Die Gründe für das schwache Wachstum sind unterschiedlich. Länder in Süd- und Ostafrika bspw. leiden unter schweren Dürren und Überschwemmungen. In Westafrika haben sich die Länder Guinea, Liberia, Sierra Leone, Senegal und Mali bisher nur teilweise von der Ebola-Epidemie erholt. Und in Nordafrika belastet die schwierige regionalpolitische Lage die Wirtschaft vom Tourismus abhängiger Länder, wie Ägypten oder Tunesien. Neben diesen Faktoren haben auch globale Veränderungen Auswirkung auf die afrikanische Volkswirtschaft. Die niedrigen Rohstoff- und Energiepreise führten zu Einnahmeausfällen der Öl- (Angola, Gabun, Kongo, Nigeria und Tschad) und Rohstoffexporteure (Ghana, Sambia und Südafrika). Die ausländischen Direktinvestitionen in die Öl- und Metallbranche in diesen Ländern nahmen – auch wegen des verlangsamten Wachstums Chinas –

ab. Demgegenüber stehen die Entlastungen der Staatshaushalte in Ländern mit hohen Öleinfuhren (Ägypten, Äthiopien, Kenia, Mosambik und Tansania).

Afrikas Industrie wächst kaum

Die afrikanischen Volkswirtschaften bleiben auch deshalb krisenanfällig, weil der Industriesektor zu klein ist, um stützend zu wirken. In Südafrika, dem am stärksten industrialisierte Land Afrikas, trägt das verarbeitende Gewerbe nur rund 12 % zum BIP bei. Im restlichen Afrika hat der industrielle Sektor eine noch geringere volkswirtschaftliche Bedeutung.

Es gibt wenig Hoffnung, dass sich dieser Anteil schnell erhöhen wird. Im Gegenteil: Seit der Krise hat sich das Wachstum der afrikanischen Industrie deutlich verlangsamt. 2015 stieg die Produktion des verarbeitenden Gewerbes in Afrika nur um 0,5 %. 2016 wird die Dynamik kaum höher ausfallen. Der Grund für das verhaltene industrielle Wachstum ist einfach zu benennen und schwer zu beseitigen: Außer Rohstoffen kann Afrika am Weltmarkt kaum wettbewerbsfähige Produkte anbieten. Obwohl Arbeit in Afrika günstig ist, rechnet sich die Fertigung vor Ort oft nicht. Die schlechte Infrastruktur und die Korruption verteuern die Produktion so stark, dass Importe häufig günstiger sind. Hinzu kommt die mangelhafte Versorgung mit Strom. Stromausfälle zwingen Unternehmen immer wieder zu Produktionsunterbrechungen. Auch hier ist nicht mit einer raschen Verbesserung zu rechnen. Der Ausbau der Energiekapazitäten blieb in den letzten Jahren deutlich hinter dem Bevölkerungswachstum zurück. Die überwiegend schlechten Straßen verteuern und verzögern den Transport zusätzlich.

Viele afrikanische Staaten setzten auf Protektionismus, um ihre Wirtschaft vor günstigen Importen zu schützen. Immerhin betrug Afrikas Außenhandelsdefizit mit Waren 2015 rund 32,6 Mrd. EUR. Diese Maßnahmen zeigen aber wenig Wirkung. Im Gegenteil, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt.

Produktion von Chemikalien lässt nach

Die Produktion von Chemikalien wuchs in den vergangenen Jahren, getragen von der höheren Nachfrage aus dem Bausektor, schneller als der Rest der Industrie. Doch auch hier zeigt sich eine geringere Dynamik. Während die Chemie- und Pharmaproduktion 2014 noch mit 3,8 % wuchs, ist das Wachstum 2015 auf 1,6 % zusammengeschrumpft. Für 2016 wird die Dynamik voraussichtlich weiter zurückgehen. Dabei wären Wachstumspotenziale im Markt vorhanden. Der Bedarf an Chemikalien steigt. In den letzten fünf Jahren wuchs die Chemienachfrage durchschnittlich um mehr als 4 % im Jahr (Grafik 2).

Bei Chemikalien und Pharmazeutika ist Afrika ein Nettoimporteur (Grafik 3). Die Produktionskapazitäten in Afrika reichen in Summe nicht aus, um die Nachfrage auf dem Kontinent nach Chemikalien zu decken. Das wachsende Außenhandelsdefizit im Chemikalienhandel verdeutlicht, dass der Chemiesektor mit für Afrika typischen Problemen zu kämpfen hat: Die Unternehmen klagen vielerorts über eine schlechte Infrastruktur, Bürokratie und Korruption.

Aufgrund seiner Rohstoffvorkommen produziert Afrikas Chemieindustrie haupt­sächlich Grundstoffe. Der Anteil der Basischemie liegt bei rund 50 % (Grafik 4). Von diesem Umsatz entfallen mehr als die Hälfte auf Afrikas Verkaufsschlager Anorganika – die einzige Chemiesparte in der mehr exportiert als importiert wird. In den letzten Jahren bauten Petrochemikalien ihren Umsatzanteil – vor allem durch gestiegene Preise – aus. 2015 hinterließ der Preisverfall allerdings seine Spuren. Der Anteil der Petrochemikalien sank von nahezu 10 % im Jahr 2014 auf unter 9 % im Folgejahr.

Deutsche Chemieunternehmen in Afrika aktiv

In den letzten Jahren gewann Afrika als Exportmarkt an Bedeutung. Trotzdem bleibt für die Mehrzahl der deutschen Chemieunternehmen der afrikanische Kontinent ein Nischenmarkt. Nur rund 1,8 % der gesamten deutschen Chemieexporte gingen 2015 nach Afrika. Dies entspricht Waren im Wert von rund 3,1 Mrd. EUR. Die momentane Wachstumsschwäche der afrikanischen Wirtschaft hinterlässt ihre Spuren aber auch bei der Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“. 2016 werden die Exporte der deutschen Unternehmen nach Afrika leicht zurückgehen (Grafik 5).

Noch sind die deutschen Chemieunternehmen bei den Investitionen zurückhaltend. Nur rund 1 % aller getätigten Direktinvestitionen wurde 2014 in Afrika getätigt. Insgesamt waren 42 Tochtergesellschaften deutscher Chemieunternehmen in Afrika aktiv. Sie erwirtschafteten einen Umsatz von rund 1,9 Mrd. EUR und beschäftigten 8.000 Mitarbeiten.

Afrika hat langfristig Potenzial

Wenn Afrika seine strukturellen Probleme überwinden kann, wovon der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in seinen Langfristprognosen ausgeht, wird der Kontinent seine Attraktivität als Investitions­standort und Absatzmarkt steigern können. Denn die Voraussetzungen für ein dynamisches Wachstum sind gut: Das große Rohstoffvorkommen wird Afrika nutzen, um seine Bedeutung als Rohstoffexporteur auszubauen. Die wachsende Bevölkerung und eine größer werdende Mittelschicht fördern den Ausbau von konsumnahen Industrieprodukten und Dienstleistungen. Ein steigendes Wohlstands­niveau führt dabei zu einem Ausbau des privaten Konsums und macht Afrika zu einem interessanten Binnenmarkt.

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