20.08.2025 • ThemenLogistikBruno LukasPharmalogistik

Tiefgreifender Wandel erfasst Chemie- und Pharmalogistik

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Meilensteine der Chemie- und Pharmalogistik in den vergangenen 20 Jahren

Bruno Lukas, Gründer und Inhaber, Green Logistics Enabler (GLE), Berlin

Nachhaltig, digitalisiert, standardisiert: die Entwicklung logistischer Prozesse

Gefahrgutrecht und GDP, Telematik und Automatisierung, Carbon Footprint und CSRD: Das sind nur einige der Schlagworte, die grob umreißen, mit welchen Themen sich die Chemie- und Pharmalogistik in den vergangenen 20 Jahren beschäftigt hat. In den letzten beiden Jahrzehnten war die Branche von einem tiefgreifenden Wandel geprägt. Logistikdienstleister waren nicht nur aufgefordert, zahlreiche neue Gesetze und Normen umzusetzen. Mit ihrem lösungsorientierten Denken haben Logistiker die Transformation oftmals auch aktiv gestaltet. Rückblickend lässt sich sagen, dass Logistikprozesse heute in einem hohen Maß standardisiert sind und die Digitalisierung der Lieferketten weit fortgeschritten ist. Auch die Nachhaltigkeit ist kein Modewort mehr. Sie hat längst Einzug gehalten in den Arbeitsalltag der Unternehmen.

Im Folgenden werden die Meilensteine der vergangenen 20 Jahre in der Chemie- und Pharmalogistik zusammengefasst.

Pharmalogistik: GDP-konforme Transporte als Innovationstreiber

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„Standardisierung und Harmonisierung der digitalen Chemie- und Pharmalogistik“ war das Thema des CHEManager-Forums auf der diesjährigen „Transport Logistic“ Anfang Juni in München. V.l.n.r.: Achim Sponheimer, Miebach Consulting; Christian Kille, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt; Stefanie Kraus, Loady; Hans Maier-Dech, Trusted Carrier; Benoît Blank, BASF; Bruno Lukas, GLE
© Messe München

Neue Gesetze und technische Normen sind oftmals der Ausgangspunkt für fundamentale Veränderungen in der Industrie. In der Pharmalogistik erfolgte mit der GDP-Novelle 2013 eine echte Zäsur. Die EU-Leitlinie „Good Distribution Practice“ (GDP) schrieb in der novellierten Fassung vor, dass der Transport von temperatursensiblen Medikamenten zu Lagerbedingungen zu erfolgen habe. Mit Inkrafttreten der GDP-Novelle mussten folglich Fuhrunternehmer GDP-qualifizierte Nutzfahrzeuge mit passiv oder aktiv temperierten Systemen einsetzen. Nur so können die geforderten Solltemperaturen für den Medikamententransport eingehalten werden. Durch die GDP entstanden neue Märkte: Fahrzeug- und Aufbauhersteller bspw. entwickelten GDP-konforme Kühlkoffer. Diese können in Kombination mit Transport-Kühlaggregaten die geforderte Solltemperatur im Laderaum über viele Stunden halten. Die aktive Temperierung für die typischen Ranges von 2 bis 8 °C oder 15 bis 25 °C, erfolgt meist bei Langstreckentransporten mit Kühlsattelzügen. Im regionalen Verteilerverkehr und vor allem auf der letzten Meile wird oftmals mit GDP-konformen Verpackungen in Verbindung mit einer Passivkühlung gearbeitet.

Ein weiteres Produkt für den Transportschutz sind Thermohauben für palettierte Ware. Sie schützen temperatursensible Pharmazeutika insbesondere beim Warenumschlag, z. B. auf dem Vorfeld am Flughafen. Hinzu kamen neu entwickelte Datenlogger und ganzheitliche Telematiksysteme zur aktiven Überwachung der Solltemperatur auf dem Transportweg. Track & Trace und das Monitor­ing von Kühlketten gehören heute zum Branchenstandard. Die GDP sorgte für einen Innovationsschub in der Fahrzeugindustrie, bei Verpackungsherstellern und in der IT. Die Cool Supply Chains wurden deutlich sicherer und transparenter. Damit erhöhte sich die Transportqualität und Produktsicherheit maßgeblich. Parallel dazu sorgte die EU-Richtlinie FMD für die Serialisierung und erhöhte die Fälschungssicherheit von pharmazeutischen Produkten.

„Track & Trace und das Monitoring von Kühlketten gehören heute zum Branchenstandard.“

Chemielogistik: Gefahrgut-Regulatorik und Standardisierung

In der Chemieindustrie erfolgte die Entwicklung schrittweise, insbesondere mit der sukzessiven Erweiterung und Verschärfung des Gefahrgutrechts. Die ADR-Regularien zum Transport von Gefahrgut wurden weiterentwickelt und der zunehmenden Komplexität der Supply Chains angepasst. Zur Erhöhung der Sicherheit und Prozess-Standardisierung sorgten international gültige Standards wie SQAS sowie ISO 9001 für Qualitätsmanagement und ISO 140001 für Umweltmanagement. Ab 2011 kam die neue Norm ISO 50001 für das Energiemanagement hinzu. Diese soll zu einer kontinuierlichen Verbesserung der energiebezogenen Leistung führen. Gerade für die energieintensive Chemieindustrie ist dies eine Chance, mit der Erhöhung der Energieeffizienz in Produktion und Transport, langfristig Kosten zu sparen und den CO2-Fußabdruck zu senken.

