Auf dem Weg ins solare Zeitalter


Solarthermische Kraftwerke nutzen die Wärmeenergie der Sonne für die großtechnische Stromerzeugung. Die Nutzung von Parabolrinnen ist dabei die am weitesten entwickelte und seit Langem schon kommerziell angewandte Technologie. Wärmespeicher machen den Solarstrom sogar nachts verfügbar. Das Ende der Fahnenstange ist allerdings noch lange nicht erreicht. Für die Chemieindustrie bieten sich interessante Chancen - als Nutzer von Solarstrom wie auch bei innovativen Weiterentwicklungen.
Läge Freiburg in Andalusien und nicht im Breisgau, würde die Fläche der Stadt rein rechnerisch ausreichen, die chemische Industrie in Deutschland komplett mit Solarstrom zu versorgen. Auf der etwa 140 km2 großen Fläche der südlichsten Großstadt Deutschlands könnten solarthermische Kraftwerke genügend Strom für die laut dem Verband der Chemischen Industrie jährlich benötigten 50 TWh Strom erzeugen. Doch obwohl Freiburg mit 1.100 KWh/m2 Sonneneinstrahlung eine Spitzenstellung in Deutschland einnimmt, bieten Südeuropa und Nordafrika wesentlich bessere Bedingungen für solarthermische Kraftwerke. Mit denselben Anlagen lässt sich dort die zwei- bis dreifache Menge Strom erzeugen, so z. B. am Fuße der spanischen Sierra Nevada in Andalusien.
Auf einer Hochebene hat hier die Erlanger Solar Millennium die ersten Parabolrinnen-Kraftwerke Europas, Andasol 1 und 2, projektiert und mit Partnern realisiert. Mit einer Kollektorfläche von jeweils über 510.000 m2 sind es die bis dato größten Solarkraftwerke der Welt. Allein die Spiegelfläche von Andasol 1 ist so groß wie 70 Fußballfelder. Während Andasol 1 und 2 bereits umweltfreundlichen Strom ins spanische Hochspannungsnetz einspeisen, wird Andasol 3 von Solar Millennium zusammen mit Stadtwerke München, RWE Innogy, RheinEnergie und MAN Ferrostaal realisiert. Zusammen werden die Kraftwerke rund eine halbe Million Menschen mit Strom versorgen.
Technologie ist langjährig erprobt
Im Gegensatz zur Fotovoltaik, die Strom direkt durch Sonneneinstrahlung erzeugt, nutzen solarthermische Kraftwerke die Wärmeenergie der Sonne und bieten Lösungen für die großtechnische Stromerzeugung mit der Versorgung Hunderttausender Haushalte. Sogenannte konzentrierende solarthermische Kraftwerke werden unter dem Begriff „Concentrating Solar Power" (CSP) zusammengefasst. Unter den CSP-Systemen sind die Parabolrinnen-Kraftwerke heute die am weitesten entwickelte Technologie. Schon 1912 wurden Parabolrinnen von den Ingenieuren Shuman und Boys in Nordafrika zur Krafterzeugung für einen Dampfmotor eingesetzt. Der erste Weltkrieg und die Entdeckung von Erdöl verhinderte damals die Weiterverfolgung der Technologie. Erst mit der Erfahrung der Ölkrise in den 70er Jahren erwachte das Interesse an der Parabolrinnen-Technologie erneut. Seit den 1980er Jahren produzieren neun kommerzielle Anlagen erfolgreich in der kalifornischen Mojave-Wüste Solarstrom. In den vergangen 20 Jahren haben diese bereits über zwölf Milliarden kWh Solarstrom erzeugt.
Die dahinterstehende Technik ist dabei so simpel wie einleuchtend, denn in seiner Funktionsweise unterscheidet sich das Parabolrinnen-Kraftwerk kaum von einem konventionellen Kraftwerk, bis auf die Tatsache, dass die Energie zum Antrieb der Dampfturbine nicht aus der Verbrennung fossiler Energieträger oder der Atomkernspaltung, sondern mittels konzentrierter Sonnenstrahlen gewonnen wird. Rinnenförmige Spiegel konzentrieren die einfallenden Strahlen auf ein Rohr in der Brennlinie des Kollektors. Durch ihre Absorption wird im Rohr eine synthetische Wärmeträgerflüssigkeit auf rund 400 °C erhitzt. Zur Minimierung von Wärmeverlusten ist das Absorberrohr durch ein vakuumisoliertes Glasrohr umschlossen, um eine zu starke Wärmeabstrahlung an die Umgebung und somit Energieverluste zu vermeiden. Die Wärmeträgerflüssigkeit gibt ihre Energie in einem Wärmetauscher ab, wobei Wasserdampf erzeugt wird, der wie in konventionellen Kraftwerken die Turbine antreibt. In der Nutzung herkömmlicher Dampfturbinen liegt damit auch einer der besonderen Vorteile von CSP-Systemen: Im Mix mit anderen Energieträgern wie regenerativ erzeugtem Gas, aber auch fossilen Energieträgern können sogenannte Hybridkraftwerke Grundlaststrom im industriellen Maßstab zur Verfügung stellen, also 24 Stunden am Tag die Stromnachfrage decken.
