Neue Krebstherapien mit BiTE




CHEManager: Herr Stampfli, Sie besitzen seit der Übernahme von Micromet im Jahr 2012 in München einen Forschungsstandort. Welche Bedeutung hat dieser im internationalen F&E-Geflecht von Amgen?
Roman Stampfli: Die Übernahme von Micromet durch Amgen und die Entwicklung der letzten sieben Jahre ist eine Erfolgsgeschichte. Gut 200 Mitarbeiter arbeiten in München in der Forschung und Entwicklung. Sie entwickeln „Bispecific T cell Engager“ (BiTE)-Antikörperkonstrukte für die Behandlung verschiedener Krebsarten. Dabei ist der Münchner Standort so ausgestattet, dass er BiTE-Programme vom Konzept bis zur frühen klinischen Entwicklung bearbeiten und unterstützen kann.
Welche Rolle spielen die BiTE-Antikörperkonstrukte, die Sie in München entwickeln, in der Medizin?
R. Stampfli: Bösartige Krebszellen entwickeln sehr häufig Mechanismen, mit deren Hilfe sie eine effiziente Immunantwort unterdrücken bzw. vom Immunsystem unerkannt bleiben können. Die BiTE-Technologie ist so konzipiert, dass die potentesten Killerzellen des Immunsystems, die sogenannten T-Zellen, Tumorzellen anhand einer spezifischen Struktur auf deren Oberfläche (= Tumorantigen) besonders effizient erkennen und zerstören können. Ausgestattet mit zwei unterschiedlichen Bindungsstellen fungieren die BiTE-Antikörperkonstrukte als Adapter zwischen Krebs- und T-Zellen, indem sie gleichzeitig an beide Zelltypen binden. Diese gleichzeitige bispezifische Bindung führt nicht nur zur Zerstörung der gebundenen Tumorzellen, sondern auch zur Vermehrung der beteiligten T-Zellen. Dadurch entstehen über die Zeit mehr T-Zellen, die wiederum mit Hilfe der BiTE-Antikörperkonstrukte auch mehr Krebszellen zerstören können.
Haben Sie Pläne, den Standort München beziehungsweise die Forschung dort zu erweitern?
R. Stampfli: Seit der Gründung der Amgen Vertriebsgesellschaft in München vor 30 Jahren wachsen wir kontinuierlich. Die Zahl der Beschäftigten im Bereich Biotech nimmt laufend zu, so auch bei uns. Heute arbeiten an unseren drei Standorten rund 750 Mitarbeiter. Amgen Deutschland ist ein wesentlicher Pfeiler für Amgen in Europa und weltweit. Mit Blick auf den Markt und den Umsatz sind wir – nach den USA – die zweitgrößte Gesellschaft. Und wir sind zuversichtlich, dass wir personell und wirtschaftlich unser Wachstum fortsetzen werden.
Welche Rolle spielt für Amgen die klinische Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich?
R. Stampfli: Amgen Deutschland ist eine erfolgreiche Vertriebsgesellschaft, in der die Produkte erforscht, zugelassen, vermarktet und medizinisch betreut werden. Im Vergleich zu anderen Ländern haben die Tochterfirmen großer Konzerne in Deutschland eine sehr hohe Sichtbarkeit. Diese Präsenz führt im Vergleich zu anderen Ländergesellschaften zu einer deutlich höheren Studientätigkeit. So führen wir aktuell 36 klinische Studien in den Phasen I bis IV durch. Weltweit haben wir zurzeit 147 aktive Studien. Dieser Vergleich zeigt, dass wir einen sehr hohen Anteil der klinischen Studien von Amgen durchführen. Dies ist möglich, weil wir in Deutschland sehr gut vernetzt sind und mit vielen anerkannten Partnern zusammenarbeiten. In 186 Studienzentren betreuen wir Stand Juni 2019 über 800 Studienteilnehmer.
Amgen ist Gründungspartner des Zentrums Neue Technologien (ZNT) in München. Welches Ziel verfolgen Sie damit?
R. Stampfli: Von Beginn an haben wir den Aufbau des ZNT im Deutschen Museum in München, dem weltweit größten naturwissenschaftlichen Museum, begleitet. Seit 2009 fördern wir das Zentrum als Gründungspartner und bis heute als einziger Industriepartner. Damals wie heute sind wir von der Idee des Deutschen Museums überzeugt, eine Ausstellung der aktuellen Forschung in Naturwissenschaft und Technik zu widmen. Die Biotechnologie macht einen besonderen Schwerpunkt in der Ausstellung aus, und wir stellen auf einer eigenen Amgen-Themeninsel die jüngste biotechnologische Arzneimittelforschung vor. Unser Ziel ist es, die Biotechnologie erlebbar zu machen. Die Partnerschaft mit dem ZNT ist Teil unseres breiten Engagements, naturwissenschaftliche Bildungsangebote zu unterstützen, für Mint-Fächer zu begeistern und Nachwuchstalente zu fördern. Dafür realisieren Amgen Deutschland und die Amgen Foundation Bildungsprogramme und unterstützen Projekte gemeinnütziger Träger, sowohl lokal als auch im Rahmen weltweiter Initiativen.
Die nächste Übernahme
2012 kaufte Amgen Micromet und damit auch den BiTE-Antikörper Blinatumomab. Es dauerte dann noch bis Dezember 2014, ehe der bispezifische Antikörper mit dem Handelsnamen Blincyto die Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA erhielt und damit in der Krebsimmuntherapie zur Behandlung spezieller Formen der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) eingesetzt werden konnte. Die Zulassung in Europa folgte ein Jahr später.
Anbieter
AMGEN GmbHRiesstr. 24
80992 München
Meist gelesen

Die Zukunft der Textilindustrie
Textilrecycling: Konzepte und Technologien zur Wiederverwertung von Altkleidern

Die Zukunft der Chemieindustrie
Die Chemieindustrie in Deutschland und Europa steht vor erheblichen Problemen. Die hohen Energiekosten und die Nachfrageschwäche setzen viele Unternehmen unter Druck und belasten ihre Wettbewerbsfähigkeit.

„Wir stellen uns für die Zukunft auf“
Zurück im Familienbesitz rüstet sich Oqema, um die sich bietenden Chancen in der Chemiedistribution zu ergreifen.

WeylChem Fine Chemicals: Globaler CDMO mit Produktionskapazitäten auf drei Kontinenten
Ein neuer Akteur betritt die Bühne der Feinchemie: WeylChem Fine Chemicals (WCFC), eine global aufgestellte Organisation für die kundenspezifische Entwicklung und Herstellung von Spezialchemikalien (CDMO).

Wissenschaftliche Fakten kreativ verpackt und emotional präsentiert
Interview mit der Chemikerin, Wissenschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, YouTuberin und Autorin Mai Thi Nguyen-Kim zur Rolle von Wissenschaft in unserer Gesellschaft.