KI im Engineering

Rösberg Engineering hat ein KI-Projekt aufgesetzt; bei dem eine Datenbasis, Infrastruktur und verschiedene Lösungen für KI-gestütztes Engineering entstehen

Autoren: Evelyn Landgraf, Marketing; Philip Parker, Innovation and AI Lead; und Paul Rösberg, Geschäftsführer; Rösberg Engineering, Karlsruhe

Künstliche Intelligenz wird Anlagenplaner und Anlagenbetreiber der...
Künstliche Intelligenz wird Anlagenplaner und Anlagenbetreiber der Prozessindustrie künftig in vielen Bereichen unterstützen. Die Automatisierungsexperten von Rösberg vereinen KI-Wissen mit dem passenden Branchen-Know-how.
© Rösberg

Sicherheit spielt in der Prozessindustrie eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund gilt die Branche als konservativ. Aber natürlich erfordert Sicherheit auch Innovationen. Eine Anlage der Prozessindustrie sicher zu betreiben, ist aber nur eine Herausforderung. Der effiziente Betrieb eine weitere. In beiden und vielen weiteren Fällen kann künstliche Intelligenz (KI) Anlagenplaner und Anlagenbetreiber künftig unterstützen. Es braucht allerdings nicht nur KI-Wissen, sondern auch das passende Branchen-Know-how.

Spätestens seit ChatGPT sich in der Öffentlichkeit verbreitet, ist künstliche Intelligenz auch in der Industrie verstärkt im Gespräch. Industrielle Anwendungen stellen jedoch ganz andere Anforderungen als private Anwender. Um Anforderungen und Lösungsansätze zu verstehen, hilft ein Einblick in ein paar grundsätzliche Funktionsweisen von KI.

Sprachmodelle, GPT und Co.

Die Philosophie sieht einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und komplexem Denken. Vor diesem Hintergrund lässt sich vermutlich auch erklären, dass künstliche Intelligenz auf große Sprachmodelle (Large Language Model, LLM) setzt; man spricht in dem Zusammenhang auch von GPT (generative pre-trained transformer). Diese Modelle nutzen künstliche neuronale Netzwerke, die mithilfe von generativen Modellen und Transformer-Architekturen anhand großer Text-Datensätze trainiert werden. Anschließend sind die GPT in der Lage, neue Inhalte zu erzeugen.

Mittlerweile gibt es zahlreiche leistungsfähige Open-Source-Sprachmodelle. Sie sind für industrielle Anwendungen u. a. deshalb interessant, weil man sie unabhängig von einem externen Service-Anbieter nutzen kann. Das macht sie nicht nur aus finanzieller Sicht attraktiv, sondern ist gerade im Zusammenhang mit sensiblen Daten ein großer Vorteil: Über den lokalen Betrieb der Modelle kann sichergestellt werden, dass solche Daten nicht das Unternehmen verlassen. Gleichzeitig lassen sich diese Sprachmodelle an individuelle Bedürfnisse anpassen, z. B. die einer Branche wie der Prozessindustrie. Retrieval-Augmented Generation (RAG) ist in diesem Zusammenhang das Stichwort. Hier geht es darum, dass ein Sprachmodell auf weitere Daten außerhalb seiner ursprünglichen Wissensbasis zugreift. Das Sprachmodell wird also anwendungsspezifisch erweitert.

„KI hat bei Rösberg Engineering in den kommenden Jahren einen strategischen Fokus.“

Evelyn Landgraf, Rösberg Engineering

Wie KI ins Unternehmen einführen?

Wir haben bei Rösberg ein sechsköpfiges Entwicklungsteam eingesetzt, das über eine Projektlaufzeit von drei Jahren KI-Lösungen in die bestehenden Engineering-Softwarelösungen des Unternehmens integrieren soll. Wir wollten so den Einzug generativer KI im Unternehmen proaktiv mitgestalten und dabei sicherstellen, dass die Lernkurve nicht jeder für sich allein bewältigen muss, sondern wir sie gemeinsam meistern. Der logische erste Schritt war daher die interne Nutzung von KI. Dazu wurden die Mitarbeiter geschult sowie Nutzungsvereinbarungen eingeführt – entsprechend den seit Februar 2025 gültigen Vorgaben des EU-AI-Acts. Dann ging es darum, erste Lösungen für die interne Nutzung zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln.

Das große Ziel des Projektes ist es jedoch, dass Anwender in der Prozessindustrie vom Know-how unserer Prozesstechnikexperten profitieren. Da viele unsrer eigenen Mitarbeiter in verschiedenen Projekten unsere Software nutzen, bekommen wir sehr schnell und sehr direktes Feedback. Davon profitiert natürlich auch die Weiterentwicklung von KI-gestützten Lösungen. Gleichzeitig kennen wir die Prozessleittechnik-Welt sehr gut. Das zeichnet sich bei der Anpassung der Datenbasis aus. Je besser eine Datenbasis an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist, desto effizienter lässt sich diese auch nutzen. Deshalb setzen wir auf Open-Source-Sprachmodelle wie LLaMa von Meta AI oder die Apache-2.0-Lizenz Mistral, die je nach Anwendungsfall genutzt werden. Über RAG stellen wir den angebundenen Sprachmodellen gezielt Daten aus unserem Arbeitsalltag bereit und passen damit die Datenbasis an unseren Einsatzbereich an.

