Dow Corning - Innovationen mit Silizium
21.11.2011 -
Dow Corning - Innovationen mit Silizium
Ob reinstes Silizium für die Solar- oder Elektronikindustrie oder spezielle Silicone für die Textilchemie oder Kosmetika, das US Unternehmen Dow Corning fokusiert sich auf die Siliziumchemie wie kein anderes Unternehmen der Branche. Neben den USA, Japan und China gehört der deutsche Markt mit seiner wachstumsstarken Automobil- und Solarindustrie zu den wichtigsten Geschäftsregionen des Unternehmens. Rund 2,5 Mio. € investierte der Konzern in diesem Jahr in den Ausbau des Wiesbadener Standorts. Dr. Andrea Gruß sprach mit Klaus Hoffmann, Dow Corning European Area President, über Innovationen rund ums Silizium.
CHEManager: Herr Hoffmann, was ist das Kerngeschäft von Dow Corning?
Klaus Hoffmann: Unser Unternehmen wurde 1943 als Joint Venture von Dow Chemical und der Corning Corp. gegründet, mit dem Auftrag, die Siliziumchemie weiterzuentwickeln. Und hier liegt auch heute noch unser klarer Fokus. Alles, was auf dem Siliziumatom aufbaut, ist für uns von Interesse. Dieses Ziel ist in unserem Unternehmensleitbild verankert und unterscheidet unser Geschäft von all unseren Wettbewerbern: Chemieunternehmen, für die die Siliconproduktion nur einer von vielen Geschäftsbereichen ist.
CHEManager: Wo kommen Ihre Produkte zur Anwendung?
Klaus Hoffmann: Silicone verleihen vielen Dingen aus unserem Alltag einen Zusatznutzen. Im Laufe eines Tages kommen Sie mit zahlreichen Produkten in Berührung, die Silicone enthalten. Das beginnt morgens im Bad: Haarshampoos mit Conditioner enthalten Silicone; ein Deostick besteht zu 60 % aus Siliconwachs, der die Feuchtigkeit absorbiert. Auch in Feuchtigkeit spendenden Cremes und in Lippenstiften ist sehr oft Silicon enthalten.
Ihre Kleidung kommt beim Waschen wahrscheinlich mit Silicon in Berührung. Denn diese dienen zum einen als Entschäumer, zum anderen steuern sie die Freigabe der verschiedenen Komponenten in einem modernen Waschmittel- Tab. Auch die Textilie selbst wurde oft mit Siliconen behandelt, z. B. um Wolle ein angenehmeres Tragegefühl zu verleihen.
Im Haus finden Sie Silicone an Badewanne und Fenster oder in der Küche als flexible Kuchenbackform oder sogar in Form eines Kochlöffels und Siliconhandschuhs. Und im Auto sind viele Elektronikteile im Motorraum und auch ein Großteil der Airbags mit Siliconen beschichtet.
CHEManager: Welche Funktion kommt ihnen dort zu?
Klaus Hoffmann: Wenn ein Airbag explodiert, kommt es zu starker Hitzeentwicklung, die Verbrennung bei den Insassen verursachen könnte. Die Siliconbeschichtung bildet ein Schutzschild gegen die Hitze und vermindert die Durchlässigkeit des Gewebes für kleinste Partikel, die bei der Explosion freigesetzt werden.
CHEManager: Neben Siliconen gehört auch die Herstellung reinen Siliziums zu einem wachsenden Geschäftsfeld der Dow Corning...
Klaus Hoffmann: Ja, unser Joint Venture Hemlock Semiconductor Corp. gehört zu den führenden Herstellern von Silizium für die Solar- und Elektronikindustrie und stellt weltweit 30 % des Marktvolumens an polykristallinem Silizium her. Derzeit investiert Hemlock 1 Mrd. US-$ in den weiteren Ausbau der Produktionskapazitäten in den USA. Damit kommen wir der immer stärkeren Nachfrage nach polykristallinem Silizium durch die boomende Solarindustrie nach, für die wir darüber hinaus auch Einkapselungen, Klebstoffe, Beschichtungen, Vergussmassen und Dichtungsmittel in höchster Qualität liefern. Ein Blick auf das Werkgelände in Wiesbaden zeigt, Sie sind nicht nur Lieferant, sondern auch Kunde der Solarindustrie.
