RRT im Interview mit Frau Dr. Heike Riel
20.02.2014 -
ReinRaumTechnik: Guten Tag, Frau Riel. Sie wirkten massgeblich an der Entwicklung von AMOLED-Bildschirmen, also an der Entwicklung von organischen Leuchtdioden (OLEDs), mit. Was bedeutet das für den Anwender?
H. Riel: Für den Verbraucher wird das Leben farbiger, und es wird nicht nur farbiger, sondern auch flexibler. Die Display-Technologie, zu deren Entwicklung wir damals beigetragen haben, findet heutzutage vor allem Anwendung in Bildschirmen von Mobiltelefonen und in Tablets, die dadurch dünner und energieeffizienter werden. Die Handys einiger Hersteller weisen besonders intensive Farben auf, sie verfügen über typische OLED-Displays.
Diese OLED-Displays geben eine viel größere Palette an Farben wider als herkömmliche. Die OLED Pixel, die eingesetzt werden, sind selbst-leuchtend. Sie bestehen aus organischen Molekülen und lassen sich via chemische Synthese optimieren: satte Grundfarben, also Rot-Blau-Grün lassen sich mit den neuen organischen Substanzen herstellen und zu einer immensen Farbenpracht mischen. OLED Displays bieten auch einen Vorteil in der Energieeffizienz.
Bei LCD-Displays leuchten stets 100 % der Display-Fläche. Um Bilder darzustellen, regelt man wie viel weisses Licht durch rote, grüne und blaue Filter auf den Pixeln durchgelassen wird. In OLED-Displays dagegen leuchten nur diejenigen Pixel, die hell sein sollen, alle anderen sind ausgeschaltet. In der Regel sind nur 30 % des Displays aktiv. Für den Verbraucher bedeutet dies, dass OLEDBildschirme energieeffizienter arbeiten.
Warum werden OLED-Displays vor allem in kleinen Geräten eingesetzt?
H. Riel: Die neuen Materialien werden zunehmend in Mobiltelefonen und Tablets eingesetzt, auch einige Fernseher funktionieren bereits auf OLED Basis. Die Situation ähnelt derjenigen beim Sprung von CRT (Cathode Ray Tube) zum LCD Fernseher. Die Preise für die neuen Geräte sind noch hoch, sie werden aber in Kürze fallen. Dies ist eine Frage der Fabrikationstechnologie und der Produktionsausbeute. Wenn sich bei der Herstellung einer grossen Bildschirmplatte eine fehlerhafte Stelle einschleicht, dann muss der ganze Bildschirm aussortiert werden. Bei kleineren Bildschirmen, etwa bei Tablets, kann man dagegen noch die meisten Displays der Platte verwenden. Dadurch ist es natürlich kosten-aufwändiger, grosse Bildschirme herzustellen als kleine, da der Ertrag vor allem am Anfang einer Technologie niedriger ist.
Derzeit entwickelt sich die Fabrikationstechnologie auf dem Gebiet sehr stark weiter und wird sich mit der Optimierung der Technologien hinsichtlich Fehlerfreiheit der Bildschirmoberflächen auch im Bereich Fernseher durchsetzen. Die OLED Technologie bieten darüber hinaus die Möglichkeit, Bildschirme in 3-dimensionaler Form, z. B. gewölbte Displays zu bauen. Auch flexible Bildschirme werden entwickelt, z. B. für einrollbare Displays. Diese Eigenschaften machen OLEDs auch sehr attraktiv für Beleuchtungszwecke. Diese flächigen Leuchtelemente sind sehr dünn und leuchten homogen in den verschiedensten Farben. Sie können als architektonische Elemente verwendet werden und flexibel in beliebigen Formen eingesetzt werden. Erste Produkte gibt es schon.
Sie wurden Anfang dieses Jahres als IBM Fellow ernannt für Ihre bahnbrechenden Arbeiten über halbleitende Nanodrähte für Bauelemente der Post-CMOS-Technologien, in der Molekularelektronik für zukünftige Schalter und Speicheranwendungen sowie in der Entwicklung von organischen Leuchtdioden als neuartige Displaytechnologie. Was bedeutet dies für Sie persönlich?
