Chemiedistribution: Kundenbeziehungen werden intensiver


CHEManager: Herr Lohr, mit strengen Auflagen der CLP-, VOC-, und Biozid-Verordnungen, um nur einige zu nennen, haben Unternehmen etliche Hürden zu überwinden. Welche Probleme sind mit diesen Verordnungen – insbesondere für die Chemikaliendistribution – verbunden?
Jochen Lohr: Die von Ihnen genannten rechtlichen Verordnungen haben einen großen Einfluss auf die Ressourcen in unserem Unternehmen, aber auch auf die unserer Kunden. Mit der CLP-Verordnung wurde ein für die EU einheitliches System geschaffen, welches die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen reguliert. Der Gedanke hinter dieser Vorgehensweise, den Schutz und die Gesundheit des Anwenders einheitlich zu sichern, ist lobenswert, hat aber für die nachgeschalteten Anwender einiges an Arbeit kreiert, was im Vorfeld in der Form nicht abzuschätzen war. Die Verordnung über die Verwendung von flüchtigen organischen Verbindungen – oder kurz VOC – ist ein weiterer Schritt, den Ausstoß an Ozonvorläufersubstanzen zu minimieren. Darunter fallen alle Verbindungen, die einen Siedepunkt kleiner als 250 °C aufweisen.
Welche sind die neuesten Änderungen, mit denen Sie sich derzeit auseinandersetzen müssen?
J. Lohr: Im Prinzip beschäftigen wir uns täglich mit Kundenanfragen bezüglich REACh, CLP, VOC oder aber der Biozid-Verordnung. Ein aktuelles Beispiel: Viele Kunden beschäftigen sich derzeit mit der Ausformulierung von Isothiazolinonen, denn ab 2020 wird die Menge an Methylisothiazolinon durch Regularien auf 15 ppm reduziert, was im Endeffekt keine adäquate Konservierung mehr gewährleisten kann. Zudem sind viele Endkunden aufgrund der möglichen allergenen Wirkungsweise von Methyl-, Benzyl- und Chlormethylisothiazolinon nicht mehr überzeugt und suchen nach Konservierungsalternativen. Daher wurde Natriumbenzoat unter dem Produktnamen Kalaguard SB vom Hersteller Emerald Kalama und Biesterfeld gemeinsam lanciert. Allerdings dauert der Registrierungsprozess weitaus länger als erwartet. Für Deutschland und zehn weitere EU Länder ist er abgeschlossen, für weitere europäische Länder hält der Prozess noch an. Unsere Kollegen im Vertrieb und Produktmanagement stehen daher in ständigem Austausch mit der R&D-Abteilung unserer Kunden, den Ansprechpartnern bei unserem Lieferwerk und den zuständigen Behörden, um die Freigaben zu beschleunigen, damit Liefertermine und Produktionsabläufe eingehalten werden können.
Welche Bereiche sind am stärksten von den Regulierungen betroffen?
J. Lohr: Von den Regulierungen sind insbesondere die Entwicklungsabteilungen unserer Kunden und Lieferanten betroffen. Durch den Wegfall einiger Rohstoffe zu Lasten der REACh-Verordnung oder aber der Kennzeichnungsänderung von Rohstoffen durch die CLP-Vorschriften, sind viele Mitarbeiter im Bereich R&D mit Rohstoffaustausch beschäftigt. Dies führt vermehrt zu Anfragen unserer Kunden. Aufgrund der chemisch-technischen Ausbildung unserer Mitarbeiter, können wir unseren Kunden eine hervorragende Hilfestellung im Umgang mit den Verordnungen geben und zu Alternativprodukten und Lösungen beraten.
Welche Auswirkungen hat diese Situation auf Ihre Kundenbeziehungen?
J. Lohr: Durch das Inkrafttreten der unterschiedlichen Verordnungen sind unsere Kundenbeziehungen noch intensiver geworden. Durch die proaktive Information unserer Kunden über bevorstehende Änderung seitens unserer Produktmanager sowie die fachkompetente Unterstützung bei Umformulierungen und Rohstoffaustausch durch unsere Sales Manager, stehen wir in ständigem Kundendialog. Nur durch hohe Kundennähe lassen sich sinnvolle Lösungen für die Probleme des Marktes entwickeln.
Wie reagiert Biesterfeld auf die Marktveränderungen?
J. Lohr: Biesterfeld ist ständig auf der Suche nach Rohstoffen, die den neuen Verordnungen entsprechen. Seit einigen Jahren sehen wir eine verstärkte Nachfrage nach natürlichen und naturnahen Rohstoffen. Aus diesem Grund haben wir unser Cleaning-Portfolio dahingehend erweitert, um den rechtlichen Anforderungen und den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.
Wie intensiv beschäftigen Sie sich mit der Möglichkeit der Substitution von Stoffen die gegebenenfalls aufgrund der Auflagen vom Markt genommen werden?
J. Lohr: Wir beschäftigen uns stetig mit den Änderungen am Markt. Aufgrund unserer Mitgliedschaft in den unterschiedlichsten Verbänden, wie dem IKW und der SEPAWA, ist es uns möglich, gesetzliche Änderungen frühzeitig zu erkennen und auf die daraus resultierenden Kundenbedürfnisse zu reagieren. Durch diese Vorgehensweise können Probleme frühzeitig erkannt und Lösungen erarbeitet werden, was wiederum Ressourcen auf Seiten unserer Kunden einspart. Entsprechend nehmen die Substitution und Implementierung von Rohstoffen einen hohen Stellenwert in unserer Organisation ein.
Führt die europäische Gesetzgebung zu massiven Unterschieden für die Geschäfte, die innerhalb Europas bzw. über Europa hinaus getätigt werden?
J. Lohr: Kurz gesagt, ja. Rohstoffe, die in Europa aufgrund von Verordnungen nicht eingesetzt werden dürfen, können in anderen Wirtschaftsräumen oft bedenkenlos verwendet werden. Unser Unternehmen ist in den unterschiedlichsten Märkten aktiv; wir haben Niederlassungen in über 30 Ländern und bedienen Kunden in über 120 Ländern, sei es in Asien, Europa, Amerika oder Afrika. In jedem Wirtschaftsraum gibt es die unterschiedlichsten Verordnungen und Ansätze zu beachten. Unsere lokalen Mitarbeiter setzten die Anforderungen der Kunden an die Rohstoffe anhand der jeweils geltenden Verordnungen um. Das setzt einen intensiven Austausch mit Lieferanten und Kunden voraus.
Jochen Lohr absolvierte sein Studium der Chemie mit dem Schwerpunkt Allgemeine Chemie an der FH Isny. Darüber hinaus ist er IHK-geprüfter, technischer Betriebswirt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn zunächst in die Entwicklung, bevor er 2005 zur Biesterfeld-Gruppe wechselte. Jochen Lohr ist seitdem als Sales Manager für die Biesterfeld Spezialchemie im Bereich Cleaning tätig.
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