14.10.2025 • ThemenNachhaltigkeitChemieWe Chem

Nachhaltigkeit beginnt bei den Menschen

Inmitten wachsender regulatorischer Anforderungen und steigender Erwartungshaltung von Industriekunden stellt sich der mittelständische Chemiedistributeur WE Chem International in puncto Nachhaltigkeit neu auf. Das Unternehmen investiert nicht nur in ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch in Projekte zur sozialen Verantwortung. Im Interview mit CHEManager sprechen die Geschäftsführer Uwe Marburger und Volker Windhoevel über die Herausforderungen der Branche bei den Berichtspflichten und das Nachhaltigkeitsprojekt „WEvolution“. Als Teilnehmer der globalen Responsible-Care-Initiative setzt das Unternehmen einen starken gesellschaftlichen Fokus auf die Förderung neurodivergenter Kinder und Jugendlicher.

Interview mit Uwe Marburger und Volker Windhoevel, WE Chem

Nachhaltigkeit beginnt bei den Menschen
© We Chem
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Volker Windhoevel, We Chem
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CHEManager: Nachhaltigkeit ist in der Chemiebranche längst ein zentrales Thema. Was bedeutet das konkret für Sie als Mittelständler?

Volker Windhoevel: Nachhaltigkeit ist für uns kein Schlagwort, sondern tägliche Praxis. Doch gerade als mittelständischer Chemiedistributeur hat das Thema für uns auch eine Kehrseite: Während große Konzerne eigene Nachhaltigkeitsabteilungen aufbauen, fehlt uns schlicht die Manpower. Gleichzeitig werden wir – obwohl formal von vielen Berichtspflichten gar nicht betroffen – immer stärker in die Pflicht genommen.

Inwiefern?

Uwe Marburger: Rechtlich gesehen unterliegen wir weder der Corporate Sustainability Reporting Directive der EU, noch dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder der EU-Verordnung gegen Entwaldung, kurz EUDR. Aber unsere Kunden – meist große internationale Unternehmen – sind berichtspflichtig. Und sie geben den Druck weiter. Wir werden mit umfangreichen Fragebögen überflutet, müssen Daten zu CO2-Fußabdrücken liefern, an Plattformen wie EcoVadis oder Together for Sustainability teilnehmen – andernfalls droht der Verlust von Aufträgen.

Das klingt, als würden faktisch Pflichten entstehen, obwohl es rechtlich keine gäbe?

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Uwe Marburger, WE Chem
© We Chem

V. Windhoevel: Ganz genau. De facto hat sich eine neue Realität entwickelt: Auch ohne gesetzliche Pflicht entstehen neue Anforderungen, die wir erfüllen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.  Wenn wir liefern wollen, müssen wir mitziehen. Die Verantwortung wird von der Politik auf die Unternehmen abgewälzt – gerade auf uns Mittelständler, die keine Lobby haben und oft auf sich allein gestellt sind. Wir tragen Mitverantwortung für globale Herausforderungen, aber ohne die entsprechenden Ressourcen.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

U. Marburger: Natürlich könnten wir uns durchmogeln. Ein bisschen Green­washing, ein paar hübsche PDFs. Aber das ist nicht unser Stil. Wir stehen für eine klare Haltung. Gerade weil Nachhaltigkeit in manchen Kreisen zur Marketingfloskel geworden ist, wollen wir zeigen, dass es auch anders geht und Verantwortung übernehmen. Als Teilnehmer der globalen Responsible-Care-Initiative ist für uns klar: Nachhaltigkeit ist mehr als CO2-Reduktion. Sie hat auch eine soziale Dimension – und die wird viel zu oft vergessen.

Wir setzen ein Zeichen dafür, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung zusammengehören. Nachhaltigkeit beginnt nicht bei CO2-Berichten – sie beginnt bei Menschen. Inklusion ist für uns kein Randthema, sondern ein zentrales Element unternehmerischer Verantwortung.


Inklusion ist für uns kein Randthema,
sondern ein zentrales Element
unternehmerischer Verantwortung.

Was heißt das konkret für WE Chem?

V. Windhoevel: Für uns ist klar: Wenn wir Verantwortung übernehmen, dann dort, wo wir wirklich etwas bewegen können. Deshalb haben wir uns entschieden, dort zu investieren, wo Nachhaltigkeit unmittelbar und menschlich wirksam wird: in Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe. Unter dem Dach unseres Projekts ‚WEvolution‘ fördern wir gezielt neurodivergente Kinder und Jugendliche – gemeinsam mit dem Verein He­rausforderung, einer Organisation, die Inklusion nicht nur fordert, sondern im Alltag lebt. Diese Partnerschaft ist unser Leuchtturmprojekt, weil sie zeigt, wie soziale Nachhaltigkeit ganz konkret Gestalt annimmt. Ergänzend dazu arbeiten wir mit der Lebenshilfe Borken zusammen – einem lokalen Partner, der sich mit großer Erfahrung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einsetzt. Ob durch Bildung, Assistenz oder Freizeitangebote: Auch hier steht Inklusion im Mittelpunkt. Diese beiden Partnerschaften verbinden klare Ziele: Menschen stärken, Strukturen öffnen, Vielfalt ermöglichen. Für uns ist das keine Pflicht, sondern Ausdruck dessen, wofür WE Chem steht: Nachhaltigkeit, die bei den Menschen beginnt.

Wie wichtig ist externe Beratung für Sie als mittelständisches Unternehmen bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie?

V. Windhoevel: Externe Beratung ist für uns kein Luxus – sie ist im Mittelstand essenziell. Der Alltag lässt oft kaum Raum, um sich tief mit strategischen oder regulatorischen Anforderungen zu befassen – etwa mit der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen oder der strukturierten Vorbereitung auf Plattformen wie EcoVadis oder Together for Sustainability. Auch wenn wir formal nicht berichtspflichtig sind, spüren wir den Druck durch unsere Kunden – und wir wollen vorbereitet sein. Dafür brauchen wir Partner, die Mittelstand verstehen, aber auch Weitblick und Struktur mitbringen.

U. Marburger: Unsere Vision ‚WE Chem do better – WEvolution‘ ist aus einem internen Prozess heraus entstanden – sie spiegelt unsere Werte und Haltung wider. Die Zusammenarbeit mit unserem Partner Octopus Connection hat uns geholfen, diesen Prozess strategisch zu ordnen, fokussiert weiterzuentwickeln und im Unternehmen zu verankern – nicht als Selbstzweck, sondern als echte Handlungsgrundlage.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Politik?

V. Windhoevel: Weniger Symbolpolitik und mehr praxisnahe Unterstützung für mittelständische Betriebe. Es braucht Förderungen, klare Leitlinien und digitale Standards, die nicht nur für Konzerne gemacht sind. Und vor allem: Vertrauen in die, die Nachhaltigkeit leben wollen – nicht nur dokumentieren.


Dieser Beitrag ist in CHEManager 10/2025 erschienen

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