Die passende Infrastruktur aufsetzen

Ebenso wichtig wie die Datenbasis ist auch die Infrastruktur. Einerseits muss die Hardware so dimensioniert sein, dass sie die Rechenprozesse in sinnvoller Zeit abarbeiten kann. Andererseits ist eine Infrastruktur gefragt, die sich lokal ausführen lässt. In industriellen Anwendungen mit sensiblen Daten ist es zudem wichtig, dass Daten nicht in externen Clouds gespeichert werden, sondern im eigenen Haus bleiben. Deshalb haben wir dem Projekt für die kommenden Jahre einen strategischen Fokus eingeräumt. Ein erstes Ziel war es, eine Infrastruktur aufzubauen, mit der es möglich ist, KI-Funktionalität auf sichere Weise in der eigenen Software bereitzustellen. Es entstand eine lokale Lösung, die in kontrollierter Umgebung lauffähig ist. Für Entwicklungszwecke dient ein Mac Mini in maximaler Konfiguration als KI-Server.


„Wir stellen den Sprachmodellen gezielt Daten bereit und passen sie damit an unseren Einsatzbereich an.“

Philip Parker, Rösberg Engineering

Erste KI-Lösungen für Engineering Software

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KI-Pilotprojekt von Rösberg Engineering: Digitale Handbücher mit Chat-Interface. Anwender stellen in natürlicher Sprache ihre Fragen und erhalten die entsprechenden Antworten.
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Nachdem Datenmodell und Infrastruktur standen, wurden die ersten KI-Tools intern einer Community zur Nutzung bereitgestellt. Es zeigte sich schnell, wie wichtig das Feedback dieser Personen für die weitere Entwicklung ist. Standen die Tools erst einmal zur Verfügung, haben die Ideen für denkbare Applikationen nur so gesprudelt. Das KI-Entwicklungsteam hat diese Ideen gesammelt, geclustert, bewertet und priorisiert. Im ersten Schritt wurden zwei Anwendungsprototypen realisiert: Handbücher mit Chat-Interface und erleichterte Datenauswertung und -visualisierung.

Die Handbücher waren eine „low hanging fruit“, die sich, als die generelle Umgebung einmal entwickelt war, sehr einfach integrieren ließ. Handbücher waren in digitaler Form in verschiedenen Sprachen für die Software-Lösungen ProDok, LiveDok und LiveForms vorhanden und konnten mit verhältnismäßig wenig Aufwand eingebunden werden. Nun können Anwender direkt aus der Software heraus über ein Chat-Interface in natürlicher Sprache Fragen zur jeweiligen Software stellen. Die KI liefert mit Hilfe der Handbücher die passende Antwort.

Die zweite Lösung verbessert die Datenvisualisierung, denn in komplexen Anwendungen der Prozessindus­trie ist oft gerade die Fülle vorhandener Informationen eine große Herausforderung. Der neue Ansatz ermöglicht nun eine bessere Datenfilterung in ProDok. Ebenfalls in ihrer gewohnten Sprache geben Anwender ein, nach welchen Vorgaben Informationen ausgewertet werden sollen. Die KI übersetzt diese Anfrage in passende SQL-Abfragen. Dazu musste ihr u. a. die dahinterliegende Datenbankstruktur beigebracht werden. Wichtig ist bei dieser Anwendung, dass die KI nur lesenden Zugriff hat. Sie erstellt die SQL-Abfrage und übergibt diese dann an die Software, die das Datenbankhandling übernimmt und die Abfrage ausführt.

Anwenderbedarf ermitteln

Zwei Ideen aus der großen Sammlung, die den Prozessleittechnikexperten schon jetzt vorliegen, wurden also bereits umgesetzt. Viele weitere sollen folgen. Denkbar sind verschiedene Lösungen, die dabei helfen, interne Abläufe zu optimieren. Vor allem aber sollen Projekte realisiert werden, die Kunden einen Mehrwert bieten wie z. B. unterstützende Lösungen rund um die funktionale Sicherheit oder Ansätze zur (teil)automatisierten PLT-Planung. Dazu möchten die Prozessleittechnik -Experten in Erfahrung bringen, wo es bei ihren Kunden den größten Bedarf gibt. Deshalb ist im Laufe des Projektes auch hierfür immer wieder Zeit für Austausch geplant, z. B. über entsprechende Workshops.
Es wird deutlich, schon heute können Anwendungen in der Prozessindustrie die Vorteile von KI nutzen. Gerade die Bereiche Sicherheit und Effizienz werden davon sehr profitieren. Wohin die Reise geht, ist letzten Endes neben dem Bedarf der Anwender auch abhängig davon, wie sich die Open-Source-Sprachmodelle weiterentwickeln. Bei aller Innovation und allen Möglichkeiten ist den Prozessleittechnikexperten aber eins wichtig: Der Mensch soll bei alledem im Mittelpunkt stehen und von KI nicht ersetzt, sondern unterstützt werden.


„In industriellen Anwendungen mit sensiblen Prozessen sollten Daten nicht in externen Clouds gespeichert werden.“

Paul Rösberg, Rösberg Engineering

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