12.01.2023 • NewsFaserchemieChemiefasernMilchsäure

Seile aus Milchsäure

Technische Fasern machen die Seile von Kinderschaukeln sicher oder sind bei medizinischen Operationen unverzichtbar. Der Grundstoff für diese Fasern sind häufig auf Erdölbasis hergestellte Polymere.

In Anbetracht der begrenzten Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe und der Kunststoffproblematik forschte Boris Marx vom Faserinstitut Bremen nach Alternativen mit Biopolymeren und gehört zu den Nominierten für den Otto von Guericke-Preis 2022. Das Forschungs- und Transfernetzwerk Mittelstand AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ vergibt den mit 10.000 EUR dotierten Preis seit 1997 an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für besondere Innovationsleistungen auf dem Gebiet der vorwettbewerblichen Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), die vom Bundeswirtschaftsministerium mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.

Bio-Werkstoffe alternativ zum Erdöl
Biopolymere wie zum Beispiel Polylactid (PLA) bestehen aus biobasierten, nachwachsenden Rohstoffen und sind, im Gegensatz zu den üblichen Polymeren aus Erdöl, biologisch abbaubar. PLA wird durch chemische Synthese auf Milchsäurebasis hergestellt. Kommerziell verfügbares PLA wird zu Garnen, die derzeit zum Beispiel für Heimtextilen genutzt werden können, verarbeitet. Leider sind die Festigkeiten für technische Anwendungen bisher nicht ausreichend.

„Im Rahmen des IGF-Projektes ‚Hochleistungs-PLA-Biko-Fasern‘ ist es erstmals gelungen, ein PLA-Blend mit Stereokomplex-Kristallstruktur im Technikumsmaßstab herzustellen. Dabei wurden zwei PLA-Ausgangsmaterialien im Compoundierprozess vermischt. Die Besonderheit liegt dabei in der Prozessführung bei der Temperatur. Das Ergebnis ist ein PLA-Blend in Pulverform mit Stereokomplex-Kristallstruktur, sodass die Entwicklung von Garnen mit höheren Festig- und Steifigkeiten ermöglicht und herkömmliche Kunststoffe somit substituiert werden können“, erklärt Boris Marx.

Die einfache Überführung in den Industriemaßstab erlaubt eine ausreichende Materialverfügbarkeit. Dadurch wurde das Potenzial geschaffen, technisch industrielle PLA-Garne mit erhöhten Festigkeiten zu entwickeln. Damit können die Einsatzgebiete dieser biotechnologischen Fasern deutlich ausgeweitet, herkömmliche Kunststoffe weiter ersetzt sowie Ressourcen und Umwelt entsprechend geschont werden.

Breite Anwendung von Medizintechnik bis Luft- und Raumfahrt
„Für die Medizintechnik und speziell für uns als Entwickler und Produzent von innovativen textilen Implantaten sind die im Projekt erzielten Forschungsergebnisse von hoher Bedeutung. Denn bislang gibt es auf dem Markt keine Produkte auf PLA-Basis in stereokomplexer Form. Der jetzt verfügbare PLA-Blend ermöglicht die Entwicklung neuer und innovativer Produkte wie zum Beispiel verbesserte Osteosyntheseplatten zur Behandlung von Frakturen. Wir erhoffen uns dadurch einen Ausbau unseres Produktportfolios und die Erschließung neuer Märkte“, beschreibt Sven Oberhoffner von der ITV Denkendorf Produktservice mittelständische Interessen in Zusammenhang mit dem IGF-Projekt.

„Ergebnis dieses IGF-Projektes ist ein innovativer, sehr nachhaltiger Werkstoff, der für Hochtechnologiebranchen wie die Luft- und Raumfahrtechnik, die Medizintechnik oder für den Automobilbau vorgesehen ist. Da der Werkstoff auf einer industrienahen Technikumsanlage entwickelt worden ist, sind die Parameter, die erforscht wurden, sehr leicht in die Industrie übertragbar. Das geschieht derzeit mit dem Projektbegleitenden Ausschuss gemeinsam mit kleinen und mittelständischen Unternehmen und dem AiF-Mitglied Forschungsvereinigung Werkstoffe aus nachhaltigen Rohstoffen - WNR“, fasst Professor Axel S. Herrmann, Institutsleiter des Faserinstituts Bremen abschließend zusammen.

Boris Marx bei der Herstellung von PLA-Blend mit Stereokomplex-Kristallstruktur...
Boris Marx bei der Herstellung von PLA-Blend mit Stereokomplex-Kristallstruktur im Faserinstitut Bremen, Foto: Faserinstitut Bremen

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