Anlagenbau & Prozesstechnik

Automatisierungsarchitektur der nächsten Generation – Interview

Wie Emerson mit Boundless Automation eine intelligentere, nachhaltigere Produktion ermöglicht

14.10.2024 - John Nita und Peter Zornio von Emerson geben Im CHEManager-Interview einen Ausblick auf die Vision des Unternehmens für die Automatisierungsarchitektur der nächsten Generation.

Die NAMUR-Hauptsitzung am 21. und 22. November 2024 in Neuss wird von Emerson, einem führenden Anbieter im Bereich Automatisierung und Technologie, gesponsert. Zielsetzung des Unternehmens ist es, Innovationen voranzutreiben, die die Welt gesünder, sicherer, intelligenter und nachhaltiger machen. Vor der Sitzung sprach CHEManager-Redakteur Volker Oestreich mit John Nita, President Europe, und Peter Zornio, Chief Technology Officer von Emerson darüber, wie die Automatisierungsarchitektur der nächsten Generation den Wert von OT-Daten (Operational Technology) steigert und es Unternehmen ermöglicht, ihre Geschäftsziele nachhaltiger zu erreichen.

CHEManager: Worin liegen die größten Herausforderungen der Prozessindustrie, die Emerson dazu veranlasst haben, die industrielle Automatisierungsarchitektur neu zu interpretieren?

John Nita: Für eine höhere Rentabilität müssen Hersteller ihre Effizienz steigern und gleichzeitig die betriebliche Nachhaltigkeit erhöhen, um die immer strengeren gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Moderne Automatisierungstechnologien erzeugen große Mengen an Betriebsdaten, die in verwertbare Informationen umgewandelt werden können, damit Unternehmen diese Herausforderungen meistern und die notwendigen Verbesserungen erreichen können. Häufig bleiben diese Daten jedoch isoliert, sodass ihr voller Wert nicht ausgeschöpft werden kann. Der Grund für diese Datensilos besteht darin, dass überholte, jahrzehntealte Automatisierungsarchitekturen den modernen Anforderungen einfach nicht mehr gerecht werden. Eine neue, integrierte und sichere Automatisierungsarchitektur ist erforderlich, um den freien Fluss und die Demokratisierung von Daten im gesamten Unternehmen zu unterstützen und so die volle Leistungsfähigkeit und das Potenzial der Software zu nutzen. Emerson bezeichnet dies als „Boundless Automation“, also grenzenlose Automatisierung, die drei voneinander abhängige Computing-Bereiche miteinander verknüpft – das intelligente Feld, die Edge und die Cloud. Durch die Integration in und die Angleichung an eine einheitliche Datenstruktur wird eine zusammenhängende Architektur geschaffen, die es Unternehmen ermöglicht, den Zugriff auf ihre Daten durch leistungsstarke Software-Lösungen zu transformieren, indem sie isolierte Daten „befreien“, sodass deren Wert maximal ausgeschöpft und die Leistung erheblich verbessert werden kann.

Schauen wir uns diese drei Bereiche genauer an. Können Sie uns zunächst mehr über die Bedeutung des intelligenten Felds in der neuen Architektur sagen?

Peter Zornio: Boundless Automation beginnt mit dem intelligenten Feld, in dem fortschrittliche Sensoren und Geräte sowie innovative Konnektivitätslösungen wie Bluetooth, Ethernet-APL und 5G eingesetzt werden, um einfacher auf Daten aus einem größeren Anwendungsbereich zuzugreifen. Dank der Möglichkeit, Daten aus dem intelligenten Feld nahtlos an Software-Lösungen vor Ort oder in der Cloud zu übertragen, gewinnen Unternehmen Echtzeiteinblicke in die Leistung und den Zustand ihrer Prozesse und Anlagen. Immer mehr Anwendungen können in Echtzeit überwacht werden, was zur Beseitigung von „blinden Flecken“ beiträgt, bei denen Unternehmen bisher nicht so genau wissen, was in ihrem Betrieb vor sich geht. Einige gute Beispiele für neue Sensoranwendungen sind Wireless-Akustiksensoren, die durch die Erkennung von Leckagen an Kondensatabscheidern oder Überdruckventilen zur Senkung des Energieverbrauchs und der Emissionen beitragen, Wireless-Schwingungssensoren, die durch die Überwachung rotierender Anlagen die Sichtbarkeit des Maschinenzustands verbessern, und Sensoren, die durch die Überwachung des Zustands hochreaktiver und entflammbarer Chemikalien in tragbaren Transportbehältern die Sicherheit erhöhen. Dank der größeren Rechenleistung und Kommunikationsoptionen dieser Geräte können erste Berechnungen oft im Gerät oder mit Hilfe lokaler Edge-­Verarbeitungsplattformen erfolgen.

