Green Chemistry



Die Chemiebranche steht vor großen ökologisch-sozialen Herausforderungen. Dauerhaft können nur die Unternehmen überleben, die Nachhaltigkeit in ihrer Strategie verankern.
Laut den aktuellsten Prognosen des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) wird ein langsameres Wachstum für 2012 erwartet. Grund dafür ist nicht nur die derzeitige internationale wirtschaftliche Lage, sondern auch das ökologisch-soziale Umfeld der Industrie. Die Verknappung der Ressourcen, der Anstieg der Energiekosten und der demographische Wandel stellen die größten Herausforderungen für die Zukunft dar. Dauerhaft können nur die Chemieunternehmen überleben, die Nachhaltigkeit fest in ihre Unternehmensstrategie verankern, um sich den zukünftigen Megatrends zu stellen. Führende Unternehmen, wie BASF und Dow Chemicals, haben sich früh intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Chemiebranche befasst und zählen zu den Mitbegründern der amerikanischen Green Chemistry Bewegung, die auf deutscher Ebene in der Initiative der nachhaltigen Chemie Umsetzung findet.
Leitbilder für nachhaltige Chemie
Wer als Unternehmen der Chemiebranche das Konzept der nachhaltigen Chemie anstrebt, sollte sich bei der strategischen Umsetzung an dem Leitbild von Paul T. Anastas und John C. Warner orientieren. In ihrem Konzeptpapier „Green Chemistry" von 1998 fassen sie die Ziele und Inhalte anhand von 12 Prinzipien zusammen. Sie liefern eine umfassende Darstellung und integrieren Themen, wie die Entwicklung sicherer Chemikalien und Lösungsmittel, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, die biologische Abbaubarkeit von Produkten, die Vermeidung von Abfällen und die effiziente Energienutzung. Ebenfalls wird ein Evaluierungsprozess beschrieben, der die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen von Synthesewegen umfasst.
Auf europäischer Ebene werden die 12 Prinzipien von Anastas und Warner durch die 12 Leitgedanken zum Stand der besten verfügbaren Technik, als Anhang IV der Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen (IVU Richtlinie), ergänzt. Dabei soll der Anspruch an eine nachhaltige Produktion in der chemischen Industrie hervorgehoben werden. Auf nationaler Ebene erarbeitete 2004 das Umweltbundesamt zusammen mit der OECD allgemeine Kriterien für die nachhaltige Chemie. Anhand der fünf Kategorien: qualitative und quantitative Entwicklung, umfassende Lebensbetrachtung, Aktion statt Reaktion und wirtschaftliche Innovation werden die einzelnen Maßnahmen zusammengefasst. Daraus ableitend formuliert das Umweltbundesamt die beiden allgemeinen Ziele der nachhaltigen Chemie:
- Vermeidung oder Verringerung von schädlichen Emissionen in Gewässern, Böden und der Atmosphäre
- Minimierung der Beanspruchung von Ressourcen in Form von Materialien und Energie.
Darüber hinaus veröffentlichte das Umweltbundesamt 2008 einen Leitfaden zur nachhaltigen Chemie, in dem der gesamte Lebensweg von Chemikalien unter nachhaltigen Gesichtspunkten betrachtet wurde. Hauptaugenmerk dabei waren die nachhaltige Produktion und Verarbeitung, sowie Chemikalien und Produkte. Des Weiteren werden Anforderungen und Hindernisse für die Integration von Nachhaltigkeit benannt. Die Förderung der Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Produkten, der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie, der Zusammenschluss in Netzwerken und die Integration des Nachhaltigkeitsgedanken in der chemischen Ausbildung zählen zu den fundamentalsten Anforderungen. Darin einbezogen werden auch die aktuelle Entwicklung der REACH-Verordnung und die Entwicklungen des internationalen Chemikalienmanagements. Auftretende Hindernisse können hingegen Kommunikationsbarrieren, Unwissenheit und Unsicherheit, sowie interne Widerstände sein.
Die vorgestellten Ansätze von Anastas und Warner und dem Umweltbundesamt gleichen sich in den wesentlichen Punkten. Die Schnittmenge der beiden ist die Konzentration auf die nachhaltige Produktion und Verarbeitung von Chemikalien, sowie die Verwendung inhärent sicherer Chemikalien. Zu großen Teilen wurden die geforderten Ansatzpunkte der vorgestellten Konzepte auch bereits auf EU-Ebene durch umweltgerechtere Anforderungen an die Chemiebranche realisiert.
Der soziale Aspekt der Nachhaltigkeit
Bisher unbeachtet in der „Green Chemistry"- Bewegung blieb jedoch der soziale Aspekt der Nachhaltigkeit. An den vorangegangenen Konzepten ist eine klare Tendenz hin zu ökologischen und ökonomischen Faktoren zu erkennen. Der soziale Charakter der Nachhaltigkeit bleibt hierbei außen vor. Um dennoch eine ganzheitliche Abbildung zu gewährleisten, sollten alle drei Säulen der Nachhaltigkeit - Wirtschaft, Umwelt, Soziales - gleichberechtigt und unter Einbeziehung ethischer Grundsätze bedacht werden. Idealerweise könnte ein sozialer Fußabdruck von Produkten mit den inhaltlichen Schwerpunkten Arbeitnehmer, Endverbraucher, Umfeld und Gesellschaft, Internationale Gemeinschaft und zukünftige Generationen erstellt werden. Die Ökoeffizienzanalyse wird somit um den sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit ergänzt, indem die sozialen Auswirkungen von Produkten und Produktionsprozessen erfasst werden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass im Rahmen der nachhaltigen Chemie die Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategie zu einer Gesamtstrategie verschmelzen müssen. Die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Faktoren bei der Strategieentwicklung schafft Transparenz und vermittelt Vertrauen. Darüber hinaus sichert die Umstellung des Kerngeschäftes auf ein nachhaltiges Produktportfolio die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Für die Chemiebranche sichert die Nachhaltigkeitsstrategie von heute das wirtschaftliche Überlegen von morgen.
Autor:
Peter Nolden, Partner, Climate Change and Sustainability Service,
Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
Tel.: +49 211 9352 18410
peter.nolden@de.ey.com
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