Parallel zur zunehmenden Standardisierung entwickelte sich ein gesteigertes Bewusstsein für eine erhöhte Sicherheit von Transporten und der Lagerung von Chemikalien. Dieses Bewusstsein wuchs auch infolge von zunehmenden Bedrohungen durch Cyber-Attacken und die empfindliche Störung der globalisierten Lieferketten. Besonders die Covid-19-Lockdowns stellten ab 2020 die Funktionsfähigkeit der Supply Chains auf eine harte Probe. In Folge entwickelten Pharmalogistiker ausgeklügelte Sicherheits- und Notfallkonzepte, mit zunehmendem Ausbau von Safety Stock, und der stärkeren IT-Überwachung weltweiter Lieferketten, mit Alarmsystemen und Havarieplänen. Gerade Ereignisse wie der Ausbruch der Covid-19-Pandemie zeigen, dass die Chemie- und Pharmaindustrie nicht nur auf die Entwicklung der Regulatorik achten muss, sondern sich auch bestmöglich gegen externe Risiken und Schocks wappnen sollte – Stichwort Resilienz.

Klimawandel als externer Treiber für mehr Nachhaltigkeit

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Beispiel für mehr Transportsicherheit für temperatursensible Ware: Thermohauben von Ecocool für die Luftfracht
© Kelling-Marketing.de

Zu diesen externen Risiken zählen mittlerweile auch die Auswirkungen des Klimawandels. Dazu gehören extreme Dürreperioden mit anschließenden Stürmen und Starkregen mit dem Risiko von Überflutungen. Die Flutkatastrophe im Ahrtal ist als mahnendes Beispiel in Erinnerung geblieben. Das andere Extrem, das zunehmend auftritt, sind die ausgeprägten Dürrephasen im Sommer. Sie sorgen für kritisch reduzierte Wasserpegelstände im Rhein und anderen Flüssen, welche die Binnenschifffahrt und den Kraftwerksbetrieb empfindlich beeinträchtigen – mit negativen Auswirkungen auf Industrieproduktion und Logistik. Aus diesem Grund haben sich die Nachhaltigkeit und das Nachhaltigkeitsmanagement zu einem zentralen strategischen Baustein der Chemie- und Pharmaindustrie entwickelt. Ausgangpunkt waren hier auch politische Vorgaben wie der „Green Deal“ der EU – mit der Selbstverpflichtung der Europäischen Union, in den Mitgliedsstaaten bis 2025 klimaneutral zu werden. Dies mündet in gesetzlichen Vorgaben wie der Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) der EU, oder dem Klimaschutz- und dem Energieeffizienzgesetz.

„Chemie- und Pharmabranche investieren mittlerweile große Summen in die nachhaltige Transportlogistik und Lagerlogistik.“

Nachhaltigkeitsmanagement für zukunftsfähige Geschäftsmodelle

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Für Pharmalogistik geeignet: Kühl-Trailer mit GDP-konformem Kühlaggregat von Mitsubishi
© Mitsubishi Heavy Industries Thermal Transport Europe

Doch auch abseits der Regulatorik ist in vielen Unternehmen die Erkenntnis gereift, dass Nachhaltigkeit keine reine Pflichtübung ist, sondern ein strategisches Instrument, um den Betrieb und das Geschäftsmodell zukunftssicher aufzustellen. Folglich investieren Chemie- und Pharma­branche mittlerweile große Summen in die nachhaltige Transportlogistik und Lagerlogistik, um den CO2-Fußabdruck der Supply Chains zu reduzieren. Zentrale Bausteine sind z.B. Lkw mit alternativen Antrieben wie Elektro-Lastwagen, gewichtssparende Verpackungen oder Multi-Use-Konzepte für Transportverpackungen. Auch die Routenoptimierung über Telematik und KI-basierte Dispo-Systeme hilft, Transportkosten und CO2 zu sparen. Um Lagerstandorte und Lkw-Depots zu dekarbonisieren, setzen Logistiker zunehmend auf den Aufbau von eigener lokaler In­­frastruktur zur regenerativen Energieerzeugung. Dazu gehören insbesondere PV-Anlagen in Verbindung mit Batteriespeichern. Mit dieser Kombination und durch ein IT-gesteuertes Last- und Lademanagement lassen sich bspw. beim Laden von Elektro-Lkw teure Lastspitzen vermeiden („Peak Shaving“). Moderne Technologien zur Energieerzeugung, -speicherung und -verteilung erhöhen die Versorgungssicherheit in der Chemie- und Pharmalogistik – und damit die Resilienz der Unternehmen und der Logistikketten.

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Bruno Lukas

ist Gründer und Inhaber der Berliner Logistik-Beratungsfirma Green Logistics Enabler. Er ist Spezialist für nachhaltige Logistikprozesse und unterstützt Verlader und Spediteure bei der Umstellung auf emissionsfreie Transport-Logistik.

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