Rebranding: Neuer Name, neue Chancen
Namensänderungen sind ein Weg zu mehr Markterfolg
Wenn ein neuer Firmenname in der Öffentlichkeit vorgestellt wird, ist spontane Akzeptanz eher selten. Das gilt umso mehr im Falle von Umfirmierungen. Auch wenn die Beweggründe noch so stichhaltig sind, werden die Motive kritisch hinterfragt. Außerdem muss sich der neue Markenname an seinem etablierten Vorgänger messen lassen. Warum heißt RWE jetzt Innogy? Und Kraft plötzlich Mondelez? Neue Namen haben es schwer: Wie soll ein unbeschriebenes Blatt gegen eine Marke, die oft jahrzehntelang mit Inhalten und Werten aufgeladen wurde, bestehen?
Die Entwicklung globaler Marken mit ihren strategischen, juristischen und sprachlichen Herausforderungen ist im Jahr 2017 zweifellos ein Kraftakt. Mindestens genauso schwierig ist es jedoch, die Akzeptanz der relevanten Zielgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Stakeholder, Öffentlichkeit) zu gewinnen.
Namen mit Ecken und Kanten – eine gute Wahl
Menschen brauchen Zeit, um sich an einen neuen Markennamen zu gewöhnen, ihn zu akzeptieren und sich mit ihm zu identifizieren. Diese Erfahrung machte z.B. die Medizintechniksparte von Siemens. Der Unternehmensbereich „Siemens Healthcare“ wurde 2015 ausgegliedert und benötigte infolgedessen einen neuen, eigenständigeren Firmennamen. Im Mai letzten Jahres wurde der neue Name bekannt gegeben: Siemens Healthineers. Intern wie extern hagelte es Spott und Kritik. Die Erklärung, dass es sich um ein Kunstwort aus „health“, „engineer“ und „pioneer“ handele, überzeugte nicht. Ebenso wenig wie der „Healthineers-Song“, mit dem sich der neue Name in den Köpfen festsetzen sollte. „Fröhliches Fremdschämen bei Siemens“ lautete noch einer der netteren Kommentare auf YouTube.
Dabei spricht vieles für den Namen. Er differenziert sich in seinem Wettbewerbsumfeld und bleibt im Gedächtnis. Skeptiker werden jetzt einwenden, dass er ein Zungenbrecher ist. Aber trifft das nicht auch auf den vorherigen Namensbestandteil „Healthcare“ zu? Bei genauerer Betrachtung war nicht der Name das Problem, sondern fehlendes Fingerspitzengefühl bei der Markteinführung.
Teuer bezahlter Marketing-Flop
Um Widerstände dieser Art zu überwinden, braucht es Zeit und eine überzeugende Namens- und Kommunikationsstrategie. Wenn das Fundament nicht trägt, muss die Namensänderung schlimmstenfalls sogar rückgängig gemacht werden. Diese bittere Pille musste z.B. Royal Mail schlucken. Der britische Postdienst benannte sich im Jahr 2000 in Consignia um. Doch der Namenswechsel war wegen einer falsch gewählten Namensstrategie bei Mitarbeitern und Kunden sehr unpopulär. Sechs Jahre später erfolgte dann die Kehrtwende. Seitdem firmiert der Dienstleister als Royal Mail Group – außer Spesen nichts gewesen.
Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen
Nicht jede Reaktion lässt sich bei einer Namensentwicklung vorhersagen. Doch viele Stolperfallen im Laufe eines Branding- oder Rebranding-Prozesses sind bekannt und lassen sich mit der richtigen Strategie umgehen. Grundsätzlich gilt: Die psychologische Komponente ist nicht zu unterschätzen. Allein die Ankündigung einer Namensänderung kann bei der Belegschaft für Unruhe sorgen und Ängste schüren. Wird sich mehr als nur der Name ändern, drohen Stellenstreichungen?
Transparenz fördert die Akzeptanz des Projekts, deshalb ist es absolut richtig und wichtig, ausgewählte Meinungsbildner und Multiplikatoren frühzeitig mit ins Boot zu holen, damit sie sich beteiligen und später als Markenbotschafter fungieren können. Auch ist es gefährlich, wenn nicht alle Entscheider an einem Strang ziehen. Dann wird im schlimmsten Fall die Entscheidung für einen neuen Namen dazu missbraucht, das Projekt und die dafür verantwortlichen Personen zu torpedieren. Am Ende bleibt dann womöglich der ursprüngliche Name erhalten oder die Neuausrichtung wird nicht realisiert.
Internationale Teams an einem Tisch
Um all dem entgegenzusteuern, bietet Nomen erlebnisorientierte Naming-Workshops an. In diesen Workshops wird das Naming-Projekt strategisch und gleichzeitig spielerisch auf die Schiene gesetzt. Es geht um Strategie-Entwicklung, Naming-Insights, Kreation und Evaluation von Namensvorschlägen.
Das macht nicht nur Spaß, sondern sorgt vor allem auch für Akzeptanz. Skeptische Mitarbeiter können den Naming-Prozess selbst miterleben und – ganz wichtig – aktiv gestalten. Besonders hilfreich sind diese Workshops, wenn der Name in verschiedenen Ländern akzeptiert werden muss und Mitarbeiter aus mehreren Regionalgesellschaften überzeugt werden sollen. Übrigens: Es ist auch eine nette Geste, Mitarbeiter aus der Produktentwicklung in solch einen Workshop einzubeziehen. Wer an der Namensstrategie für sein „Baby“ mitwirkt, wird sich mit dem Ergebnis auch besser identifizieren können.
