Updates für Chemie- und Pharmaanlagen
Wie Betreiber von Brownfield-Anlagen Produkte ebenso effizient fertigen wie Mitbewerber, die diese auf hochmodernen Anlagen herstellen – durchdachte Retrofit-Strategien helfen!
Autor: Frank Hägele, Sales Director, Copa-Data Deutschland
Mit smarten Retrofit-Strategien die Wertschöpfung bei Brownfield-Anlagen sichern

Betreiber von Brownfield-Anlagen stehen vor einer Reihe technischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Herausforderungen. Sie müssen Produkte ebenso effizient fertigen wie der Mitbewerb, der diese auf hochmodernen Anlagen herstellt. Gleichzeitig gilt es, moderne Verfahren für innovative Produkte zu integrieren. Hinzu kommen Megatrends wie der demografische Wandel, wachsende Anforderungen an IT-Sicherheit und strikte Nachhaltigkeitsvorgaben.
All das macht deutlich: Wer mit bestehenden Anlagen auch morgen noch erfolgreich sein will, braucht mehr als nur technische Upgrades – er braucht eine durchdachte, zukunftsweisende Retrofit-Strategie.
Die Brownfield-Produktion bringt also für Unternehmen eine Vielzahl komplexer Aufgaben mit sich. Ältere Anlagen sind störungsanfälliger und erfordern einen höheren Wartungsaufwand. Nicht immer sind alle Ersatzteile verfügbar, teilweise müssen sie kostenintensiv nachgefertigt werden. Beides führt zu hohen Instandhaltungskosten. Gleichzeitig lassen sich neue Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen oft nur schwer integrieren, da bestehende Anlagen nur begrenzte Schnittstellen für moderne Steuerungen, Datenanalysen oder KI-basierte Optimierung bieten.
Mit älteren Anlagen ist eine kosteneffiziente und flexible Produktion oft nur eingeschränkt möglich – ein Nachteil, der sich langfristig im Wettbewerb bemerkbar macht. Auch regulatorische Herausforderungen wie aktuelle Sicherheitsvorschriften oder strengere Nachhaltigkeitsanforderungen lassen sich mit älteren Maschinen schwerer erfüllen.
Die Entscheidung zwischen Modernisierung oder kompletter Neuinvestition ist häufig wirtschaftlich schwer zu kalkulieren. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten, in denen große Investitionen zurückhaltend getätigt werden, können durchdachte Retrofit-Strategien den entscheidenden Vorsprung am Markt sichern. Sie sollten ganzheitlich geplant werden und auf den vier Säulen Konnektivität, vorausschauende Wartung, Sicherheit und Nachhaltigkeit basieren.
Inhalt:
- Mit smarten Retrofit-Strategien die Wertschöpfung bei Brownfield-Anlagen sichern
- Konnektivität als Basis für mehr Wertschöpfung
- Gefahr von Ausfällen mit vorausschauender Wartung begegnen
- Sicherheit der Bestandsanlagen mit modernen Technologien erhöhen
- Disziplinen verbinden für eine nachhaltige Dekarbonisierung
- Unterschiedliche Retrofit-Konzepte für verschiedene Anforderungen
- Fazit
- Frank Hägele
Konnektivität als Basis für mehr Wertschöpfung
Unternehmen sind gefordert, Strategien zu entwickeln, um mit ihren bestehenden Anlagen eine maximale Wertschöpfung zu erreichen. Die Produktion darf nicht mehr allein ausschlaggebend für den Erfolg sein. Daher ist es essenziell, bestehende Anlagen so effizient und wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. In diesem Zusammenhang spielen zwei zentrale Konzepte eine entscheidende Rolle: Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wertschöpfung entsteht im Zuge der Digitalisierung nicht nur durch zusätzliche Produkte oder Dienste, sondern auch ganz wesentlich durch deren Vernetzung und Modularisierung. Zur Steigerung der ökonomischen Effektivität und Effizienz ist es wichtig, alle Möglichkeiten der nachträglichen oder ergänzenden Digitalisierung von Bestandsindustrie zu nutzen. Es geht also bei der Brownfield-Digitalisierung nicht unbedingt nur darum, alte durch neue Maschinen zu ersetzen, sondern die vorhandenen Wertschöpfungspotenziale der Vernetzung auch im Brownfield-Bereich zu erschließen.
Gefahr von Ausfällen mit vorausschauender Wartung begegnen
Während neue Prozessanlagen in der Chemieindustrie in den ersten Betriebsjahren in der Regel nur geringe Wartungsanforderungen aufweisen, nimmt der Wartungsbedarf mit zunehmender Laufzeit deutlich zu. Die technische Beanspruchung durch hohe Temperaturen, aggressive Chemikalien und kontinuierlichen Betrieb führt bei älteren Anlagenkomponenten zu steigender Abnutzung und erhöhtem Störpotenzial. Wird die Wartung zu spät durchgeführt, kann dies nicht nur zu teuren Produktionsausfällen führen, sondern auch sicherheitsrelevante Risiken mit sich bringen – ein besonders kritischer Aspekt in der Chemiebranche.
