12.10.2025 • NewsIneosJim RatcliffeStandortschließung

Ratcliffe: Chemieindustrie in Europa am Kipppunkt

Sir Jim Ratcliffe, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Ineos, hat die europäische Politik aufgefordert, in letzter Minute einzugreifen, um die Chemieindustrie zu retten.

Sir Jim Ratcliffe, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Ineos
Sir Jim Ratcliffe, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Ineos
© Ineos

„Ich fordere die europäische Politik auf sich endlich dafür einzusetzen, die Chemieindustrie zu retten", so Ineos-Chef Sir Jim Ratcliffe in einem von Ineos veröffentlichten Interview. Es sei dringend erforderlich, die Energie- und CO2-Abgaben auf dem Kontinent an den Rest der Welt anzupassen und einseitige Zölle in Frage zu stellen. "Geschieht dies nicht, gibt es bald keine Chemieindustrie mehr, die man retten muss", sagte Sir Ratcliffe. 

Die chemische Industrie ist Europas viertgrößter Wirtschaftszweig und bildet das Rückgrat seiner Wirtschaft. Jedoch befindet sich die Chemieindustrie laut Sir Ratcliffe in Europa an einem Kipppunkt. Im Vereinigten Königreich ist die Chemieproduktion bereits um 30 % zurückgegangen, in Deutschland sind es 18 % und in Frankreich 12 %. 

Die Schließung von 21 großen europäischen Chemieanlagen mit einer Kapazität von mehr als 15 Mio. t ist bereits geplant.  Ineos hat bereits Werke in Grangemouth (Großbritannien) und Geel (Belgien) geschlossen. Das Unternehmen schließt das Werk in Gladbeck (Deutschland) und hat angekündigt, zwei Produktionsanlagen in Rheinberg im Ruhrgebiet zu schließen. Außerdem hat der Chemiekonzern schon Anlagen  in Tavaux (Frankreich) und Martorell (Spanien) eingemottet. 

Zudem würden acht von zehn europäischen Chemiekonzernen derzeit keine Investitionen auf dem Kontinent tätigen, so Sir Ratcliffe weiter. Laut einem von Ineos in Auftrag gegebenen Report von Oxford Economics werden bis 2030 fast die Hälfte der europäischen Ethylenkapazitäten stillgelegt.

Der Ineos-Gründer sagte, dass für die europäische Chemieindustrie der Augenblick der Wahrheit gekommen sei. Nur dringende Maßnahmen könnten sie retten. Bleiben die Maßnahmen aus oder unwirksam, könnten die Folgen für Europa verheerend sein. Die chemische Industrie ist derzeit mit einem Wert von 700 Mrd. EUR und 5 Mio. Beschäftigten entlang der gesamten Lieferkette der viertgrößte Wirtschaftszweig des Kontinents, und all dies ist laut Sir Ratcliffe potenziell gefährdet.

Und es sind nicht nur Arbeitsplätze und Investitionen, die verloren gehen würden, so der Ineos-Chef weiter. Die gesamte Sicherheit Europas wäre gefährdet, da der Kontinent von Importen für strategisch wichtige Güter in den Bereichen Wasseraufbereitung, Transport, Gesundheit, Medizin und sogar Verteidigung abhängig würde.

Die Chemieindustrie ist auch strategisch von entscheidender Bedeutung, da praktisch jedes hergestellte Produkt, von Medikamenten und Autos bis hin zu Wohnraum und Technologie, von ihr abhängt. Europa kann es sich nicht leisten, diese Industrie aufzugeben und zu riskieren, von Importen abhängig zu werden.

Die Deutschlandzentrale von Ineos in Köln. Der Standort wurde 1957 als Joint...
Die Deutschlandzentrale von Ineos in Köln. Der Standort wurde 1957 als Joint Venture von BP und Bayer als EC Erdölchemie gegründet. Seit Ende 2005 gehört das Werk zu Ineos.
© Ineos

Auch die Netto-Null-Ziele Europas würden durch einen Zusammenbruch der chemischen Industrie beeinträchtigt. Oxford Economics geht davon aus, dass die CO2-Emissionen steigen würden, wenn die europäische Chemieproduktion durch Importe aus China und den USA ersetzt würde, und dass die längeren Transportwege zu einem weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen führen würden.

Erstaunlicherweise werde die europäische Chemieindustrie aufgrund ihrer selbst auferlegten Kosten aus den globalen Märkten verdrängt, so der Ineos-Chef. Die Gaspreise in Europa seien viermal höher als in den USA, und zusammen mit den hohen CO2-Abgaben auf dem Kontinent und den US-Zöllen könne die Industrie nicht mithalten.

In den übrigen Teilen der Welt sehe es ganz anders aus. Alle zehn großen US-Chemieunternehmen expandieren. China steigert seine Chemieproduktion um 9 % pro Jahr, auch der Nahe Osten baue seine Kapazitäten rasch aus.

Sir Ratcliffe hat eine klare Vorstellung davon, was die europäische Politik tun muss: „Wir stehen kurz vor dem Abgrund, und es gibt drei Dinge, die dringend in Angriff genommen werden müssen. Erstens: die Ökosteuern und Abgaben auf Energiekosten abschaffen. Zweitens: die CO2-Abgaben abschaffen. Und drittens: uns einen gewissen Zollschutz gewähren. Wir brauchen Taten, keine mitfühlenden Worte, sonst wird es nicht mehr viel von der europäischen Chemieindustrie zu retten geben.“

Das vollständige Interview mit Sir Jim Ratcliffe in der englischen Originalfassung sehen Sie hier.

Der Oxford Economics-Report zur Deindustrialisierung des Vereinigten...
Der Oxford Economics-Report zur Deindustrialisierung des Vereinigten Königreichs und Europas
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