So führt der deutsche Mittelstand

Eigentümer, Gründer, Patriarch - das Bild des deutschen mittelständischen Unternehmers ist in der breiten Öffentlichkeit immer noch vom Gründungsmythos und dem Bild des Patriarchen, der allein oder im Familienkreis seine Entscheidungen trifft, geprägt. Die am 12. Mai 2011 veröffentlichte Studie der Commerzbank-Initiative Unternehmerperspektive untersucht das Führungsverständnis im deutschen Mittelstand. Dazu wurden 4000 mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz über 2,5 Mio. €. befragt, darunter 168 aus der Chemie- und Pharmabranche.

An der Spitze mittelständischer Chemie- und Pharmaunternehmen gibt es deutlich mehr Manager als Eigentümer: 68 % der Top-Führungskräfte sind angestellt und besitzen keine Anteile am Unternehmen, 18 Prozentpunkte mehr als im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (Grafik 1). Dabei ist Teamführung die Regel: Nur ein knappes Viertel der Unternehmen wird von Alleingeschäftsführern geführt, drei Viertel in Teams von meist zwei oder drei Personen. Die Führungsspitze ist vom Alter her gemischt: ein Drittel der Top-Führungskräfte ist jünger als 45 Jahre, die Mehrheit zwischen 46 und 60 Jahre alt.

Jede fünfte Führungskraft ist eine Frau

„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Mittelstand mit Blick auf Fachkräftemangel und demografische Entwicklung schon jetzt einen besseren Job macht als die Großunternehmen", sagt Markus Beumer, Mitglied des Vorstands der Commerzbank. Dies belegt auch ein Blick auf den Frauenanteil unter den Top-Führungskräfte im Mittelstand: Rund 20 % sind weiblich - ganz gleich wie groß das Unternehmen ist (Grafik 2). Selbst im großen Mittelstand ist knapp jede fünfte Führungskraft an der Spitze eine Frau. Der Anteil von Frauen an der Unternehmensspitze liegt damit deutlich über dem von Großunternehmen und Dax-Konzernen, der laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bei den Top 200-Unternehmen in Deutschland bei 3,5 % liegt. Die Analyse nach spezifischen Wirtschaftszweigen zeigt jedoch, dass in der großen Gruppe des verarbeitenden Gewerbes einzelne Unterbranchen deutlichen Nachholbedarf bei weiblichen Führungskräften haben. Dies gilt für Chemie und Pharma (16 %), aber auch für den Maschinenbau mit 14 % (Grafik 3). Die technischen Zukunftsbranchen sind damit Schlusslicht bei der Frauenquote.

Unternehmer wollen motivieren, aber sachlich-pragmatisch

Befragt nach ihrer Rolle als Führungskraft, sehen sich 75 % der Top-Führungskräfte aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie als unverzichtbare Motivatoren ihrer Belegschaft (Grafik 4). Andere Kernaufgaben im Management wie Kontrolle und Akquisition treten dahinter zurück. Ihren Führungsstil beschreiben die Führungskräfte gleichzeitig als sachlich-pragmatisch. Sie versuchen so, den wechselnden Anforderungen des Tagesgeschäfts gerecht zu werden. Visionäre und Charismatiker sind hier eher die Ausnahme. Es bleibt fraglich, ob der hohe Anspruch eines motivierenden Führungsstils mit diesem sachlich-pragmatischen Führungsverständnis eingelöst werden kann.

In der Personalarbeit setzt die chemische und pharmazeutische Industrie überdurchschnittlich häufig auf formale Instrumente. Das Mitarbeitergespräch ist dabei zentral - 93 % der Unternehmen setzen es ein (Grafik 5). Aus den Gesprächen erwachsen allerdings nicht immer konkrete Maßnahmen: 59 % der Unternehmen führen auch formale Mitarbeiterbewertungen durch, 47 % Führungskräftebewertungen. Somit bleiben immer noch zu viele der Gespräche ohne Konsequenz, auch wenn die chemische und pharmazeutische Industrie deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft liegt.

Führungskompetenz - eine Frage der Erfahrung

In der chemischen und pharmazeutischen Industrie hat externe Führungserfahrung einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert (Grafik 6). Knapp die Hälfte der Top-Führungskräfte bringt Erfahrung aus anderen mittelständischen Unternehmen ein, 29 % haben zuvor in Großunternehmen Führungsaufgaben wahrgenommen - diese Werte liegen weit über dem Durchschnitt. Auch bei der Rekrutierung sind Wettbewerber besonders wichtige Rekrutierungsfelder. Chemie- und Pharma-Unternehmen schauen in der Personalpolitik also „über den Tellerrand", während der mittelständische Durchschnitt in Führungsfragen stark unter sich bleibt.

Die befragten Führungskräfte sind sich einig darin, dass berufliche Erfahrung (99 %), Persönlichkeit (94 %) und Lebenserfahrung (90 %) am meisten bei der Mitarbeiterführung helfen (Grafik 7). Führungskompetenz gilt als Ausdruck der Person, weniger als eine Managementaufgabe, die man auch erlernen kann. Entsprechende Maßnahmen wie Fortbildung, Training oder Fachliteratur sind ihnen jedenfalls deutlich seltener wichtig. Besonders wenig genutzt werden Einzelcoaching und Mentoring (32 %).

Mitarbeiterqualifikation und -bindung im Fokus der Personalarbeit

Die Work-Life-Balance der Mitarbeiter steht für knapp jedes zweite Unternehmen in der Branchen Chemie und Pharma auf der Agenda (Grafik 8). Programme für den Führungskräftenachwuchs gehören hingegen noch nicht zum Standard der Personalarbeit. Noch seltener werden Maßnahmen zur gezielten Frauenförderung umgesetzt.
Zu den großen Themen der Personalarbeit zählen Qualifikation (92 %), Mitarbeiterbindung (84 %)und die Gewinnung qualifizierter Fachkräfte (82 %). Sie gelten auch künftig als die zentralen Herausforderungen der Mitarbeiterführung. Mitarbeiter auf Marktveränderungen vorzubereiten, sehen zudem 69 % der Unternehmen als zentrale Herausforderung. Maßnahmen zur Integration von älteren Arbeitnehmern stehen bei immerhin 61 % der Unternehmen auf der Agenda, fallen aber im Vergleich zu den erstgenannten Themen deutlich zurück. Auch die Integration von ausländischen Mitarbeitern und die Erhöhung des Frauenanteils werden vergleichsweise selten als Herausforderung gesehen.

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