CHEManager: Welche Dimension hat die Solaranlage am Standort?
Klaus Hoffmann: Wir haben Mitte dieses Jahres eine Solaranlage auf den Dächern der Produktionshallen und den Fassaden der Bürogebäude mit einer Gesamtfläche von 1000 m2 in Betrieb genommen. Das hat verschiedene Hintergründe: Deutschland ist nach Japan der zweitgrößte Markt in der Solarindustrie. Gerade im Osten des Landes lassen sich viele Solarfirmen nieder und es entstehen regelrechte Solarparks.
Mit dem Projekt wollen wir zeigen, dass Dow Corning im Solarbereich sehr aktiv ist und dass wir selbst in diesen Wachstumsmarkt investieren. Darüber hinaus bot sich der Standort Wiesbaden mit seinen großen Flachdächern an. Wir sind hier seit vielen Jahren umweltzertifiziert gemäß ISO 14001.
Bei dem Solarprojekt sind wir durch einen Fond für Umwelt- und Klimaschutz der ESWE mit 30 % der Investitionssumme unterstützt worden. Und genau den gleichen Prozentsatz der Einnahmen, die wir durch die Einspeisung der Solarenergie ins Netz erzielen, investieren wir wieder in weitere Energieeinsparmaßnahmen. Bei deren Entwicklung arbeiten wir mit der örtlichen Fachhochschule zusammen.
CHEManager: Ihr Unternehmen ist nach eigenen Angaben international führend bei Technologien und Innovationen auf der Basis von Silizium. Können Sie uns einige aktuelle Beispiele für Innovationen aus Ihrem Hause nennen?
Klaus Hoffmann: Ein spannender Anwendungsbereich bei Textilien sind derzeit Active Protection Systems. Sie bieten einen aktiven Schutz vor Verletzungen, die durch einen Aufprall entstehen. Wir haben ein Material entwickelt, das den hohen Druck auf eine Körperstelle auf eine größere Fläche verteilt. Dieses wird z. B. in einen Motorradanzug an den Ellenbogen integriert. Das Produkt ist seit Frühjahr 2007 auf dem Markt.
Aber unsere Innovationen beschränken sich nicht nur auf neue Produkte, sondern wir gehen auch neue Wege bei der Prozessoptimierung. Wir haben z. B. mit Textilherstellern in Indien den Prozess der Jeansherstellung optimiert. Dank der patentierten Pulvertechnologie von Dow Corning sind Verarbeiter in der Lage, bestimmte Phasen wie das Bleichen und Finishing bei der Jeansproduktion zu einem einzigen Schritt zu verbinden und so den Verbrauch an Wasser und Lösemitteln zu reduzieren. Auch der Einsatz von Bioziden verringert sich.
Darüber hinaus sind wir bei der Entwicklung neuer Vertriebsmodelle innovativ. Unsere Kunden können seit einiger Zeit größere Mengen Silicone über unsere Xiameter-Plattform im Internet zum Tagespreis und zu vorgegebenen Lieferzeiten und Geschäftsregeln beziehen und so ihre Kosten reduzieren. Xiameter ist vergleichbar mit einem Spotmarkt, dessen Preise sich nach Angebot und Nachfrage richten. Keiner unserer Wettbewerber bietet ein vergleichbares Geschäftsmodell für Silicone.
CHEManager: Wie fördern Sie Innovation in Ihrem Unternehmen?
Klaus Hoffmann: Innovation ist in unseren Augen mehr als nur Forschung und Entwicklung, für die wir im Übrigen 5 % bis 6 % unseres Jahresumsatzes ausgeben. Innovation ist viel breiter aufgestellt. Sie fängt im Prinzip an der Maschine, an den Arbeitsabläufen und -prozessen, den Anlagen an und hört auf bei dem Produkt bzw. der Lösung, die man dem Kunden liefert. Entlang dieser Schiene gibt es Innovationen jeden Tag – kleine wie große. Jeder kann dazu beitragen und das versuchen wir unseren Mitarbeitern zu vermitteln.
CHEManager: Mit welchen Mitteln gelingt Ihnen dies?
