„Warstein“ und die Folgen für Sicherheitsingenieure

„Warstein" steht für zwei Tote und 167 an Legionellose Erkrankte, die nachgewiesener Maßen Aerosole eingeatmet haben, die aus einem Rückkühlwerk vom Dach eines metallverarbeitenden Betriebes stammten. Bis man den Emittenten gefunden hatte, sah sich die Kreisverwaltung am 02. September 2013 gezwungen, eine Reisewarnung auszusprechen!
Nun sind die Vorgänge nicht mehr rückgängig zu machen, aber künftige zu verhindern (insbesondere weil in Ulm 2009 ebenfalls durch Aerosole aus einem Rückkühlwerk neun Menschen an Legionellose verstorben sind). Nach § 319 Strafgesetzbuch wird bestraft, wer ... gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet. Das Infektionsschutzgesetz regelt, wie mit Gefahren umzugehen ist, die die Allgemeinheit betreffen. Sicherheitsingenieure, die in und für Unternehmen arbeiten, bei denen Rückkühlwerke aber auch andere Anlagen, die Aerosole in die Umgebung emittieren, zu verantworten haben, hätten spätestens nach „Ulm" wach werden müssen.
Aber auch die Biostoffverordnung, die im Juli 2013 novelliert worden war, scheint an den Sicherheitsingenieuren spurlos vorbeigegangen zu sein: Mikroorganismen zählen zu den biologischen Arbeitsstoffen, für die nach Arbeitsschutzgesetz Gefährdungsbeurteilungen aufzustellen sind. Was die Sicherheitsleute meist übersehen haben, sind alle Anlagen, in denen Biozide (genauer mikrobiozide Stoffe zur Konservierung von wässrigen Medien bzw. deren Desinfektion) eingesetzt werden; also unerwünschte Mikroorganismen enthaltende Bioreaktoren. Eine chemische Bekämpfung von Anlagen, in denen sich Biofilme ausgebildet haben, gelingt nirgends zu 100%, also greift die Biostoffverordnung.
Alle metallverarbeitenden, aber auch Kunststoff-, Papier oder Textilien-herstellenden Betriebe müssen für ihre wässrigen Systeme, zu denen neben den Kühlsystemen Wasserlackier- und Färbeanlagen, Kühlschmierstoff- und Schlichte-Systeme, Entfettungsanlagen und Pinselwaschtische und ... und ... und (z. B. auch die Sprinkleranlagen) gehören. Gefährdungsbeurteilungen nach Biostoffverordnung machen.
Das Umweltministerium in Baden-Württemberg hat sich der Problematik angenommen und exemplarisch für ein Dutzend solcher Fälle Gefährdungsbeurteilungen erstellen lassen, die im Augenblick noch mit den Berufsgenossenschaften diskutiert werden. Auf verschiedenen Wegen sollen die Unternehmen, speziell deren Sicherheitsingenieure mit dem erarbeiteten Material versorgt werden, um eigenständig nach geltendem Recht die eigenen Mitarbeiter vor Infektionen, Allergien o.ä, aber auch Legionellose zu schützen und den schriftlichen Anforderungen zu genügen. Die Technische Akademie Esslingen hat aus aktuellem Anlass eine entsprechende eintägige Veranstaltung am 23.10.2014 ins Programm genommen, bei der die „Mikrobiologie" in wässrigen Systemen, der gesetzliche Hintergrund und konkret Gefährdungsbeurteilungen vorgestellt werden. Die Informationsveranstaltung endet mit einem Maßnahmenplan zur Vermeidung und Bekämpfung von Legionellen und anderen Krankheitserregern.

Kontakt:

Prof. Dr. Peter M. Kunz

Institut für Biologische Verfahrenstechnik, Hochschule Mannheim

Tel.: 0621/318804-70 oder 0175/2091380

p.kunz@hs-mannheim.de

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