Nachhaltige Polymere mit Anwendungsvorteilen
POM-haltige Polyole für Spezialanwendungen wie Klebstoffe, Beschichtungsmaterialien und Schmierstoffe

Über 85 % aller organischen Rohstoffe in der chemischen Industrie in Deutschland sind immer noch fossilbasiert. Die Industrie ist auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen, die kostenkompetitiv sind und im besten Fall Anwendungsvorteile bieten. Genau dort setzt das Aachener Start-up Power2Polymers an. Über einen patentierten Prozess können neuartige Polyoxymethylen (POM)-haltige Polyole hergestellt werden, welche sowohl Anwendungs- als auch Nachhaltigkeitsvorteile bieten. Michael Reubold sprach mit den beiden Gründern Guido Schroer und Tobias Riedl.
CHEManager: Wie entstand die Idee zu Power2Polymers und welches konkrete Industrieproblem wollen Sie lösen?
Guido Schroer: Die Idee zu Power2Polymers ist circa zwei Jahre alt, die Idee zur Technologie jedoch bereits fast acht Jahre. Damals entstand an der RWTH Aachen ein Projekt zwischen Universität und Industriefirmen zur Herstellung nachhaltiger Polyetherpolyole. Bis dato gibt es wenige Ansätze, diese wichtigen Grundstoffe der chemischen Industrie nachhaltig herzustellen. Die meisten Ansätze waren dazu auch nicht skalierbar.
Unsere Idee fußt auf dem Ersatz des Polypropylenglykol-Bausteins Propylenoxid durch einen nachhaltigeren Baustein: Polyoxymethylen, kurz: POM. Der in der Synthese genutzte Vorläufer für POM ist über Power2X- oder biomassebasiertes grünes Methanol zugänglich. Darüber sind neben Anwendungsvorteilen zusätzlich je nach Quelle Einsparungen beim CO2-Fußabdruck um bis zu 60 % möglich.
Können diese POM-Polyole in den Anwendungen der Industriepartner sofort als Drop-in-Lösungen verwendet werden?
Tobias Riedl: Bei Einsätzen als Weichmacher in Lösungen ist das problemlos möglich. Der Partner erhält einen grüneren Weichmacher für seine Applikation. In Polyurethansystemen wie Klebstoffen oder in thermoplastischen Kunststoffen ebenfalls, es zeigt sich jedoch der typische POM-Charakter.
Und der wäre?
T. Riedl: POM ist als Hightech-Kunststoff etabliert und wird in vielen Anwendungen genutzt, bisher jedoch ausschließlich als fester Werkstoff. Eine flüssige, stabile und zugleich funktionalisierbare Form dieses Bausteins gab es bis jetzt nicht. Unsere neuen Polymere ändern das. Sie ermöglichen, klassische POM-Eigenschaften wie hohe Kristallinität, niedrige Gleitkoeffizienten sowie oxidative und thermische Stabilität in gängige Polyurethanprodukte einzubringen. Die Resultate sind nachhaltiger und in definierten Bereichen auch leistungsfähiger. Zusätzlich eignen sich diese viskosen, flüssigen POM-Polyole als Grundöle für Schmierstoffanwendungen.
Was sind die größten Hürden, die es zu überwinden gilt?
G. Schroer: Die größten Hürden liegen neben den finanziellen Aspekten vor allem bei Platzbedarf und Skalierung. Wir entwickeln keine neue Handy-App, sondern eine neuartige Plattformchemikalie. Dafür brauchen wir einen Standort für die Produktion des POM-Polyols, Labor- und Büroflächen. Orte zu finden, an denen ein Start-up diesen gesamten Prozess reibungslos umsetzen und wachsen kann, ist alles andere als einfach. Unser Inkubator in Aachen ist ein guter Startpunkt und wir sind derzeit auf der Suche nach einem Standort für das weitere Wachstum.
Was war Ihr wichtigstes Learning im Umgang mit der chemischen Industrie?
G. Schroer: Das wichtigste Learning war definitiv das Verständnis für die langen Produkt- und Entwicklungszyklen in der Industrie. Hier sind wir sehr dankbar für unsere Partner, mit denen wir gemeinsam auf Augenhöhe neue Lösungen entwickeln können.
Wo steht Power2Polymers gerade und wie sehen die nächsten Meilensteine aus?
T. Riedl: Aktuell werden wir noch durch öffentliche Förderprojekte unterstützt und arbeiten neben der Produktetablierung vor allem an der weiteren Optimierung des Prozesses zur Skalierung. Dazu planen wir für 2026 eine erste Lohnherstellung im Tonnenmaßstab zur skalierten Bemusterung unserer Partner sowie die Auslegung und den Bau einer größeren Pilotanlage. Parallel bereiten wir auf dem Weg zur Etablierung und Kommerzialisierung der POM-Polyole die Anschlussfinanzierung und Schritte aus dem Inkubator vor.
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Anbieter
Power2Polymers | RWTH Aachen UniversityWorringerweg 2
52074 Aachen
Deutschland
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