Logistik & Supply Chain

Von der Supply-Chain-Planung bis zum Lkw-Transport

Nachhaltigkeit wird elementarer Teil der Logistikprozesse in der Chemie- und Pharmabranche

14.08.2024 - Nachhaltigkeit wird zunehmend in die Logistikprozesse der Chemie- und Pharmabranche integriert. Dafür sorgen zum einen gesetzliche Treiber wie die EU-Richtlinie CSRD oder die EU-Verpackungsverordnung. Zum anderen erkennen immer mehr Unternehmen, dass nachhaltiges Wirtschaften eine Chance darstellt, das eigene Geschäftsmodell zukunftsfähig aufzustellen.

Viele Betriebe haben mittlerweile Strategien und Maßnahmenkataloge für mehr Nachhaltigkeit aufgestellt. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus? Welche Aktivitäten haben sich bewährt? Wo gibt es noch Handlungsbedarf? Anlässlich der Achema haben sich Bruno Lukas und Thorsten Kritzer von CHEManager bei Unternehmen umgesehen, um ein Stimmungsbild einzufangen. Die gute Nachricht: Viele Betriebe haben sich bereits auf den Weg gemacht und sind aktiv bei der CO2-Minderung und Transformation.

Digital-Twin-Simulationen zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks

Einen ganzheitlichen Ansatz im CO2-Footprint-Monitoring verfolgt Siemens mit dem Digital-Logis­tics-Portfolio, das auf der Achema vorgestellt wurde. Auf der operativen Ebene werden Purchase Order und die weltweiten Transportaktivitäten – wenn nötig in Echtzeit – erfasst. Die Planungs- und Optimierungsebene ermöglicht es, über einen „Digital Twin“ den CO2-Fußabdruck von Produkten, die gerade in der Designphase sind, zu simulieren. Einflussfaktoren sind etwa die Auswahl der verarbeiteten Materialien oder der Standort der Zulieferer. Dieser „Carbon Calculator“ wird idealerweise in der Produktentwicklung eingesetzt. Dieser Ansatz wird bei Siemens „Shift-Left Logistics“ genannt, da logistische Aspekte schon zu einem frühen Zeitpunkt des Produktlebenszyklus berücksichtigt werden. Neben Kosten, Service, Qualität und Resilienz der Lieferkette ist der CO2-Footprint ein Kriterium, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. „80 % des CO2-Fußabdrucks werden bereits in der Produktentwicklung festgelegt“, betont Björn Baur, Senior Director Consulting bei Siemens Digital Logis­tics. „Es geht deshalb stets um das sinnvolle Ausbalancieren der genannten Kriterien unter Einbeziehung des CO2-Footprints. Die Simulation zeigt uns dabei einen Lösungsraum auf und wir können auf dieser Basis verschiedene Szenarien durchspielen, mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Kriterien. Unser Digital Twin hilft unseren Kunden, darüber hinaus ganzheitliche Optimierungen Ihrer Lieferketten durchzuführen.“

Bessere Planbarkeit von Supply Chains und alternative Antriebe

Wie entscheidend die Planung von Supply Chains den CO2-Fußabdruck beeinflussen kann, bestätigt Infraserv Logistics. Als Logistik-Tochter der Infraserv-Gruppe ist das Unternehmen für die Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik verantwortlich. Bis zu 1.200 Schiffsladungen jährlich werden organisiert und koordiniert, ergänzt von der Anlieferung mit der Güterbahn sowie Lkw. Das Ziel der Infraserv-Gruppe ist die CO2-Neu­tralität der betrieblichen Aktivitäten, gemäß dem „Europäischen Green Deal“, bis 2050. Der Mutterkonzern Infraserv ist CSRD-berichtspflichtig. Die Logistik-Tochter erfasst den CO2-Fußabdruck sämtlicher betrieblicher Aktivitäten jährlich. „Entscheidend ist bei der Aufstellung des CSRD-Berichts die sogenannte Wesentlichkeitsanalyse: Sie legt fest, welche betrieblichen Aktivitäten einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit des Unternehmens und die Umwelt haben“, sagt Kai-Uwe Tebbe, Vice President Marktkommunikation bei Infraserv Logistics. Dies umfasse die Beschaffungs-, Produktions- und Transportlogistik, aber herausfordernd sei z.B. auch die geforderte CO2-Erfassung der Pendlerfahrten der Mitarbeitenden.

In der eigenen Transportlogistik setzt Infraserv zunehmend auf Nachhaltigkeit durch den Einsatz alternativer Antriebe. So werden technologieoffen z.B. Elektro-Lkw auf ihren Einsatz getestet sowie auch alternative Kraftstoffe wie HVO (Dieselersatztreibstoff). Die Stapler-Flotte wird zeitnah vollständig elektrifiziert. Beim Lkw würde Infraserv vorteilhafterweise auf den Wasserstoffantrieb setzen, denn der Kraftstoff wird direkt am Standort produziert. „Infraserv hat bereits in 2006 die erste Lkw/Pkw Wasserstoff-Tankstelle in Hessen eröffnet.“ Der Einsatz von Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzelle erfordere allerdings noch die Freigabe für den ADR-konformen Transport von Gefahrgut.