H. Riel: Ich bin noch daran, zu erforschen, was es bedeutet IBM Fellow zu sein ... (sie lächelt) Natürlich freue ich mich sehr darüber! Ich betrachte den IBM Fellow aber auch als große Verantwortung gegenüber der IBM und allen Mitarbeitern. Das IBM Fellow-Program wurde 1962 durch Thomas J. Watson Jr. gegründet als ein Instrument, die Kreativität und Innovation der herausragendsten technischen Experten zu fördern, ihnen besondere Freiheiten zu geben - als Anerkennung, aber auch als Investition in die Zukunft.
IBM hebt ihren Status mit dem Ziel, dass ihr Wort auch innerhalb der Firma mehr Gewicht bekommt. Die technische Expertise wird global herangezogen, man repräsentiert die technische Community innerhalb der IBM, und natürlich hat man mehr Freiheiten innovativ zu sein und neue Dinge auszuprobieren. Fellows sollen eine vorausschauende Funktion übernehmen, essentielle Entwicklungen vorwärtstreiben, anstehende technologische Herausforderungen lösen und die technische Agilität der Firma fördern. Daher ist der Fellow- Status auch als lebenslange Aufgabe gedacht.
Das Binnig and Rohrer Nanotechnology Center wird gemeinsam mit der ETH Zürich betrieben. Inwieweit profitiert die ETH von der Kooperation?
H. Riel: Kooperation bedeutet immer, dass Personen miteinander arbeiten, dass sie sich darauf konzentrieren, ein Projekt gemeinsam voranzutreiben und Synergien zu nutzen. Wir haben z. B. im Tunnel-FET-Bereich eine Kooperation mit Professor Schenk von der ETHZ. Er beschäftigt sich mit der theoretischen Betrachtung der Bauelemente. In meiner Arbeitsgruppe konzentrieren wir uns auf experimentelle Untersuchungen.
Zum Beispiel auf das Design der TFETs, deren experimentelle Implementation, detaillierte Charakterisierung der Materialien und der Bauelemente, während Prof. Schenk sich der theoretischen Modellierung der Bauelemente widmet. Gemeinsam versuchen wir so die physikalischen Mechanismen, die in den Bauelementen vor sich gehen, zu verstehen und so die experimentellen Ergebnisse vorhersagen zu können.
Eine genaue Vorhersage der Bauelementeigenschaften ist von grossem Vorteil für die perfekte Optimierung aller Parameter. Es ist ein gegenseitiger Austausch, bei dem jeder lernt. Die Simulationen können uns auch helfen, mehr über die Nanodrähte zu lernen. Zum Beispiel ist die Beweglichkeit in Nanodrähten nur schwer experimentell zu bestimmen, da herkömmliche Bulk Messmethoden nicht gut funktionieren.
Hier können theoretische Simulationen helfen, die Beweglichkeit vorherzusagen und die entscheidenden Parameter zu extrahieren. Auch im Bereich der molekularen Elektronik arbeiten wir mit der ETHZ zusammen. Wir haben eine gemeinsame Doktorandin, die sich mit dem Assemblieren von Gold-Nanostäbchen beschäftigt. Die Gold-Nanostäbchen dienen als Elektroden, um Moleküle zu kontaktieren und deren elektrische Eigenschaften zu messen. Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit mit Professor Stemmer, der für die ETH am Binnig and Rohrer Technology Center lokalisiert ist.
Sie haben auf ganz verschiedenen Gebieten erfolgreich geforscht. Worauf begründen Sie Ihren Erfolg?
H. Riel: Ich verfüge über eine hohe innere Motivation, und es inspiriert mich auch sehr, mit einem hervorragenden Team zusammenzuarbeiten. Ich denke, es ist wichtig, dass man Freude daran hat, mit anderen zusammenzuarbeiten, denn alleine reisst man keine großen Bäume aus. Bei den Projekten, die ich mit Freude angehe und versuche, mein Bestes zu geben, wo mir ein tolles Team zur Verfügung steht, in dem man sich gegenseitig ergänzt, ergeben sich besonders gute Resultate.