 

P. Zornio © Emerson   Peter Zornio, CTO, Emerson

„Cloud-gehostete Plattformen ermöglichen es Projektmitarbeitern, an verschiedenen Standorten problemlos zusammenzuarbeiten.“

 

Sie haben Konnektivitätslösungen wie Bluetooth, Ethernet-APL und 5G erwähnt. Sind diese für die neue Automatisierungsarchi­tektur entscheidend?

J. Nita: Der Bedarf nach immer mehr Daten aus immer mehr Quellen zwingt Unternehmen in der Prozessindustrie dazu, die erforderliche zuverlässige Konnektivität bereitzustellen, um das Potenzial von Feldgeräten zu maximieren und immer größere Datenmengen und -arten effektiv zu verwalten. Innovative Konnektivitätslösungen vereinfachen die Integration sowie schnelle Ergänzung neuer Messpunkte und reduzieren Installationskosten. Wire­less-Feldnetzwerke ermöglichen es Unternehmen beispielsweise, Pervasive-Sensing-Technologien günstiger als kabelgebundene In­stallationen einzusetzen – und zwar häufig bei Anwendungen, die zuvor mit kabelgebundenen Methoden nicht zugänglich waren. Mobilfunknetze werden immer schneller und zuverlässiger, was den Einsatz kostengünstiger Sensoren in Fernüberwachungsanwendungen ermöglicht. Ein gutes Beispiel dafür ist der Rosemount 408 Wire­less-Füllstandsensor, mit dem Lieferanten die Effizienz der Lieferkette und das Serviceniveau verbessern können, da er die Lagerbestände und den Zustand von Flüssigkeiten in abgelegenen und mobilen Lagertanks überwacht und verschlüsselte 5G-Mobilfunkkommunikation zur Datenübertragung nutzt. Ethernet-APL wurde derweil für die schnelle Übertragung großer Datenmengen entwickelt. Der Einsatz von High-Speed-Ethernet im Feld schafft Möglichkeiten für neue Sensortypen, die eine größere Bandbreite benötigen, und auch bei vorhandenen datenintensiven Geräten wie digitalen Stellungsreglern und Coriolis-Durchflussmessgeräten kann man davon profitieren.

Und welche Rolle spielt die Edge in der neuen Architektur?

P. Zornio: Zunächst müssen wir überlegen, was mir mit „Edge“ meinen. Als der Begriff vor einigen Jahren in der Informationstechnologie eingeführt wurde, beschrieb er die Datenverarbeitung an der Peripherie eines physikalischen Standortes, also nicht in Rechenzentren oder in der Cloud, und die Strategie, die Rechenleistung weiter in diese Peripherie zu verlagern. Bei der OT in der Fertigung kann die Edge-Technologie als neues Modell für die Bereitstellung von Software-Workload und Konnektivität betrachtet werden, das an viele aktuelle IT-Technologien angelehnt ist. Die OT-spezifische Edge-Technologie basiert auf der aktuellen OT-Infrastruktur, nutzt Cloud-Technologien für die Bereitstellung und den Support und kann als Rückgrat der Vor-Ort-Datenverarbeitung der künftigen Automatisierungsarchitektur betrachtet werden. Mit neuen Verbindungsmöglichkeiten, die einen sicheren und freien Datenzugriff ermöglichen, werden Daten durch Edge-Computing auf alle Betriebsebenen – sowohl vor Ort als auch extern – übertragen, und gleichzeitig wird die Verwaltung der kontinuierlich zunehmenden Technologiedichte vereinfacht.

Können Sie einige Beispiele nennen, wie Chemieunternehmen von der Cloud profitieren können?

