Chemiekonjunktur




Es war ein gutes Jahr für die chemische Industrie in Deutschland. Nach dem außergewöhnlich erfolgreichen Vorjahr setzte die Branche zu Beginn des Jahres 2011 ihren Aufwärtstrend nahezu ungebremst fort.
Bei einigen Chemikalien war die Nachfrage zeitweilig so groß, dass die Produktionskapazitäten nicht ausreichten, um den Bedarf der Kunden zu bedienen. Die Preise hatten aufgrund steigender Rohstoffkosten ebenfalls zugelegt. Und auch die Beschäftigungszahlen entwickelten sich positiv.
Im weiteren Jahresverlauf konnte die chemische Industrie jedoch das hohe Wachstumstempo nicht halten. Die Aufträge gingen zurück, weil viele Kunden angesichts der unsicheren Nachrichtenlage ihre Lagerbestände reduzierten. Dadurch sank die Nachfrage nach Chemikalien und die Chemieunternehmen passten ihre Produktion an. Ungeachtet dieser Abschwächung stieg die deutsche Chemieproduktion in den ersten neun Monaten des Jahres um 5,0 %.
Die Preise legten im gleichen Zeitraum um 5,4 % zu. Der Umsatz kletterte um 9,7 % (Grafik 1). Entsprechend schätzen die Unternehmen die aktuelle Geschäftslage ein. Daran haben auch die Schuldenkrise und konjunkturelle Abschwächung nichts ändern können. 2011 wird ein Rekordjahr für die deutsche Chemieindustrie. Der Branchenumsatz überspringt in diesem Jahr erstmals deutlich die Marke von 180 Mrd. €.
Chemieindustrie drosselte vorübergehend die Produktion
Ungeachtet der Schuldenkrise hat die deutsche und europäische Industrie im bisherigen Jahresverlauf kräftig produziert. Zwar ließ die Dynamik im Jahresverlauf nach. Diese Abschwächung war aber aufgrund der auslaufenden Konjunkturprogramme und der einsetzenden Konsolidierung der Haushalte ohnehin erwartet worden. Entsprechend gelassen reagierte man in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft.
Parallel zur Diskussion über hohe dreistellige Milliardenbeträge für den Euro-Rettungsschirm, die drohende Insolvenz Griechenlands und die Schuldenprobleme in Italien wuchs bei den Bürgern wie den Unternehmen dann aber die Verunsicherung. Dies führte zu Kaufzurückhaltung bei den industriellen Kunden. Die Chemieunternehmen reagierten rasch.
Um Margen und Erträge zu stabilisieren, drosselten sie im zweiten und dritten Quartal die Produktion (Grafik 2). Wegen des guten Jahresbeginns wird die deutsche Chemieproduktion im Gesamtjahr 2011 voraussichtlich um rund 4 % zulegen. Alle Chemiesparten haben zu diesem Erfolg beigetragen.
Preisauftrieb schwächt sich ab
Seit der zweiten Jahreshälfte 2009 kletterten die Erzeugerpreise der Branche von Quartal zu Quartal. Zum Jahresende 2010 waren Chemikalien bereits wieder genauso hoch wie vor der Krise. Im Jahresverlauf 2011 beschleunigte sich der Preisauftrieb angesichts steigender Rohstoffkosten, gut ausgelasteter Produktionskapazitäten und einer hohen Nachfrage.
Seit dem Sommer legten die Chemikalienpreise jedoch nur noch leicht zu (Grafik 3). Hier machte sich die Kaufzurückhaltung der Kunden bereits bemerkbar. Da jedoch auch die Preise für Naphtha und andere wichtige Rohstoffe der Branche nicht weiter zulegten, blieben die Margen stabil. Chemikalien und Pharmazeutika werden 2011 durchschnittlich 5 % teurer sein als ein Jahr zuvor.
2011: Chemieumsätze steigen um 9 %
Angesichts steigender Chemikalienpreise und einer starken Nachfrage nach deutschen Chemikalien im In- und Ausland legte der Branchenumsatz zu Jahresbeginn 2011 deutlich zu. Im zweiten und dritten Quartal jedoch war die Mengenentwicklung rückläufig. Dies konnte nicht ganz durch die Preiszuwächse ausgeglichen werden, so dass wegen der schwächeren Nachfrage nun auch die Umsätze im Verlauf zurückgingen (Grafik 4). Der Gesamtumsatz der deutschen chemischen Industrie wird 2011 um 9 % auf insgesamt 186,5 Mrd. € steigen.
Das Geschäft mit Kunden im Ausland entwickelt sich dabei etwas dynamischer als im Inland. Der Auslandsumsatz der deutschen Chemieunternehmen steigt um 10 % auf 109,1 Mrd. €. Der Inlandsumsatz legt parallel um 7,5 % zu und erreicht ein Volumen von 77,4 Mrd. €.
2,5 % mehr Beschäftigte als im Vorjahr
Die gute Chemiekonjunktur des Jahres 2011 hatte auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Unternehmen stellten wieder neues Personal ein, nachdem in der Wirtschaftskrise freigewordene Stellen zunächst nicht neu besetzt worden waren. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche nimmt daher 2011 um 2,5 % zu. Insgesamt beschäftigt die Chemieindustrie aktuell rund 425.000 Mitarbeiter.
Schuldenkrisen dämpfen Erwartungen
Rekordwert beim Umsatz, Produktion über Vorkrisenniveau, Forschungsausgaben erhöht, Beschäftigung aufgebaut: 2011 war in vieler Hinsicht ein gutes Jahr für die chemische Industrie in Deutschland. Für 2012 erwartet die Branche aufgrund der ungelösten Staatsschuldenkrise und der daraus resultierenden Verunsicherung von Bürgern und Unternehmen niedrigere Zuwächse.
Von einer Krisenstimmung kann aber keine Rede sein. Die aktuelle Lage der Branche wird von den Unternehmen nach wie vor positiv eingeschätzt. Die Manager sind krisenerprobt. Sie blicken daher vergleichsweise gelassen auf die sich abzeichnende Konjunkturabschwächung.
Die Realwirtschaft ist nach wie vor stabil. Nach derzeitigen Expertenschätzungen wird das Bruttosozialprodukt in Deutschland und der EU 2012 um rund 1 % ansteigen - wovon auch die Industrie profitiert. Da rund 80 % der Produktion chemischer Erzeugnisse an industrielle Abnehmer gehen, besteht kein Grund, dass die Chemie nicht in ähnlicher Größenordnung zulegen sollte.
Hierfür sprechen auch die mittlerweile niedrigen Lagerbestände für Chemikalien bei den Industriekunden. Auch von den Ölpreisen droht keine Gefahr. Stabilisierend für das deutsche Chemiegeschäft wirkt zudem die hohe Dynamik auf den Exportmärkten in Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Die nach wie vor ungelösten Schuldenkrisen in den USA und Europa bleiben aber ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Wenn größere Rückschläge ausbleiben, wird die deutsche Chemieproduktion im kommenden Jahr um 1 % wachsen.
Die Chemikalienpreise steigen nur noch leicht (+1,0 %). Für den Branchenumsatz ergibt sich ein Zuwachs von 2 %. Der Auslandsumsatz sollte sich erneut etwas besser entwickeln als das Inlandsgeschäft.
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