Aber auch rein solare Stromerzeugung nach Sonnenuntergang ist möglich. Denn Wärmeenergie lässt sich weitaus effizienter speichern als Strom - und aus der gespeicherten Wärmeenergie lässt sich jederzeit Strom produzieren. So verfügen die südspanischen Andasol-Kraftwerke über Wärmespeicher in Form von je zwei Tanks mit einem Fassungsvermögen von rund 30.000 t geschmolzenem Salz, einer Mischung aus Kalium- und Natriumnitrat-Salzen. Der Speicher ermöglicht einen zusätzlichen Volllastbetrieb der Kraftwerke von rund acht Stunden. Die Anzahl der jährlichen Betriebsstunden der Kraftwerke kann durch den Speicher fast verdoppelt werden. Zugleich können die Kraftwerke damit planbar Strom produzieren, insbesondere zu Zeiten hoher Stromnachfrage - ein entscheidender Vorteil solarthermischer Kraftwerke gegenüber anderen erneuerbaren Energien. Derzeit bieten sich CSP-Systeme besonders zur Abdeckung der Zeiten hoher Stromnachfrage in den sonnenreichen Regionen wie in Südspanien oder Kalifornien an, weil sie genau dann am meisten Strom erzeugen, wenn die Nachfrage in diesen sonnenreichen Ländern am größten ist: Speziell der verstärkte Energiebedarf von Klimaanlagen in den Mittags- und Nachmittagsstunden kann mit Parabolrinnen-Kraftwerken perfekt abgedeckt werden.
Innovationen aus der chemischen Industrie willkommen
Allerdings ist bei aller Entwicklungsreife der Parabolrinnen-Kraftwerke noch viel Raum für Innovationen, nicht zuletzt aus der chemischen Industrie. So könnte ein Wärmeträgerfluid, das auch bei Temperaturen über 400 °C stabil bleibt, die Leistungsfähigkeit des Kraftwerks deutlich erhöhen. Alternativ forschen Unternehmen wie Solar Millennium auch an möglichen Direktverdampfungssystemen, um die Temperaturbegrenzung und die Zwischenschaltung von Wärmetauschern zwischen Wärmeträger- und Dampfkreislauf zu umgehen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verwendung von heißem Salz, da hierbei nicht nur höhere Temperaturen durch das Solarfeld erzielt werden, sondern auch die Wärmetauscher bei den Salzspeichern entfallen könnten. Herausforderungen sind hierbei die großen Temperaturschwankungen im Solarfeld. Auch eine noch bessere Wärmespeicherung kann die Wirtschaftlichkeit weiter verbessern.
Derzeit bilden gesetzliche Rahmenbedingungen die wirtschaftliche Basis für die Realisierung solcher Anlagen. Spanien ist aufgrund seines Einspeisegesetzes für erneuerbare Energien ein besonders attraktiver Markt. Ein weiterer wichtiger Markt entsteht gerade in den USA, wo die Energieversorger von den Bundesstaaten verpflichtet werden, einen ständig steigenden Anteil ihrer Energie mittels erneuerbarer Energien zu erzeugen. So möchte Kalifornien beispielsweise bis 2010 20 % und bis 2020 33 % seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken.
Solarstromimport als Teil des künftigen deutschen Energiemix
Aber wie kann Deutschland und die chemische Industrie von solarthermischen Kraftwerken profitieren? Zunächst durch Innovation und Wertschöpfung. Deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute sind heute führend bei CSP-Anlagen. Die Desertec Industrial Initiative (s. Kasten) verfolgt darüber hinaus das Ziel, in den Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens Sonnenstrom zu erzeugen, um damit den stark steigenden Strombedarf in der Region selbst abzudecken, aber auch einen Teil dieses Stroms nach Europa zu exportieren. Bis 2050 sollen so 15 % von Europas Strombedarf durch Solarstrom gedeckt werden, der über Hochspannungsgleichstromleitungen verlustarm importiert wird. Dies würde die Stromkosten hierzulande langfristig kalkulierbar machen, und durch den größeren Energiemix würde zugleich die Versorgungssicherheit Deutschlands erhöht.
Anbieter
Solar Millennium AGNägelsbachstr. 40
91052 Erlangen
Deutschland
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