Technologiemix für komplexe Kunststoffabfälle
Eine Kombination von mechanischen und chemischen Recyclingverfahren schont Ressourcen und die Umwelt
Durch eine Kombination aus mechanischem und chemischem Recyclingverfahren können selbst aus den komplexesten Kunststoffabfällen wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und recycelt werden. Doch wie gelingt die Kombination der Verfahren in der Praxis? Und für welche komplexen Abfallströme kommt eine Kombination der Verfahren überhaupt in Frage?
Durch eine kluge Kombination von verschiedenen Recyclingverfahren können Unternehmen ihre Wertschöpfung steigern und noch mehr Ressourcen aus Ihren Kunststoffabfällen zurückgewinnen. Doch dabei gibt es einige Fallstricke zu beachten. „Je mehr Sie beim Recycling in die Polymehrstruktur eingreifen, desto mehr Energie müssen Sie aufwenden. Daher gilt die einfache Faustregel: Alles, was Sie technisch und ökonomisch sinnvoll mechanisch recyceln können, sollten Sie auch mechanisch recyceln“, erklärt Alexander Kronimus, Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, dem Verband der Kunststofferzeuger.
Beim mechanischen Recycling werden Kunststoffe zunächst sortenrein getrennt, zerkleinert und anschließend umgeschmolzen. Perspektivisch stehen aber zusätzlich zu diesen Verfahren eine ganze Bandbreite an weiteren chemischen und lösungsmittelbasierten Recyclingverfahren zur Verfügung. Diese Verfahren kommen dann in Frage, wenn mechanisches Recycling an seine Grenzen stößt, bspw. bei stark gemischten oder verunreinigten Kunststoffabfällen oder wenn Rezyklat in einer besonders hohen Qualität gebraucht wird, wie für kontaktsensitive Anwendungen, etwa bei Lebensmittelverpackungen.
Kosten und Nutzen abwägen
„Chemische Recyclingverfahren ermöglichen es – sehr vereinfacht gesagt – „die Polymerisation rückgängig zu machen und die langen Polymerketten in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen“, erklärt Kronimus. „Je weiter man diesen Prozess zurückdreht, umso mehr Aufwand ist auch nötig, um die entstehenden Öle und Gase wieder aufzubereiten und neu zu polymerisieren. Dieser Schritt braucht auch die meiste Energie im Prozess. Daher sollte man sich stets für eine Kombination von Recyclingverfahren entscheiden, die das Recycling von Abfallströmen maximiert, dies jedoch zugleich bei einem minimalen Umweltfußabdruck ermöglicht. Das heißt, die Polymerstruktur sollte durch die komplementär eingesetzten Recyclingverfahren so viel wie nötig und zugleich so gering wie möglich degradiert werden“, erläutert der Geschäftsführer des Kunststofferzeugerverbands.
Lässt sich das Material sortenrein trennen?
„Mechanisches Recycling ist ohne Frage die ressourceneffizienteste Methode, um Kunststoffabfälle zu recyceln“, erklärt Kronimus. Selbst bei stark gemischten oder verunreinigten Kunststoffabfällen können durch zusätzliche Investitionen in KI-gestützte Sortieranlagen, bessere Sensoren und Tracing-Technologien meist noch mehr Rohstoffe aus den Kunststoffabfällen zurückgewonnen werden.
Wie weit kommen lösemittelbasierte Verfahren?
Doch selbst sortenreine Kunststoffabfälle können beim mechanischen Recycling gelegentlich problematisch werden, etwa wegen Druckfarben oder schwierigen Oberflächen. Lösemittelbasierte Verfahren bieten hier eine gute Ergänzung zu mechanischen Recyclingverfahren, um die Qualität des Rezyklats noch zu verbessern, ohne jedoch in die Polymerstruktur einzugreifen, wie es beim chemischen Recycling der Fall ist. Mithilfe von Additiven im Lösungsmittel kann das Recycling der Kunststoffabfälle erleichtert werden. Diese Verfahren helfen bspw. beim Entschäumen, Entfärben, Entfeuchten von Kunststoffabfällen und der Geruchsbehandlung. „Wenn Sie Rezyklat in besonders hoher Qualität brauchen, müssen Sie nicht sofort die Polymerstruktur aufbrechen. Prüfen Sie zunächst, ob sie Ihr Ziel auch mit lösungsmittelbaiserten Verfahren erreichen können“, rät Kronimus.
Ist eine Depolymerisation möglich?
Sollte tatsächlich Rezyklat mit Virgin-Qualität benötigt werden, z. B. für den Einsatz in Lebensmittelverpackungen, kann man immer noch auf chemische Recyclingverfahren zurückgreifen. Ein relativ schonendes Verfahren ist bspw. die Depolymerisation mittels Solvolyse, die ideal für sortenreine Abfälle, bspw. aus PC, PMMA, PA oder PET geeignet ist. Dabei werden die Polymere bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen in kürzere Ketten aufgebrochen.
Für welche Abfallströme kommt Pyrolyse in Frage?
Für gemischte oder verunreinigte Kunststoffabfälle kann es notwendig sein, auf invasivere chemische Recyclingverfahren wie Verölung oder Pyrolyse zurückzugreifen. „Bei der Pyrolyse können je nach Abfallfraktion und Recyclingverfahren 50 bis 80 % des Kohlenstoffs aus gemischten Kunststoffabfällen zurückgewonnen werden. Doch je besser die Abfälle im Vorfeld sortiert sind, desto höher ist auch die Materialausbeute und desto weniger spezifische Energie braucht auch der Recyclingprozess“, erklärt Kronimus. „Aufwand und Effizienz der Sortierung können also darüber entscheiden, ob das Verfahren wirtschaftlich ist oder nicht. Investitionen in chemisches Recycling sollten in den meisten Fällen Hand in Hand mit Investitionen in mechanisches Recycling gehen.“
Wann ist nur noch Verbrennung möglich?
Selbst aus Reststoffen, die bislang nur verbrannt werden konnten, lassen sich oft noch wertvolle kohlenstoffhaltige Sekundärrohstoffe zurückgewinnen. „Für viele Unternehmen könnte chemisches Recycling daher eine gute und nachhaltigere Alternative zur Verbrennung darstellen“, schlussfolgert Kronimus. „Unternehmen können beispielsweise mit Betreibern chemischer Recyclingablagen eine Begutachtung und Probeläufe mit Probematerial vereinbaren, um die Recycingfähigkeit von Abfallströmen festzustellen. In vielen Fällen wird das für Unternehmen lukrativer sein, als die Kunststoffabfälle bloß zu verbrennen.“
Alexander Kronimus, Geschäftsführer, Plastics Europe Deutschland, e.V., Frankfurt am Main
Lesen Sie mehr über das Thema Kunststoffrecycling in der CHEManager-Serie mit Beiträgen verschiedener Unternehmen und Konsortien.