Fallbeispiel: Aus Carbone Lorraine wird Mersen
Bei einer Namensänderung beginnt alles mit der Grundsatzfrage, ob und warum diese überhaupt erforderlich ist. Manchmal gibt es zwingende rechtliche Gründe, etwa bei Ausgliederungen. Auch bei Fusionen macht ein neuer Name Sinn, damit ein Neuanfang auf Augenhöhe stattfinden kann. Auch strategisch kann eine Umfirmierung geboten sein, wenn der bestehende Name zu limitierend ist und damit die Geschäftsentwicklung ausbremst, statt ihr Schub zu geben.
Wie im Falle des französischen Konzerns Carbone Lorraine, der 2010 in Mersen umfirmierte:
Das Problem: Der Name stieß an Grenzen
Mersen unterstützt heute als weltweiter Experte für elektrische Energie und Hochleistungswerkstoffe die Optimierung von Fertigungsleistungen u. a. in den Bereichen Chemie und Pharmazie. Damit hat sich das Unternehmen meilenweit von seinem Kerngeschäft im Gründungsjahr 1937 entfernt. Nach zahlreichen Firmenzukäufen war der alte Name „Carbone Lorraine“ (frz.: Kohle Lothringen) inhaltlich und geografisch einschränkend, um nicht zu sagen irreführend.
Zunächst hatte man improvisiert, indem man im Logo meist mit der Abkürzung CL arbeitete. Doch 2010 fiel die Entscheidung für ein Rebranding: Dieses sollte die Wachstumsstrategie des Unternehmens und die vier Geschäftsfelder des Unternehmens repräsentieren (Innovationen, Akquisitionen, Asien, Erneuerbare Energien) und eine weltweit einheitliche B2B-Kundenansprache gewährleisten. Gleichzeitig sollte der neue Name intern dem Aufbau einer gemeinsamen Identität dienen.
Die Lösung: Nachvollziehbarer Name, ganzheitliche Kommunikation
Nach einem mehrwöchigen Naming-Prozess fiel die Wahl auf das Akronym Mersen. Ein Akronym ist eine Abkürzung, bei der sich die Buchstaben zu einem aussprechbaren Wort zusammenfügen: „Material, Elektrik, Recherche, Service, Energie“. Der Konzern betont damit seine europäischen Wurzeln, denn Mersen erinnert an Martin Mersenne (1588-1648), der Mathematiker, Philosoph und Physiker war. Der Freund des Philosophen René Descartes baute als Erster ein naturwissenschaftliches Netzwerk auf.
Um den Namen zu stützen, wurde auch ein neuer Markenclaim entwickelt: „Expertise, our source of energy“. Dieser verdeutlicht die starke Fokussierung auf den Bereich Energien, da Mersen sowohl Lösungen für erneuerbare Energien (z.B. Teile von Windkraftanlagen) als auch Anlagen für die konventionelle Energieerzeugung liefert. Zudem sollte der Claim die Erfahrung und Kompetenz seiner mehreren Tausend Mitarbeiter hervorheben und über ein stärkeres Wir-Gefühl das Vorantreiben gemeinsamer Projekte fördern.
Der Name wurde mittels einer Teaser-Kampagne angekündigt. Ein Imagefilm sorgte dafür, dass die Mitarbeiter den neuen Namen sehr emotional erleben konnten. Mit weiteren Kommunikationsmaterialen wurde die Umbenennung begleitet. Intern und in der Öffentlichkeit kam der Name sehr gut an. Die eingangs definierten Ziele wurden erreicht: Das Unternehmen blickt auf ein solides Umsatzwachstum zurück.
Tipps vom Profi: Die 10 Schritte einer erfolgreichen Namensentwicklung
- Bestimmen Sie ein Naming-Team: Unbedingt die Entscheider und wichtige Multiplikatoren mit ins Boot holen!
- Vermeiden Sie Namenswettbewerbe: Die Organisation ist aufwändig und bringt erfahrungsgemäß keine verwertbaren Vorschläge.
- Sorgen Sie für eine klare Positionierung: Wofür soll Ihre Marke stehen?
- Denken Sie weiter: Der Name sollte inhaltlich nicht zu einschränkend sein. Die nächste Markenerweiterung kommt bestimmt.
- Seien Sie mutig und kopieren Sie keine Trends: Ein Name mit Ecken und Kanten sorgt zunächst für Diskussionen, zahlt sich aber langfristig aus.
- Achten Sie auf eine klare Namenssystematik, wenn Sie mehrere Geschäftsbereiche bezeichnen. Dabei gilt: Weniger ist mehr.
- Planen Sie ausreichend Zeit für die juristischen und sprachlich-kulturellen Prüfungen ein.
- Richten Sie sich bei globalen Projekten darauf ein, dass Ihr Namensfavorit schon vergeben ist und Verhandlungen mit Markeninhabern notwendig sind.
- Ein guter Kommunikationsplan ist der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehört mehr, als im Nachhinein nur die Bedeutung des Namens aufzulösen. Auch wenn Sie keine Details preisgeben können: Informieren Sie die Mitarbeiter frühzeitig und regelmäßig!