P. Zornio: Leistungsstarke Computing-­Lösungen auf Cloud-Basis können große Datenmengen in Echtzeit verwalten und analysieren. Somit können Unternehmen die betriebliche Effizienz verbessern und die Wirtschaftlichkeit über mehrere Anlagen hinweg erhöhen. Ein gutes Beispiel dafür, wie das in der Praxis funktioniert, ist die Ermittlung von Trends zur Zuverlässigkeit von Geräten. Die Cloud-basierte Zustandsüberwachungssoftware AMS Machine Works von Emerson liefert einen Einblick in den Zustand kritischer Anlagen. Dadurch ist es Zuverlässigkeitsexperten möglich, Störungen schnell zu erkennen und zu beseitigen, bevor sie zu ungeplanten Ausfällen führen und Auswirkungen auf die Anlagenverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit haben.  Wenn sie in der Cloud gehostet werden, können Vergleiche zwischen ähnlichen Geräten in verschiedenen Einrichtungen neue Einblicke verschaffen. Cloud-gehostete Engineering- und Projektmanagement-Plattformen bieten ebenfalls erhebliche Vorteile, da Projektmitarbeiter damit an verschiedenen Standorten als integriertes Team problemlos miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten können. Das Remote Virtual Office von Emerson ermöglicht es beispielsweise allen Beteiligten, während des gesamten Zeitraums eines Automatisierungsprojekts auf Dateien zuzugreifen, an Diskussionen teilzunehmen und ihr Wissen zusammenzuführen, wodurch Projektzeiten und -kosten reduziert werden.

 

J. Nita © Emerson  John Nita, Präsident von Emerson Europa

„Boundless Automation bietet die Grundlage für selbstoptimierende Anlagen und autonome und teilautonome Prozesse.“ 

 

Wohin wird Ihrer Meinung nach Boundless Automation die Prozess­industrie künftig führen?

J. Nita: Diese neue Automatisierungsarchitektur bietet Unternehmen die Grundlage für selbstoptimierende Anlagen durch die Integration fortschrittlicher Technologien und Methoden, um autonome und teilautonome Prozesse zu schaffen. Die selbstoptimierende Anlage basiert auf einer Reihe von Software- und Prozessleittechnologien, die sich automatisch anpassen und lernen sowie sich selbst erhalten und zusammenarbeiten, um zukünftige Bedingungen vorauszusehen und dementsprechend zu handeln, indem sie den Betrieb an den Unternehmenskontext anpassen. Auf diese Weise lässt sich die Wirtschaftlichkeit steigern, indem neue Ebenen der Produktionseffizienz und bisher ungenutzte Bereiche zur Optimierung der Marge erschlossen werden. Zu den Optionen für eine selbstoptimierende Anlage gehören Innovationen wie der digitale Zwilling, der ein sich kontinuierlich weiterentwickelndes digitales Profil des vergangenen, aktuellen und zukünftigen Verhaltens eines Prozesses oder einer Anlage liefert, sowie die Zustands­überwachung zur Verfolgung der Anlagenleistung und Vorhersage von Ausfällen, um die Betriebszeit zu maximieren und den Betrieb sicherer zu machen.

Und zuletzt: Was können wir bei der NAMUR-Hauptsitzung 2024 über Boundless Automation erfahren?

J. Nita: Emerson ist sehr stolz darauf, Sponsor der jährlichen NAMUR-­Hauptsitzung zu sein. In diesem Jahr lautet das Thema „Boundless Automation for Ecosystems in Action“, und Peter Zornio wird zusammen mit Roel van Doren, Group President Global Sales, den Hauptvortrag halten. Darin wird erläutert, wie Boundless Automation den NAMUR-Konzepten und -Empfehlungen entspricht und Unternehmen dabei unterstützt, das volle Potenzial ihrer Anlagen auszuschöpfen. Die Veranstaltung gibt uns die Möglichkeit, den Teilnehmenden unsere Vision einer Automatisierungsarchitektur der nächsten Generation vorzustellen, und die Experten von Emerson werden Workshops mit dem Fokus auf die Technologien und Lösungen anbieten, die unseren Boundless-Automation-Ansatz unterstützen. Außerdem werden wir viele unserer innovativen intelligenten Feldgeräte, Edge-Computing- und Software-Lösungen vorstellen, die betriebliche Verbesserungen vorantreiben.

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