Wirbelbrecher im Härtetest
Strömungsversuch bestätigt: Schutzrohre im ScrutonWell-Design neigen nicht zum Aufschwingen
Industrieschornsteine mit helixartiger Struktur geraten nicht in Schwingung. Dies gilt auch für entsprechend geformte Thermometer-Schutzrohre von Wika.
Ein umströmtes Schutzrohr baut bei bestimmten Prozessbedingungen hinter sich zwei Reihen von Wirbeln mit entgegengesetztem Drehsinn aus (Kármánsche Wirbelstraße). Es kann von diesen Wirbeln zum Aufschwingen angeregt werden und bei entsprechender Belastung abreißen. Ein Schutzrohr mit helixförmiger Wendel hingegen verhindert die Entstehung einer Wirbelstraße. Die Neigung zum Aufschwingen wird auf diese Weise unterdrückt und damit die Gefahr eines dynamischen Schwingungsbruchs verhindert.
Im Frühjahr 2018 ließ Wika in der Strömungstestanlage des international renommierten National Engineering Laboratory (NEL) in Glasgow das Verhalten eines Schutzrohrs mit ScrutonWell-Design im Vergleich zu einem herkömmlichen Schutzrohr untersuchen. Der Test umfasste insgesamt 47 Versuchsdurchläufe in einer Rohrleitung mit dem dieselähnlichen Medium Gasoil, das bei Raumtemperatur – je nach Anforderung – mit Geschwindigkeiten zwischen 0,5 m/s und 6 m/s die Schutzrohre anströmte.
Beide Schutzrohre wurden für die Untersuchung mit Dehnungsmessstreifen ausgestattet, um die dynamische Belastung am Übergang zum Flansch zu messen. Ein Beschleunigungsaufnehmer in der Schutzrohrbohrung diente dazu, die Geschwindigkeitswerte der Schutzrohrspitze aufzuzeichnen. Darüber hinaus wurden alle Tests mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, die maximal 12.500 Bildern pro Sekunde liefert, dokumentiert.
Vor Beginn des Testverfahrens wurde das herkömmliche Schutzrohr mittels des Berechnungsstandards ASME PTC 19.3 TW-2016 dimensioniert. Damit sollte sichergestellt werden, dass es im getesteten Geschwindigkeitsbereich tatsächlich in eine Längs- sowie in eine Querschwingung geriet. Das ScrutonWell-Schutzrohr wurde analog dazu ausgelegt. Die berechnete Eigenfrequenz des Standard-Schutzrohres TW10-F betrug 38,7 Hz. Sie wich damit nur um 4,1 % von der im NEL experimentell ermittelten Eigenfrequenz ab. Dieses Ergebnis spricht für die hohe Verlässlichkeit der Wika-Schutzrohrberechnungssoftware V2.7.1.
Testergebnisse
Die maximale Vibration der Spitze des Standard-Schutzrohres wurde in der Längsschwingung (grau) bei einer Strömungsgeschwindigkeit von ca. 1,8 m/s mit ca. 450 mm/s RMS und in der Querschwingung (schwarz) bei ca. 5 m/s Strömungsgeschwindigkeit mit ca. 2.480 mm/s RMS gemessen. Das ScrutonWell-Design (blau) hat im Vergleich keinerlei Maxima gezeigt. Die Vibration erhöhte sich bei steigender Anströmung stattdessen linear mit geringfügigen Schwingungen. Messungen des dynamischen Stresses in der Schutzrohwurzel mittels Dehnungsmessstreifen kamen zu einem analogen Ergebnis.
Die Hochgeschwindigkeitsvideos ermöglichten eine sehr genaue Vermessung der Schwingungsamplituden. Dies wird nachfolgend am Beispiel der Querschwingung bei 4,5 m/s Anströmung dargestellt. Das ScrutonWell-Rohr weist unter der gleichen Bedingung eine um ca. 96 % reduzierte Auslenkung von 1,2 mm auf.
