Trends in der pharmazeutischen Flüssigabfüllung

Neue Medikamente, strikte Regularien und hohe Anforderungen an Sicherheit und Qualität führen zu der Entwicklung neuer Linienkonzepte für die Abfüllung flüssiger Pharmazeutika.

Autor: Stephan März, Executive Vice President Pharma Liquid, Syntegon Technology GmbH

SynTiso ist ein neues Linienkonzept für flüssige Pharmazeutika, das von...
SynTiso ist ein neues Linienkonzept für flüssige Pharmazeutika, das von Syntegon gemeinsam mit zwei Partnern aus der Pharmaindustrie entwickelt wurde. Dank handschuhlosem Isolator können pharmazeutische Hersteller ihre Prozesse Annex-1-konform automatisieren und menschliche Eingriffe minimieren.
© Syntegon

Die Abfüllung flüssiger Pharmazeutika verändert sich aktuell in einem rasanten Tempo. Neue Medikamente, strikte Regularien, neue Packmittel und immer höhere Anforderungen an Sicherheit und Qualität führen zu der Entwicklung neuer Linienkonzepte. Dies gelingt am besten in der direkten Zusammenarbeit zwischen pharmazeutischen Herstellern und Technologieanbietern.

Neben der viel diskutierten Abnehmspritze stellen weitere medizinische Neuentwicklungen die Abfüllung flüssiger Pharmazeutika vor zahlreiche Herausforderungen. Bis heute sind Blockbuster und traditionelle, in großen Chargen hergestellte Arzneimittel wie Blutverdünner, Schmerzmittel oder Insulin nicht aus dem Apothekenregal wegzudenken. Parallel kommen zahlreiche neue Medikamente wie Zell- und Gentherapien hinzu, die die Anforderungen erweitern – und von Kleinstchargen bis hin zu sehr hohen Ausbringungen eine Reihe an identischen Trends mitbedingen: hohe Anlagenverfügbarkeit bei möglichst geringem Produktverlust, größtmögliche Flexibilität hinsichtlich Produkten und Packmitteln sowie höchste Produktqualität bei minimalem Bedienereinsatz.


Verlustfreie Abfüllung

Im hart umkämpften Pharmamarkt spielt der wirtschaftliche Aspekt eine wichtige Rolle: Neue Abfülllinien müssen sich nicht nur in Bezug auf Total Cost of Ownership (TCO) schneller amortisieren, auch die Gesamtanlagenverfügbarkeit (OEE) fließt in die Rechnung mit ein. Lange Stillstandzeiten für Reinigung und Wartung sind nicht mehr akzeptabel. Gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln wie Biologika zählt buchstäblich jeder Tropfen. Entsprechend legen Hersteller und Lohnabfüller ein immer stärkeres Augenmerk auf eine präzise Dosierung und verlustfreie Abfüllung flüssiger Pharmazeutika.

Doch die exakte Dosierung ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht höchst relevant: Sie ist auch für die Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte essenziell, denn Abweichungen können schwerwiegende Folgen für Patienten haben. Auch regulatorische Anforderungen spielen hier mit rein: GMP-Richtlinien verlangen dokumentierte, kontrollierte und rückverfolgbare Prozesse. Verluste im Abfüllprozess können dabei nicht nur zu Qualitätseinbußen führen, sondern auch aufwendige Nachprüfungen erforderlich machen.

Flexibilität für Produkte und Packmittel

Um die Stabilität und damit die Qualität sicherzustellen, werden immer mehr flüssige Arzneimittel gefriergetrocknet. Die Lyophilisierung bietet dabei zahlreiche Vorteile. Insbesondere bei empfindlichen Wirkstoffen wie Biologika, Peptiden oder Impfstoffen verlängert sie die Haltbarkeit deutlich – auch außerhalb der Kühlkette. Zudem ermöglicht die Trocknung eine präzise Dosierung und eine schnelle Rekon­stitution vor der Anwendung. Für produzierende Pharmaunternehmen ist die flexible und nahtlose Integration des Gefriertrocknungsprozesses in die Gesamtlinie besonders wichtig, dicht gefolgt von der Anwendbarkeit auf unterschiedliche Packmittel, wie bspw. die immer stärker im Trend liegenden gebrauchsfertigen Vials.

Dass der Markt für sog. Ready-to-use (RTU)-Behältnisse seit Jahren rasant wächst, ist nicht überraschend: Sie bieten einfachere Verarbeitungsprozesse, geringere Gesamtbetriebskosten sowie die notwendige Flexibilität. Obwohl sie aktuell noch recht kostenintensiv sind, ersparen RTU-Packmittel ihren Anwendern viel Zeit, Platz und Geld. Zahlreiche Schritte, wie etwa das Reinigen, die Silikonisierung (bei Spritzen) und die Sterilisation von Komponenten werden bei RTU-Behältnissen an die Packmittelzulieferer ausgelagert. Diese haben das Know-how und stellen sicher, dass sämtliche Prozesse gemäß den aktuellen globalen Anforderungen qualifiziert und validiert sind.


