Sustainability Pricing als Erfolgsfaktor

Die Chemieindustrie steht zunehmend vor der Herausforderung, nachhaltigere und umweltfreundlichere Produkte anzubieten.

Sustainability Pricing, eine Methode zur Preisgestaltung, die systematisch ökologische Faktoren berücksichtigt, kann hierbei eine zentrale Rolle spielen. Dieser Artikel beleuchtet, welche Vorteile nachhaltige Preisstrategien bieten, wie Sustainability Pricing in der Chemieindustrie erfolgreich umgesetzt werden kann und wie mit typischen Herausforderungen umgegangen werden sollte.

 

Die Chemieindustrie steht an einem Wendepunkt: Nachhaltigkeit gilt nicht mehr...
Die Chemieindustrie steht an einem Wendepunkt: Nachhaltigkeit gilt nicht mehr als reiner Kostenfaktor, sondern zunehmend als strategischer Vorteil. | ©Antony Weerut - stock.adobe.com

Die Chemieindustrie steht an einem Wendepunkt: Nachhaltigkeit gilt nicht mehr als reiner Kostenfaktor, sondern zunehmend als strategischer Vorteil. Der European Green Deal fordert Unternehmen zu Emissionsreduktion, verstärktem Recyclling und Minimierung fossiler Rohstoffe auf, und neue Erwartungen von Investoren und Kunden machen nachhaltiges Wirtschaften zunehmend zu einem zentralen Unterscheidungsmerkmal. Parallel zeigt sich eine wachsende Zahlungsbereitschaft für grüne Produkte, wodurch das Potenzial für ein sog. Sustain­ability Premium steigt.
Für Unternehmen bedeutet dies, Nachhaltigkeit und Pricing enger zu verknüpfen, um den Wert ökologischer Produkte gezielt zu monetarisieren.

Nachhaltigkeit und Zahlungsbereitschaft für grüne Produkte

Aufgrund dieser wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie gilt es, jene Nachhaltigkeitseigenschaften zu identifizieren, die für Kunden einen Mehrwert darstellen und für die eine Zahlungsbereitschaft besteht.
Unter diesen Eigenschaften lassen sich harte Faktoren identifizieren, die den ökologischen Nutzen messbar machen, sowie weiche, subjektive Faktoren, die das Umweltbewusstsein der Kunden ansprechen. Relevant sind u. a. Ressourceneffizienz, CO2-Reduktion durch klima­freundliche Produktionsmethoden, Recyclinganteile und die Rückführbarkeit von Produkten in den Wertstoffkreislauf.

 

„Nachhaltigkeit bietet in der Chemieindustrie zusätzliche Chancen,
sich im Markt zu differenzieren
und zusätzliche Zahlungsbereitschaften abzuschöpfen.“

 


Zertifizierungen und Umweltsiegel, die den ökologischen Anspruch eines Produkts belegen, stärken das Vertrauen und unterstützen Kunden dabei, ihr Engagement für Nachhaltigkeit sichtbar zu machen. Damit bietet Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie zusätzliche Chancen, sich im Markt zu differenzieren und zusätzliche Zahlungsbereitschaften abzuschöpfen.

Die dreistufige Quantifizierung der Zahlungsbereitschaft

Die Quantifizierung der Zahlungsbereitschaft und die richtige Preisgestaltung sind essenziell, um nachhaltige Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren. Ein dreistufiges Frame­work hilft Unternehmen dabei, Nachhaltigkeit gezielt zu monetarisieren – von der Segmentierung der Kundenbedürfnisse über die Preisgestaltung bis hin zu der erfolgreichen Umsetzung im Vertrieb.

- Segmentierung: Die Basis für differenziertes Pricing:
Der erste Schritt bei der Monetarisierung von Nachhaltigkeit ist die gezielte Segmentierung der Kunden. Nicht alle Kunden sind gleichermaßen bereit, für ökologische Vorteile mehr zu zahlen. Dabei reicht es nicht aus, Zahlungsbereitschaft als einfaches Ja-/Nein-Kriterium zu betrachten. Entscheidend ist, zu analysieren, welche spezifischen Nachhaltigkeits­aspekte in den jeweiligen Segmenten relevant sind. Selbst für ähnliche Nachhaltigkeitsmerkmale kann die Zahlungsbereitschaft zwischen Segmenten deutlich variieren. Hierbei ist es sinnvoll, die Perspektive der kompletten Wertschöpfungskette – also z. B. auch die Erwartungen der Kunden der eigenen Kunden – mit einzubeziehen.