Klaus Hoffmann: Wir haben an verschiedenen Standorten Ideenbörsen, bei der Mitarbeiter ihre Vorschläge einreichen können und die dann teilweise auch prämiert werden. Viel wichtiger ist m.E. aber unsere offene Unternehmenskultur und dass wir nicht streng hierarchisch arbeiten und mit offenen Türen. Wir motivieren unsere Mitarbeiter dazu, Anweisung zu hinterfragen und Gegenvorschläge zu machen.
Hierzu bietet sich z. B. Gelegenheit bei den sog. Tea-Break-Sessions, die wir in Wiesbaden von unserem Standort aus England übernommen haben. Dabei geht ein Werkleiter oder ein Mitglied der Geschäftsführung zu bestimmten, bekannten Terminen auf Tour, unterhält sich mit den Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen in einem offenen Austausch, z. B. in der Kaffeeküche oder in der Kantine.
CHEManager: Bevor Sie die Verantwortung für das Europa-Geschäft der Dow Corning übernommen haben, waren Sie Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft. Welche Bedeutung hat der Standort Deutschland für Dow Corning ?
Klaus Hoffmann: Deutschland ist traditionell ein sehr wichtiger Markt für uns, indem wir schon lange aktiv sind. Bereits in den 1960er Jahren haben wir den Münchner Schmierstoffhersteller Molykote, 1983 den Wiesbadener Kitt- und Bausiliconhersteller Perennator übernommen. Deutschland war lange Zeit einer der drei größten Märkte für Siliconprodukte. I
m Moment ist China sehr stark im Kommen, so dass man nur schwer sagen kann, wer momentan gerade die Nummer drei ist. In den 1990er Jahren haben wir die Produktion von Molykote nach Wiesbaden verlegt, danach koninuierlich den weiteren Ausbau vorangetrieben und in diesem Jahr weitere 2,5 Mio. € am Standort investiert.
CHEManager: Wohin flossen die Investitionen?
Klaus Hoffmann: Wir haben eine Heißsilikon-Produktion von einem Standort in Italien hierher verlagert und im Zuge dessen in Maschinen, Infrastruktur und den Umbau von Gebäuden investiert und 50 neue Mitarbeiter eingestellt.
CHEManager: Was gab den Ausschlag dafür, die Aktivitäten nach Deutschland zu verlegen?
Klaus Hoffmann: Wir haben damit die Produktionen eines Produktbereichs in Europa zusammengelegt und uns dabei für den größeren Standort entschieden. Entscheidend war unsere Langfriststrategie für diesen Produktbereich. Eine Rolle spielte dabei auch unsere TS 16949-Zertifizierung als Entwicklungsdienstleister und die Nähe zu unseren Kunden in der deutschen Automobilindustrie und der Kautschuk- Industrie, denen wir hier in Wiesbaden Verkauf, Anwendungstechnik, Entwicklung und Kundendienst an einem Ort bieten können. Auch die höhere Flexibilität und die bessere Produktivität in Deutschland spielten eine Rolle.
CHEManager: Inwiefern?
Klaus Hoffmann: Wir erzielen in Deutschland eine höhere Produktivität als in Italien, was immer wieder verwunderlich klingt. Hierzu hat unter anderem das stabile Lohnniveau in Deutschland in den vergangenen Jahren beigetragen, während in anderen europäischen Ländern, u.a. in Italien, die Löhne nach wie vor gestiegen sind.
Zudem haben wir hier in Deutschland eine relativ hohe Flexibilität. Der Gesetzgeber ermöglicht uns Arbeitszeitmodelle, z. B. Jahresarbeitszeitkonten, um effizient mit unterschiedlichen Auslastungen umzugehen. In Italien ist es dagegen nicht möglich, Mehrstunden aus einer Woche in die andere Woche mit zu übernehmen.
CHEManager: Wir sprachen über Innovationen, die für Ihr Unternehmen von großer Bedeutung sind. Wie beurteilen Sie das Innovationspotential am Standort Deutschland?
Klaus Hoffmann: Leider gibt es viele Entwicklungen aus Deutschland, die im Ausland kommerzialisiert werden. Ein Paradebeispiel ist der Transrapid, der in Shanghai das erste Mal gefahren ist. Aber ich glaube, dass wir insgesamt viel innovationsfähiger sind, als wir uns darstellen. Sonst könnten wir uns nicht mit China um den Titel Exportweltmeister streiten!