„Lange Stillstandzeiten für Reinigung und Wartung sind bei Abfülllinien nicht mehr akzeptabel.“

Sicherheit als höchstes Gebot

RTU-Packmittel lassen sich in allen Ausbringungsmengen befüllen. Dabei ist ein Faktor besonders entscheidend: Die Sicherheit der Produkte und somit der Patienten auf der ganzen Welt. Immer striktere Regularien – allen voran der neue EU GMP Annex 1 – fordern noch sicherere Prozesse. Das beinhaltet neben reproduzierbaren und nachverfolgbaren Herstellungsschritten vor allem die Reduzierung von Kontaminationsrisiken. Ein Grundgedanke des gesamten neuen Annex 1 ist die Trennung des aseptischen Prozessraumes von der Bedienerumgebung. Hierfür empfiehlt das Dokument zum ersten Mal eindeutig, entsprechende Barriere-Technologien einzusetzen – Isolatoren und RABS (Restricted Access Barrier Systems) gelten dabei als gleichwertig.

Im zweiten Kapitel des Annex 1 werden unter dem Schlagwort „Appropriate technologies“ Automatisierung und Robotersysteme besonders hervorgehoben. Durch den Einsatz dieser Technologien lassen sich Handschuhe und menschliche Eingriffe in Barriere-Systemen auf ein absolutes Minimum reduzieren oder sogar eliminieren. Die Vision, um dies zu erreichen, ist ein quasi leerer, handschuhloser Isolator, in dem alle Prozesse vollautomatisiert ablaufen. Die Robotik wird so weit wie möglich aus dem Prozessraum rausgehalten, was wiederum auf das zum ersten Mal in einer europäischen GMP-Richtlinie thematisierte „First Air“-Prinzip einzahlt, bei dem der Luftstrom ungehindert zirkulieren soll.

Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Das SynTiso Linienkonzept von Syntegon beantwortet die aktuellen Herausforderungen pharmazeutischer Hersteller nach hoher Leistung und Verfügbarkeit sowie maximaler Produktausbeute bei minimalem Bedienereinsatz. Dank handschuhlosem Isolator lassen sich Prozesse automatisieren und menschliche Eingriffe minimieren. Dabei kommen die Roboter nur zum aseptischen Rüsten und bei Bedarf zum Einsatz.

Die Position der Roboter minimiert die Partikel im aseptischen Bereich – was wiederum das Kontaminationsrisiko deutlich reduziert. Dank Echtzeit-Monitoring von Keimen und Partikeln entfällt zudem der Austausch der Sedimentationsplatten. Darauf zahlt auch das neue Transportkonzept ein: Der berührungslose, schwebende Transport generiert keine Partikel und erleichtert auch bei hochpotenten Pharmazeutika die Reinigung und Wartung. Auf kleinerer Fläche sorgt das System für einen schnelleren aseptischen Transport und bis zu 50 Prozent kürzere Chargenwechsel. Bei 100-prozentiger In-Prozess-Kontrolle (IPK) lassen sich auf SynTiso bis zu 600 Spritzen, Vials oder Karpulen pro Minute verarbeiten – eine im Markt bislang noch nie dagewesene Geschwindigkeit.

SynTiso wurde gemeinsam mit zwei Partnern aus der Pharmaindustrie entwickelt. Dabei standen von Beginn an die Herausforderungen der pharmazeutischen Hersteller im Vordergrund: Wie muss die Linie ausgelegt sein, um RTU-Packmittel in einem so hohen Ausbringungsbereich zu verarbeiten? Wie lassen sich größtmögliche Flexibilität und schnellere Verfügbarkeit umsetzen? Durch die enge Zusammenarbeit konnte man wichtige pharmazeutische Prozesse von Beginn an in das Anlagendesign integrieren – und so der Vision eines quasi leeren Isolators einen großen Schritt näherkommen.

Zur Person: Stephan März

ist seit 2023 bei Syntegon als Executive Vice President Pharma Liquid tätig und verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Strategie und internationales Management. Er begann seine Karriere bei der Unternehmensberatung Roland Berger und bekleidete anschließend verschiedene internationale Führungspositionen in den Bereichen Geschäftsentwicklung, Kundenservice und Geschäftsbereichsverantwortung. März hält einen Abschluss als Diplom-Ingenieur für Maschinenbau von der TU München.