Dämpfung ζ
In 47 Versuchsdurchläufen mit mehreren 10.000 Einzelmessungen wurde die Dämpfung des ScrutonWell-Designs im Vergleich zum herkömmlichen Schutzrohr nachgewiesen. Um diese Dämpfung quantitativ zu erfassen, wurde ein Faktor
eingeführt. Demzufolge steht ein Dämpfungsfaktor ζ > 0 für die Überlegenheit des ScrutonWells. Bei einem Wert ζ < 0 würde dagegen das herkömmliche Schutzrohr als Sieger aus dem Designvergleich hervorgehen.
Laut Test zeigt das ScrutonWell-Schutzrohr im Bereich der Längsschwingung eine mittlere Dämpfung von 90,9 % im Vergleich zum herkömmlichen Schutzrohr-Design. Im Bereich der Querschwingung ergibt sich aus den aufgezeichneten Messwerten eine mittlere Dämpfung von 92,8 %. Da aber in fast allen Versuchen zur Resonanz der Querschwingung die ermittelten Messwerte die Messbereiche der verwendeten Geräte überschritten haben, ist von einer wesentlich höheren Dämpfung des ScrutonWell-Designs auszugehen.
Messung der Ansprechzeiten
Um den Vergleich der beiden Schutzrohrvarianten komplett zu machen, schloss sich dem Strömungstest der NEL noch eine Messung der Ansprechzeiten an. Diese erfolgte in einer Wasser-Glykol-Mischung in Anlehnung an den Teststandard ASTM E644-09 für Widerstandsthermometer. Die Messung des Temperatursprungs beider Schutzrohre erfolgte bei 150 mm Eintauchtiefe. Ergebnis: Das ScrutonWell-Design verzeichnete im Vergleich zum herkömmlichen Schutzrohr eine um 17,6 % schnellere Ansprechzeit (T90-Zeit).
Fazit
Nach den Untersuchungen des Instituts für Mechanik und Fluiddynamik der Technischen Universität Bergakademie Freiberg im Jahr 2014 (siehe CITplus 6/2015, S. 34 ff.) haben die umfangreichen Tests des NEL in Glasgow bekräftigt, dass Schutzrohre im ScrutonWell-Design die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Sie bieten sich demnach als Lösungen in Fällen an, bei denen die Schutzrohrberechnung gemäß ASME PTC 19.3 TW-2016 Probleme aufwirft.
Der ASME-Standard ist ein probates Mittel, um das Verhalten von Thermometer-Schutzrohren in fließenden Prozessen zu berechnen, die Schutzrohre entsprechend auszulegen und eine Aussage über kritische Prozessbedingungen zu treffen. Das heißt aber auch: Bei einer nicht bestandenen Berechnung muss das Design des Schutzrohrs entsprechend modifiziert werden, entweder durch Verkürzung der Einbaulänge oder eine Vergrößerung der Abmessungen. Sehr kurze oder dickwandige Schutzrohre mögen die ASME-Anforderungen an die mechanische Festigkeit erfüllen. Messtechnisch betrachtet, sind sie jedoch ein Alptraum im Hinblick auf Ansprechzeit bzw. Genauigkeit.
Erschwerend kommt ein striktes Beachten der exakten Abmessungen des verwendeten Flanschstutzens sowie der Einbaulage des Schutzrohres. Dies ist vor allem dann von elementarer Wichtigkeit, falls ein Schutzrohr mittels Anker abgestützt werden soll. Die Erfahrung zeigt, dass viele Änderungen des Schutzrohr-Designs nach einer Festigkeitsberechnung sich nicht im Gültigkeitsbereich der ASME PTC 19.3 TW-2016 bewegen und bei der Montage des Schutzrohrs einen hohen Aufwand mit entsprechenden Kosten nach sich ziehen.
In diesen Fällen stellen Schutzrohre mit ScrutonWell-Design eine nun mehrfach von unabhängigen Institutionen geprüfte Alternative dar. Die seit Jahren bewährte Gestaltung mit Helix-förmigen Wendeln vereint den Vorteil einer äußerst wirksamen Unterdrückung der VIV (Vortex Induced Vibration) mit der unproblematischen Montage eines Standard-Schutzrohres. Die statischen Belastungen des ScrutonWell durch die Anströmung des Mediums und durch den Prozessdruck werden unter Anwendung der entsprechenden Abschnitte der ASME PTC 19.3 TW-2016 berechnet.