- Pricing: Den Mehrwert quantifizieren und ­optimale Preise gestalten:
Im Kern einer Sustainability-Pricing-Strategie steht die Quantifizierung der Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte. Die Economic-Value-Added (EVA)-Methode hat sich hier als übergeordnete Methode bewährt, um den erwarteten ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen für Kunden systematisch zu quantifizieren und in einem Preismodell abzubilden. Innerhalb dieser Struktur kommen spezifische Pricing Tools zum Einsatz, um Mehr- und Minderwerte der Produkteigenschaften zu modellieren.
Durch die EVA-Analyse wird der geschaffene Mehrwert eines nachhaltigen Produkts gegenüber seiner „nächstbesten Alternative“ (NBA) bestimmt. Hierfür werden alle quantifizierbaren Vor- und Nachteile bewertet und so ein Netto-Wertvorteil abgeleitet. Folgende Dimensionen sind als Teil der EVA-Analyse für nachhaltige Produkte in der Chemieindustrie entscheidend:
 

Kosteneinsparungen und Prozessvorteile:
Nachhaltige Produkte bieten Kunden finanzielle Vorteile durch niedrigere Entsorgungskosten, günstigere Versicherungstarife oder kosteneffizientere Lagerung, Handhabung und Verarbeitung. Zusätzliche Einsparungen entstehen beim Erwerb von CO2-Zertifikaten.

Marktzugang:
Zunehmende regulatorische Vorgaben beeinflussen immer mehr den Zugang zu bedeutenden Absatzmärkten. Fokus auf Nachhaltigkeit kann Unternehmen somit Vorteile in streng regulierten Märkten verschaffen.
Steuervorteile und Förderung:
Durch den Einsatz nachhaltiger Produkte könnten Kunden zunehmend von steuerlichen Anreizen oder staatlichen Förderprogrammen profitieren.

Resilienz und Einkaufsvorteile:
Nachhaltige Produktlinien erhöhen die Resilienz der Lieferketten, mindern das Risiko von Lieferengpässen und helfen, Preisschwankungen abzufedern, was in volatilen Märkten entscheidende Vorteile bietet.
Wettbewerbsvorteile:
Konsumenten sind zunehmend bereit, höhere Preise für Produkte zu zahlen, die sich etwa über den Einsatz von Rezyklaten, nicht-fossilen Rohstoffen oder einen geringeren CO2-Fußabdruck von Wettbewerbern differenzieren.

Positionierung in der Wertschöpfungskette:
Während Unternehmen, die nah am Endkunden agieren, Preisaufschläge für Nachhaltigkeit leichter realisieren können, müssen Upstream­-orientierte Unternehmen das Sustainability Premium entlang der Wertschöpfungskette weitergeben. Sie profitieren insbesondere von Partnerschaften, die den Mehrwert gemeinsam mit Downstream-Partnern an den Endkunden vermitteln.
Die EVA-Methode betrachtet neben den zusätzlichen Vorteilen des nachhaltigen Produkts auch dessen potenzielle Nachteile, wie etwa eine schlechtere Verarbeitbarkeit oder Haltbarkeit. Aus der Differenz dieser Faktoren ergibt sich der Nettowert, also der tatsächliche Wertvorteil des Produkts für den Kunden. Dieser Nettowert dient als Grundlage zur Definition des maximalen Preisaufschlags, den der Kunde akzeptieren kann.
Je nach betrachtetem Produkt und dessen relevanten Nachhaltigkeitsvorteilen können auch andere Value-Pricing-Ansätze, wie bspw. Value Scoring oder anwendungsbezogene Nutzenkalkulatoren, eingesetzt werden.

- Value Selling: Den Mehrwert erfolgreich kommunizieren:
Die Bestimmung eines angemessenen Preispunkts ist für die erfolgreiche Vermarktung grüner Produkte nicht ausreichend. Vielmehr ist auch die Kommunikation des geschaffenen Mehrwerts entscheidend. Durch Value Selling sollen die ermittelten Mehrwerte klar verständlich vermittelt werden. Mit gezielten Argumenten und Tools wie Mehrwertrechnern kann der Vertrieb den Nutzen für den Kunden transparent darstellen. Gezielte Schulungen zu Nachhaltigkeitsthemen helfen zusätzlich, Preisdruck zu reduzieren und Aufpreise erfolgreich umzusetzen.

Handlungsempfehlung

Um die Potenziale nachhaltiger Produkte auszuschöpfen, sollten Chemieunternehmen Nachhaltigkeit aktiv als Differenzierungsmerkmal nutzen. Erfolgreiche Sustainability- Pricing-Strategien basieren auf klarer Segmentierung, Erfassung des Mehrwerts (EVA-Analyse) und dessen gezielte Kommunikation. Hierbei sind spezifische Ansprüche eines Kunden sowie dessen Wettbewerbssituation und Positionierung in der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. Vorteilhaft ist es, strategische Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette aufzubauen, um das Sustainability Premium wirksam zu vermitteln und gemeinsam im Markt zu verankern.

Steffen Kampmann, Partner, Leiter des Bereichs Chemie, Kunststoffe und Rohstoffe, und Benedikt Krämer, Consultant im Bereich Chemie, Kunststoffe und Rohstoffe, Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants,
Osnabrück

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