„Wir analysieren den konkreten Bedarf gemeinsam und entwickeln auf dieser Basis wahre Innovationen."

Nachgefragt Interview: Partnerschaften und Co-Kreation

Ökologisch und ökonomisch  verpacken in der Pharmaindustrie

Innovative Verpackungslösungen und nachhaltige Technologien in der Pharma- und Lebensmittelindustrie – wie packt man das an? ­

CHEManager sprach darüber mit Stephan März, Executive Vice President Pharma Liquid bei Syntegon. Die Fragen stellte Volker Oestreich.

CHEManager:  Herr März, Syntegon verfolgt eine strategische Ausrichtung, die sich auf innovative Technologien und Partnerschaften konzentriert. Ein bedeutender Schritt war die Entwicklung von Versynta MicroBatch mit Vetter und jetzt auch SynTiso. Sind weitere solche Partnerschaften geplant?

Stephan März: SynTiso ist ein perfektes Beispiel für Partnerschaften und Co-Kreation. Das Linienkonzept wurde von Beginn an gemeinsam mit zwei Partner aus der Pharmaindustrie entwickelt. Dadurch ist es uns gelungen, das System konkret auf die wichtigsten Bedürfnisse unserer Kunden hinsichtlich hoher Leistung und Verfügbarkeit sowie maximaler Produktausbeute bei minimalem Bedienereinsatz abzustimmen. Auch über MicroBatch und SynTiso hinaus arbeiten wir häufig bereits im sehr frühen Entwicklungsstadium mit Kunden zusammen. Wir kennen uns mit der Technik und mit den Regularien wie etwa Annex 1 sehr gut aus. Doch es ist immer besser, den konkreten Bedarf gemeinsam zu analysieren und auf dieser Basis wahre Innovationen zu entwickeln.
Die Übernahme von Telstar durch Syntegon soll die Position als führender Anbieter von Abfüllsystemen für flüssige Arzneimittel stärken. 

Welche Ergebnisse wurden bisher erreicht und wie profitieren Ihre Kunden davon?

S. März: Wir haben sehr positives Feedback aus der Industrie erhalten. Nachdem Syntegon und Telstar bereits vor der Übernahme etliche gemeinsame Projekte umgesetzt hatten, verzeichnen wir jetzt deutlich mehr Anfragen – und haben auch schon neue Aufträge gewonnen. Unsere Kunden profitieren von unserem erweiterten Angebot: Durch die Integration der Gefriertrockner sowie Be- und Entladesysteme von Telstar können wir ihnen ein lückenloses Portfolio für die Abfüllung lyophilisierter Pharmazeutika aus einer Hand anbieten.

Das ist nicht nur technologisch ein deutlicher Vorteil. Auch in der Projektabwicklung können wir die Synergien ideal nutzen. Unsere Kunden – und wir selbst – sparen Zeit dank einem zentralen Ansprechpartner und abgestimmten Schnittstellen. So erhalten sie noch umfassendere Lösungen, nahtlose Prozesse und Lifecycle-Services. Zudem haben wir unsere geografische Abdeckung und Kundennähe weiter ausbauen können. Damit festigen wir unsere Position als strategischer Partner für die Pharma- und Biotechindustrie und können gemeinsam weiter wachsen.

Wie bringen Sie mit ihrem Fokus auf OEE-Maximierung und Nachhaltigkeit bei Ihren Kunden Ökologie und Ökonomie zusammen und welche Rolle spielt dabei die Corporate Sustainability Due Diligence Directive?

S. März: Indem wir unsere eigenen Anlagen nachhaltiger gestalten, können wir oft im gleichen Schritt deren Effektivität erhöhen. Spezifische Upgrade-­Angebote unterstützen unsere Kunden dabei, ihr Bestandsequipment zukunftsfähig zu machen – und ersparen ihnen somit die Investitionen in neue Anlagen. Ein gutes Beispiel ist die Reinstdampferzeugung: So lässt sich etwa durch den Einbau einer Zeitschaltung die Abschlämmmenge individuell steuern. Der Einbau eines Vorwärmers für das Speisewasser senkt den Heizdampfbedarf, während eine Nachtabsenkung für produktionsfreie Zeiten den Energieverbrauch deutlich reduziert.

Durch die Erfüllung aller Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes tragen wir zudem aktiv zu einer nachhaltigen Lieferkette unserer Kunden bei. Das belegt auch die erfolgreiche Validierung unserer Emissionsziele durch die Science Based Targets Initiative. Diese zielen darauf ab, bis 2030 die Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 50 % und die Scope-3-Emissionen um 25 % zu senken.

Dieser Beitrag ist in CHEManager 10/2025 erschienen

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