13.05.2025 • ThemenDowInterviewKreislaufwirtschaft

Von Compliance bis Rezyklatstrategie

Wie sich Unternehmen auf die neue EU-Verpackungsverordnung vorbereiten können

Carolina Gregorio, Sustainability Director für den Geschäftsbereich Packaging & Specialty Plastics bei Dow in Europa, Im CHEManager-Interview zur neuen EU-Verpackungsverordnung.

Die neue EU-Verpackungsverordnung soll die Menge an Verpackungen und...
Die neue EU-Verpackungsverordnung soll die Menge an Verpackungen und Verpackungsabfällen minimieren, den Einsatz von Primärrohstoffen reduzieren und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft fördern.
© Heng Heng - AI Stock - stock.adobe.com

Die neue EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) hat zum Ziel, die Menge an Verpackungen und Verpackungsabfällen zu minimieren, den Einsatz von Primärrohstoffen zu reduzieren und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu fördern. Doch die Verordnung legt der Kunststoffindustrie neue Vorschriften und steigende Compliance-Anforderungen auf und fordert hohe Rezyklateinsatzquoten. Wie realistisch sind die Ziele? Welche Lösungen gibt es? Und was müssen Unternehmen jetzt konkret tun? Carolina Gregorio, Sustainability Director für den Geschäftsbereich Packaging & Specialty Plastics bei Dow in Europa, erläutert, worauf es jetzt ankommt und wie sich die Industrie bestmöglich vorbereiten kann.

CHEManager: Frau Gregorio, was sind die wichtigsten Punkte der PPWR? Welche neuen Anforderungen bringt sie?

Carolina Gregorio: Die PPWR schafft einen klaren Fahrplan für nachhaltigere Verpackungen in Europa: Bis 2030 müssen alle Verpackungen rezyklierbar sein, bis 2035 im großen Maßstab. Verbindliche Rezyklateinsatzquoten wurden eingeführt und werden schrittweise erhöht: bis 2030 auf 10 bis 35 % und ab 2040 auf bis zu 65 %.

Gleichzeitig zielt die PPWR darauf ab, Verpackungen zu minimieren, Einwegformate zu verbieten und Wiederverwendungsquoten festzulegen. Außerdem fordert sie eine ökologische Anpassung, die sogenannte Ökomodulierung, der Gebühren im Rahmen der Extended Producer Responsibility – kurz: EPR –  basierend auf der Rezyklierfähigkeit, und schlägt eine Kennzeichnungspflicht vor, um Verbraucher über die Nachhaltigkeit der Verpackung zu informieren.

Das bietet die Chance, lieferkettenübergreifend zu arbeiten, um innovative, kreislauffähige Verpackungslösungen zu entwickeln, die Nachhaltigkeitsziele und ökonomische Anforderungen zugleich erfüllen.

Wann tritt die PPWR in Kraft? Bis wann müssen Unternehmen compliant sein?

C. Gregorio: Die PPWR ist seit Februar 2025 in Kraft, wobei einige Verpflichtungen erst ab August 2026 und – der überwiegende Teil – ab 2030 gelten. Das bietet ein solides Zeitfenster, um Anpassungen der Verpackungen zu planen, zu testen und schrittweise umzusetzen. Wichtige Meilensteine, wie verpflichtende Rezyklierfähigkeit und Rezyklateinsatzquoten, sind bis 2030 vorgesehen. Das gibt Zeit, interne Prozesse abzustimmen und mit Lieferanten zu arbeiten, um notwendige Materialien zu sichern und Produktionsmethoden anzupassen.

Was passiert, wenn man die Compliance verfehlt?

C. Gregorio: Hersteller, die die Vorgaben nicht einhalten, dürfen ihre Verpackungen nicht mehr auf den EU-Markt bringen. Es gibt reale Risiken wie finanzielle Strafen und Marktbeschränkungen, die durch frühzeitiges Handeln gemindert werden können. Vor allem aber eröffnet die Einhaltung der PPWR neue Chancen: Verbraucher legen mehr Wert auf nachhaltige Verpackungen, und proaktives Handeln kann das Image und die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller und Markenartikler stärken.

Wie soll man die hohen Rezyklateinsatzquoten denn erreichen? Woher kommt das benötigte Rezyklat?