Auf der anderen Seite verursacht ein zu früher Austausch von Bauteilen unnötige Kosten und bindet Ressourcen. Um diesen Zielkonflikt zu lösen und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, setzen immer mehr Chemieunternehmen auf eine vorausschauende Wartungsstrategie (Predictive Maintenance). Diese lässt sich auch im Zuge einer Retrofit-Strategie nachträglich integrieren. Sie basiert auf Advanced Analytics und nutzt die Möglichkeiten von Big-Data-Technologien: Durch die Analyse großer Mengen historischer Betriebs-, Sensor- und Wartungsdaten sowie durch Anwendung von Prognosemodellen (z.B. Machine Learning) lassen sich Ausfälle frühzeitig erkennen und präzise vorhersagen.
Der große Vorteil für chemische Produktionsbetriebe: Selbst komplexe Anlagenzusammenhänge, etwa in mehrstufigen Reaktions- oder Trennprozessen, können datenbasiert bewertet werden. So lassen sich Wartungsmaßnahmen optimal planen, ungeplante Stillstände minimieren, die Anlagensicherheit erhöhen und die Gesamtanlageneffektivität (OEE) nachhaltig verbessern.
„Durch die Anwendung von Prognosemodellen lassen sich Ausfälle frühzeitig erkennen und präzise vorhersagen.“
Sicherheit der Bestandsanlagen mit modernen Technologien erhöhen
Lange galten industrielle Systeme durch ihre abgeschottete Architektur als relativ sicher vor Cyberangriffen. Doch mit der zunehmenden Vernetzung von Industrieanlagen mit dem Internet steigen auch die Risiken – insbesondere ältere Systeme geraten ins Visier. Viele von ihnen laufen weit über den Zeitraum hinaus, für den Sicherheits-Updates vorgesehen waren, und weisen dadurch gravierende Schwachstellen auf. Die EU hat auf diese wachsende Bedrohungslage reagiert und die Anforderungen an die Cybersecurity mit neuen Richtlinien verschärft. Viele Unternehmen zögern die Migration hinaus, um Aufwand zu vermeiden. Doch das kann teuer werden: Wer veraltete Anlagen nicht auf den neuesten Sicherheitsstandard bringt, setzt sich einem hohen Risiko aus, Ziel eines Cyberangriffs zu werden. Moderne Automatisierungssoftware wie Zenon lässt sich einfach in bestehende IT/OT-Sicherheitsarchitekturen integrieren und ermöglicht eine schnelle Anpassung an aktuelle Schutzanforderungen – ohne großen Aufwand.
Disziplinen verbinden für eine nachhaltige Dekarbonisierung
Nachhaltige Produktion ist heute ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor, vor allem in der ohnehin energieintensiven Chemieindustrie. Ältere Anlagen sind im Betrieb weniger energieeffizient als moderne Systeme. Gleichzeitig verringert eine längere Laufzeit den CO2-Fußabdruck des Unternehmens. Ein wesentlicher Hebel zur Emissionssenkung liegt in der Optimierung des Energieverbrauchs. Dafür ist eine lückenlose Datenerfassung unerlässlich. Erst wenn sämtliche Energieströme und Verbräuche in Echtzeit verfügbar sind, lassen sie sich gezielt analysieren, effizient steuern und flexibel anpassen. Kurz gesagt: Digitalisierung und Automatisierung sind die Schlüssel zur Dekarbonisierung.
„Digitalisierung und Automatisierung sind die Schlüssel zur Dekarbonisierung.“
Unterschiedliche Retrofit-Konzepte für verschiedene Anforderungen
Wer auf Retrofit setzt, hat grundsätzlich zwei Wege: kontinuierliche, kleine Modernisierungsschritte oder größere Updates in längeren Intervallen. Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile – die Wahl hängt von den individuellen Anforderungen und Rahmenbedingungen der Unternehmen ab.
Gerade in Pharma- und Chemieunternehmen ist ein Update häufig mit einer Revalidierung und aufwändigen Dokumentationen verbunden. Je länger der Abstand zwischen den Updates, desto größer wird hingegen das Sicherheitsrisiko für Cyberangriffe oder auch das wirtschaftliche Risiko für ungeplante Ausfälle.
Um den Aufwand möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, auf standardisierte Lösungen zu setzen. Sie sorgen für reibungslose Aufwärtskompatibilität und stellen sicher, dass Schnittstellen zu Drittsystemen auch nach einem Update stabil bleiben – selbst bei neuen Softwareversionen.
Fazit
Clevere Retrofit-Strategien bieten Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil – bei deutlich geringerem Investitionsaufwand als die Anschaffung neuer Maschinen. Gleichzeitig schaffen sie die Voraussetzung, ältere Anlagen fit für moderne, nachhaltige und sichere Produktionsstandards zu machen. Entscheidend für den Erfolg sind dabei eine hohe Konnektivität und der konsequente Einsatz bewährter Standards – sie sichern Qualität und Zukunftsfähigkeit nachhaltig ab.

Frank Hägele
Sales Director, Copa-Data Deutschland
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