Um auf meinem Werdegang zurückzukommen: Bei einer Schreiner-Lehre, wie ich sie zu Beginn meiner professionellen Laufbahn gemacht habe, muss man sehr akkurat und präzise arbeiten und sich vor allem vorher genau überlegen was man tut. Denn wenn man einmal ein Brett zu kurz abgeschnitten hat, kann man es nicht mehr verlängern. Ich habe damals in der Lehre, aber auch heute, festgestellt, dass Mitarbeiter die nicht vorausschauend arbeiten konnten, nicht so gute Arbeit geleistet haben. Sehr wichtig in der Schreinerei sind auch die Werkzeuge. Man muss lernen, sie optimal und richtig einzusetzen. Wenn man mit seinen Werkzeugen nicht korrekt umgeht und sie durch die falsche Verwendung unbrauchbar macht, kann man keine gute Arbeit leisten.
Auch in der Forschung gilt: Wenn Geräte nicht richtig eingestellt sind und nicht korrekt bedient werden, wenn man Tools durch falsche Verwendung unbrauchbar macht, dann kann man auch hier nicht erfolgreich sein. Ich halte es für wichtig, sich auch in diesem Punkt den Blick für Details zu erhalten. Die Herausforderung, sehr präzise zu arbeiten, den Blick für das Detail zu entwickeln, war sehr motivierend für mich und hat mir während meiner Ausbildung zur Schreinerin viel Spaß gemacht. Das hilft mir auch jetzt.
Bei der Umsetzung Ihrer Projekte für die Nanofabrikation dienen Tools für Lithographie, für Nass- und Trockenätzprozesse, zum Abscheiden von verschiedenen Materialien und zur Charakterisierung der Prozessschritte. Sind sie dabei auf Reinraumbedingungen angewiesen?
H. Riel: Im Reinraum stellen wir unsere Proben mittels all der Verfahren her, die Sie genannt haben. Unser Ausgangsmaterial, die Nanodrähte werden ausserhalb des Reinraums in einer Hochvakuumkammer durch epitaktisches Wachstum abgeschieden. Danach finden nahezu alle Prozesse zur Herstellung der Nanodrahtbauelemente im Reinraum statt. Dabei sind wir darauf angewiesen, dass keine Partikel die Proben verunreinigen.
Allein das Aufbringen von z. B. 100-nm-dünnen homogenen Photolacken könnte durch Partikel stark beeinträchtigt werden. Im Noise-free Lab, in dem alle mechanischen und elektrischen Störungen abgeschirmt sind, finden dann spezielle Untersuchungen der elektrischen und optischen Eigenschaften der Drähte statt. Das Messinstrument ist auf einem Betonsockel luftgelagert platziert.
Wir untersuchen aktuell, wie sich die Eigenschaften der Nanodrähte ändern, wenn man sie dehnt oder komprimiert. Dabei messen wir die optischen und elektrischen Eigenschaften. Bei Nanodrähten gibt es z. B. eine Kristallstruktur die es in der Bulk-Anordnung nicht gibt, weil sie dort nicht stabil ist. Diese Nanodrähte untersuchen wir gerade mittels optischer Spektroskopie, um die Bandstruktur herauszufinden. Wann wird der erste von Ihnen entwickelte Computer auf den Markt kommen?
Welche Eigenschaften wird er haben?
H. Riel: Tunnel-FETs sind neue Bauelemente, die theoretisch das Potential haben, herkömmliche MOSFETs zu ersetzen. Dass sie dies auch wirklich können, muss noch gezeigt werden und daran arbeiten wir. Das Ziel unserer Forschung ist, dass die Bauelemente in circa 10 Jahren auch in integrierten Schaltkreisen Verwendung finden. In der Forschung ist es jedoch schwierig, den Erfolg vorherzusagen.
Kontakt
Dr. Heike Riel
IBM Research, Rüschlikon
Tel.: +41 44 724 8111
hei@zurich.ibm.com