C. Gregorio: Um die ehrgeizigen Quoten zu erreichen, müssen mechanisches und chemisches Recycling kombiniert, kontinuierlich verbessert und ausgebaut werden. Mechanisches Recycling eignet sich für saubere, homogene Ströme, während chemisches Recycling für komplexe, kontaminierte Verpackungsabfälle unerlässlich ist. Mechanisches Recycling hat aber Grenzen bei der Produktion von lebensmittelgeeigneten und hochwertigen rezyklierten Kunststoffen für Verpackungen mit hohen Qualitätsanforderungen. Das chemische Recycling bietet hier Vorteile, mechanisches Recycling ist jedoch kostengünstiger und weist einen geringeren CO2-Fußabdruck auf. Daher sollte mechanisches Recycling bevorzugt und chemisches Recycling ergänzend eingesetzt werden, um die Limitierungen des mechanischen Recyclings zu komplementieren. Mit der komplementären Nutzung beider Technologien kann genügend hochwertiges recyceltes Material gesichert werden, um die Quoten zu erfüllen – auch für Lebensmittelverpackungen. Für die langfristige Versorgung mit ausreichend Rezyklat sind starke Verbindungen mit Recyclern, Investitionen in Innovationen für kreislauffähige Materialien und der Ausbau der Recycling- und Sammelinfrastruktur entscheidend durch effektive Nutzung der EPR-Einnahmen.  

Welche Best Practices eignen sich, um die Rezyklateinsatzquoten zu erfüllen?

C. Gregorio: Diese beginnen beim Produktdesign, also damit, wie kreislauffähig die Verpackungen gestaltet sind, zum Beispiel durch Verwendung von Monomaterialien oder die Reduzierung von Komponenten, die das Recycling behindern. Forschungsabteilungen und Produktdesigner müssen eng zusammenarbeiten, um Materialien so auszuwählen und zu kombinieren, dass sie mechanisch und chemisch recycelt werden können. Wer zum Beispiel frühzeitig Post-Consumer-Rezyklat aus mechanischem Recycling in nicht lebensmittelgeeignete Verpackungen integriert und gleichzeitig recycelte Kunststoffe aus chemischem Recycling für sensible Anwendungen testet, schafft eine umfängliche, solide Strategie. Die Zusammenarbeit mit Recyclern, Investitionen in Rohstoffpartnerschaften und die Erforschung biobasierter Materialien sichern auch zukünftig Flexibilität.

„Die PPWR schafft einen klaren Fahrplan für nachhaltigere Verpackungen in Europa.“

Die PPWR schafft einen klaren Fahrplan für nachhaltigere Verpackungen in...
Die PPWR schafft einen klaren Fahrplan für nachhaltigere Verpackungen in Europa: Bis 2030 müssen alle Verpackungen rezyklierbar sein, bis 2035 im großen Maßstab. Verbindliche Rezyklateinsatzquoten wurden eingeführt und werden schrittweise erhöht.
© Dow

Was müssen Unternehmen tun, um die Quoten in besonders anspruchsvollen Anwendungen wie Lebensmittelverpackungen zu erfüllen?

C. Gregorio: Lebensmittelverpackungen erfordern besonders hohe Standards. Für das mechanische Recycling bedeutet das die Einhaltung gesetzlicher Lebensmittelkontaktkriterien und die EFSA-Zulassung, was in großtechnischem Maßstab oft nicht machbar ist. Daher sollten hier chemische Recyclingverfahren verstärkt genutzt werden, um recycelte Kunststoffe in hoher neuwertiger Qualität zu produzieren. Zusätzlich könnte zum Beispiel auch lebensmitteltaugliches PET-Rezyklat – rPET – für bestimmte Anwendungen – zum Beispiel Verpackungsschalen – verwendet werden. In rPE und rPP basierten Lebensmittelverpackungen ist speziell die aktive Beteiligung an Projekten zur schnelleren Skalierung von lebensmittelgeeigneten recycelten Kunststoffen aus chemischem Recycling absolut nötig. Und, es ist auch wichtig, sich für klare regulatorische Berechnungsregeln auf nationaler und europäischer Ebene einzusetzen, um alle Recyclingtechnologien zu fördern.

Wie müssen Produktionsprozesse angepasst werden?

C. Gregorio: Prozessanpassungen werden unterschiedlich ausfallen, sind aber durch einen proaktiven Ansatz, frühe Tests und eine enge Zusammenarbeit mit den Geräteherstellern und Kunden zu bewältigen. Möglicherweise müssen Verpackungslinien neu kalibriert werden, um recycelte Materialien mit abweichenden Eigenschaften zu verarbeiten, und Versiegelungs- oder Formprozesse müssen für Monomaterialien angepasst werden. Die Qualifikation von neuen rezyklierten Materialien und darauf basierten Verpackungen ist sicher möglichst früh mit den entsprechenden Kunden in Angriff zu nehmen. Und: Neue Kennzeichnungssysteme sind erforderlich, um den harmonisierten Kennzeichnungsregeln der PPWR zu entsprechen.

Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung? Wie könnten Unternehmen bei der Umsetzung der PPWR unterstützt werden?

C. Gregorio: Kunststoff- und Verpackungshersteller brauchen Unterstützung in Form von klaren und einfachen regulatorischen Leitlinien, finanziellen Anreizen und Investitionen in die Infrastruktur zur Verbesserung der Sammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen. Das ist entscheidend, um das Angebot an Sekundärrohstoffen zu erhöhen. Die Politik kann auch Plattformen fördern, wo Industrie und Regulierungsbehörden gemeinsam Lösungen entwickeln. Vereinfachte Genehmigungen für neue Recyclingtechnologien und die Förderung von innovativen, sauberen und kreislauforientierten Technologien bei öffentlichen Investitionen würden den Übergang zusätzlich beschleunigen. Wenn es uns gelingt, die Innovationskraft der Industrie mit unterstützenden politischen Maßnahmen zu kombinieren, kann aus der Herausforderung PPWR am Ende ein entscheidender Wettbewerbsvorteil werden.

Wie könnte eine konkrete Strategie hier aussehen?

C. Gregorio: Für Kunststoffverarbeiter und Hersteller von Verpackungen könnte ein klarer Aktionsplan folgendermaßen aussehen:
Zunächst sollte das Verpackungsportfolio überprüft werden, um die aktuellen Materialien, deren Recyclingfähigkeit und den Rezyklateinsatz zu verstehen.

Die Zusammenarbeit mit Recyclern und Lieferanten ist wichtig, um zukünftige Lieferungen von recycelten und biobasierten Kunststoffen durch Verträge oder Partnerschaften zu sichern. Die Zusammenarbeit muss auch neue innovative Geschäftsmodelle berücksichtigen, um die nötigen Investitionen zu finanzieren.

Neue Verpackungen sollten stets mit Blick auf Kreislauffähigkeit gestaltet werden, indem Hersteller zu Monomaterial-Verpackungsstrukturen wechseln, Designs vereinfachen und neue Materialien testen. In Europa gibt es bereits einige finanzielle Anreize für diesen Übergang.
Produktionsprozesse sollten modernisiert werden, indem man Maschinen und Qualitätskontrollen anpasst, um recycelte Inhalte besser verarbeiten zu können.

Mit Blick auf Dokumentations- und Berichtspflichten ist ein zuverlässiges Datensystem notwendig, um Materialflüsse nachverfolgen zu können.
Und: Insgesamt sollte man viel mehr intern und extern kommunizieren, abteilungsübergreifend und mit externen Partnern zusammenarbeiten, um ein laufend verbessertes Verständnis für die bevorstehende Kreislaufwirtschaft zu fördern.

„Mechanisches Recycling sollte bevorzugt und chemisches Recycling ergänzend eingesetzt werden.“

Photo:

Carolina Gregorio

ist EMEA Regional Business Sustainability Direktorin für den Geschäftsbereich Packaging & Specialty Plastics bei Dow. Seit ihrem Einstieg in das Unternehmen 2007 hatte sie verschiedene Rollen im Sales- und Marketingbereich inne. Sie war u.a. Global Project Lead für Dows Innovationsplattform im Verpackungsbereich. Außerdem verantwortete sie die Entwicklung und Umsetzung der globalen Marketingstrategie für die biobasierten Angebote von Dow. Gregorio hat einen Abschluss in Chemieingenieurwesen von der Universität Santiago de Compostela, Spanien, und einen Executive MBA von der EAE Business School.

© DOW

CHEManager-Serie Kunststoffrecycling

Dieses Interview ist Teil der CHEManager-Serie über Kunststoffrecycling in Kooperation mit Plastics Europe Deutschland.

Interview-Serie

Anbieter

Dow Olefinverbund GmbH


06258 Schkopau
Deutschland

Kontakt zum Anbieter







Whitepaper

Cannabis-Extraktion - Temperiersysteme in der Anwendung

Cannabis-Extraktion - Temperiersysteme in der Anwendung

Cannabis ist eine seit Jahrtausenden kultivierte Nutzpflanze, die zahlreiche pharmakologisch wirksame Substanzen enthält.

Webinar

Die Ära Chemie 4.0 gekonnt meistern
ERP für die Chemie

Die Ära Chemie 4.0 gekonnt meistern

Während die Nachfrage an Chemieprodukten in Westeuropa nur langsam wächst, steigt der Bedarf in Schwellenländern überdurchschnittlich.