Als weitere Maßnahmen führt Tebbe die Zentralisierung von Lagerstandorten sowie die Verlagerung von weiteren Transporten auf das Binnenschiff an, der Transportart mit dem geringsten CO2-Fußabdruck je Tonnenkilometer. Nicht zuletzt macht er sich dafür stark, dass der jeweilige Einkauf den CO2-Footprint der eingekauften Produkte mitliefert, um die CO2-Bilanzierung zu vereinfachen

Ein ganzheitlicher Ansatz vom Fuhrpark bis zum Neubau

Der Besuch bei Stöcklin zeigt, dass sich auch die Produzenten von Flurförderzeugen konsequent umstellen. Der Schweizer Premiumhersteller liefert seine Gabelstapler nur noch mit Elektroantrieb auf Basis langlebiger LFP-Batterien aus. „Die Lithium-Batterie erlaubt es, in unserem Marktsegment komplett auf den dieselbetriebenen Stapler zu verzichten“, sagt Valentin Adelfio, Senior Vice President für die Business Unit Lift Trucks. Dabei bietet der Schweizer Hersteller eine eigene Baureihe an Staplern, die ATEX-zertifiziert sind und in Ex-Zonen auch laden können. Stöcklin verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz in der Nachhaltigkeit. Dieser sieht bspw. vor, dass Stapler-Batterien nach dem Ende ihres ersten Lebenszyklus in der Mobilität einem zweiten Einsatz zugeführt werden – z.B. als Energiespeicher an Betriebsstandorten. Zudem setzt das Unternehmen auf Fotovoltaikanlagen. Ihren Neubau errichtete Stöcklin in nachhaltiger Bauweise mit Erdsonden zur Heizung sowie Kühlung und ohne die Notwendigkeit, eine Klimaanlage zu installieren. Zudem wird der eigene Fuhrpark konsequent auf Elektroantrieb umgestellt.

Mehr Transparenz in den Transportketten und wiederverwendbare Container

Packwise zeigte anlässlich der Achema, was bei der Transportverpackung in Sachen Nachhaltigkeit mittlerweile möglich ist – vom Werkstoff bis zur Optimierung der Supply Chains. Das Dresdner Unternehmen stellt Chemielogistikern ein Hardware- und Software-System zur Überwachung von IBC-Con­tainern zur Verfügung. Mittels eines Systems zum Tracken von Position und Container-Füllstand können Logistiker eine bisher nicht gekannte Transparenz in ihre Transportketten bringen. „Somit können unsere Kunden Ladungen konsolidieren und Leerfahrten vermeiden“, sagt Packwise-Geschäftsführerin Gesche Weger. „Das erlaubt ihnen, die Logistikprozesse zu optimieren und damit maßgeblich CO2 und Kosten einzusparen“. Ein weiterer Service zielt auf die Wiederverwendung von neuen Multi-Use-Containern ab, denn die EU-Verpackungsverordnung sieht einen Pflichtanteil von recyceltem Verpackungsmaterial auch in diesem Bereich vor. „Damit gehen wir weg von der Wiederverwertung hin zur Wiederverwendung der IBC-Container“, so Weger.

Energieautarkie von Gebäuden als Motivator für Lagerhausbetreiber

Tillman Gauer von IO Consultants beleuchtete schließlich die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Branche aus Sicht eines Beratungshauses. Das Heidelberger Unternehmen berät u.a. die Pharmabranche ganzheitlich, auch bei Nachhaltigkeitsanforderungen wie dem neuen CSRD-Reporting. Der Consultant umriss die Trends in der Lagerlogistik, denn neben dem Transport tragen auch Warehouses zum CO2-Fußabdruck der Logistik bei. Großes Thema sei die energetische Ertüchtigung von bestehenden Logistiklagern. Ein großer Motivator für Lagerhausbetreiber sei die Energieautarkie von Gebäuden, weshalb das Interesse an der Installation von Fotovoltaikanlagen auf den Dachflächen zunehme. Gauer wies dabei auch darauf hin, dass durch steigende Anforderungen seitens des Gesetzgebers Lösungen oft schon vergleichsweise nachhaltig sind, z.B. über das Erneuerbare-Wärme-­Gesetz in Baden-Württemberg. Mit diesem Ansatz werden auch die Pioniere belohnt und gleichzeitig nachhaltige Lösungen – auch kurzfristig durch höhere Standardisierung – wirtschaftlich. Großes Potenzial sieht der Unternehmensberater im netzdienlichen oder sogar bidirektionalen Laden. Erstere Technologie passt den elektrischen Bedarf an das Angebot an erneuerbaren Energien im Stromnetz an. Letzteres ermöglicht es sogar, dass Elektrofahrzeuge auch Energie an das Gebäude zurückgeben können, wenn diese dort dringender benötigt werde. „Über dieses Zurückspeisen von Strom lassen sich Erzeugungsspitzen glätten oder zeitlich verschieben“, was der Entlastung des Netzes diene.

Autor: Bruno Lukas, Gründer, Green Logistics Enabler Unternehmensberatung, Berlin

Zur Person

Bruno Lukas ist Gründer und Inhaber der Berliner Logistik-Beratungsfirma Green Logistics Enabler. Lukas studierte Geografie in Bayreuth und BWL an der Fernuniversität Hagen. Er arbeitete mehrere Jahre in der Logistikbranche, bevor er seine eigene Beratungsfirma gründete. Lukas ist Spezialist für nachhaltige Logistikprozesse und unterstützt Verlader und Spediteure bei der Umstellung auf emissionsfreie Transportlogistik.

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