Innovation in der Film- und Topfkonservierung
Ein Katalysatorsystem bietet eine Lösung im Einklang mit der Regulatorik
Die Zahl der zugelassenen Wirkstoffe für die Film- und Topfkonservierung hat sich stark reduziert. Ein neues antimikrobielles Katalysatorsystem kann die Lösung sein.
Ein winziger Bestandteil von weit unter einem Prozent in der Formulierung von Farben und Lacken entscheidet darüber, ob ein Produkt auf dem Markt bleiben darf oder nicht. Die Rede ist von Bioziden, die antimikrobiell gegen Bakterien, Pilze und andere Mikroben wirken und zur Topfkonservierung und Filmkonservierung eingesetzt werden.
Biozide in der Film- und Topfkonservierung
Topfkonservierungsmittel sorgen dafür, dass die Farbe im Topf vor Keimwachstum geschützt ist. Denn sind erst einmal Bakterien in der Farbe, macht sich schnell ein sehr unangenehmer Geruch bemerkbar, zumal die Bakterienzahl exponentiell ansteigt. Sind dagegen Pilzsporen im Eimer, bildet sich nach einigen Tagen oder sogar Wochen ein dicker Schimmelbelag. In beiden Fällen wird die Farbe unbrauchbar.
Filmkonservierungsmittel hingegen werden eingesetzt, um die aufgetragenen Farben und Lacke vor mikrobiellem Befall zu schützen. Dies spielt vor allem bei Fassadenfarben und Antifouling-Lacken eine Rolle.
Biozide sind streng reguliert
Bis Mitte der 90er Jahre konnten Biozide ohne Zulassungsverfahren auf den Markt gebracht werden. Mit der 2012 in Kraft getretenen Biozidverordnung wurden neue Regeln und Vorschriften für die Verwendung von Bioziden in Europa eingeführt. Die Verordnung soll den Schutz von Mensch und Umwelt verbessern, indem sie die Verwendung von Bioziden einschränkt und die Zulassungsverfahren für diese Stoffe verschärft.
Die Verordnung legt genau fest, welches Verfahren eine neue antimikrobielle Technologie durchlaufen muss, bevor sie zugelassen werden kann. Darüber hinaus wurde in der Biozidverordnung auch festgelegt, dass alle bereits damals auf dem Markt verfügbaren antimikrobiellen Technologien sich einer Überprüfung nach den neuen Regeln unterziehen müssen.
Dies stellt insbesondere für die Film- und Topfkonservierung eine große Herausforderung dar. Bis heute, nach mehr als zehn Jahren Evaluierungsphase, sind von den 61 Topfkonservierungsmitteln erst 18 % zugelassen, 31 % wurden bereits ausgeschieden und die restlichen 51 % warten noch auf ihre Prüfung. Bei den Filmkonservierungsmitteln sieht es nicht viel besser aus.
Langanhaltende Lösung im Einklang mit der Regulatorik
AGXX ist eine neue antimikrobielle Technologie, die auf Redoxreaktionen und mikroelektrischen Feldeffekten basiert. Durch die Wechselwirkung zweier Edelmetalle – Silber und Ruthenium – wird eine katalytische Reaktion ausgelöst, bei der in Gegenwart von Wasser und Sauerstoff reaktive Sauerstoffspezies (ROS) entstehen, die mit Mikroorganismen reagieren und diese abtöten. Darüber hinaus beeinflusst das vorhandene mikroelektrische Feld wichtige Funktionen der Zellmembran und beschleunigt die Abtötung der Mikroorganismen.
„Die Technologie zeigt eine antimikrobielle Wirksamkeit gegen mehr als 130 Mikroorganismen, darunter Bakterien, Viren, Algen und Pilze.“
Die Technologie zeigt eine antimikrobielle Wirksamkeit gegen mehr als 130 Mikroorganismen, darunter Bakterien, Viren, Algen und Pilze. Im Unterschied zu anderen antimikrobiellen Technologien beruht der Wirkmechanismus nicht auf der Freisetzung von Metallionen oder schädlichen Verbindungen in die Umwelt und bietet einen langanhaltenden Schutz, z.B. als Topf- und Filmkonservierungsmittel.
Aufgrund seines Wirkmechanismus gehört AGXX zur Wirkstoffklasse der freien Radikale, die sich derzeit noch im Zulassungsverfahren der ECHA befinden. Der Einsatz ist aber bereits heute gemäß Artikel 93 Verordnung über Biozidprodukte (BPR) in verschiedenen Anwendungen erlaubt.
Einsatz in der Film- und Topfkonservierung
Die Technologie wurde bereits erfolgreich in Versuchen zur Topfkonservierung eingesetzt und zeigte dabei eine langanhaltende antimikrobielle Wirkung. Dazu haben unabhängige Labore Tests nach IBRG-P16 durchgeführt. Dabei wurde die mit AGXX ausgerüsteten Farbproben wöchentlich mit Teststämmen beimpft. Die derart ausgerüsteten Innenfarben zeigten eine hervorragende antimikrobielle Wirkung, so dass kein mikrobielles Wachstum auf den Farben, selbst nach mehreren Wochen bzw. Beimpfungen, nachweisbar war.
Um die Funktionalität des Produkts als Filmkonservierungsmittel nachzuweisen, wurden Tests nach ISO 22196 gegen S. aureus und E. coli durchgeführt. Dazu wurde AGXX in eine biozidfreie Innenfarbe und in einen biozidfreien Polyurethanlack eingearbeitet. In der Innenfarbe zeigte sich eine antimikrobielle Wirksamkeit gegen beide Bakterienstämme, im Polyurethanlack eine sehr gute Wirksamkeit gegen die S. aureus-Stämme und eine geringere antimikrobielle Wirksamkeit gegen die E. coli-Stämme. Es können somit Farben und Lacke mit Topf- und Filmkonservierung ohne Auslaugung umweltschädlicher Substanzen ausgestattet werden.
Test der Farbechtheit
Neben der antimikrobiellen Wirksamkeit eines Konservierungsmittels ist es wichtig, dass das zugesetzte Additiv die Farbechtheit auch über einen längeren Zeitraum nicht beeinträchtigt. Um den Erhalt der Farbechtheit beim Einsatz der Technologie nachzuweisen, wurden beschleunigte Bewitterungstests (QUV-Tests nach ISO 16474- 3) durchgeführt. Dazu wurden die AGXX-haltigen Proben 500 Stunden in einem Bewitterungstester gelagert und wöchentlich einer Farbbestimmung im Vergleich zur AGXX-freien Referenz unterzogen. Im Endergebnis konnten kaum Unterschiede zwischen der antimikrobiellen Farbe und der Referenz festgestellt werden.
Autoren: Martin Danz, Co-Head Antimicrobial Technologies, und Marie-Lena Harwardt,
Co-Head Antimicrobial Technologies, Heraeus Deutschland
ZUR PERSON
Marie-Lena Harwardt hat einen Hintergrund in Chemie und Biochemie und kam 2020 zu Heraeus Precious Metals. Im jungen Team für antimikrobielle Technologien baut sie Partnerschaften zu Instituten und Kunden auf, um das antimikrobielle Portfolio von Heraeus optimal an verschiedene Anwendungen anzupassen. Gemeinsam mit dem Innovationsteam treibt sie die technologische Entwicklung und Optimierung sowie die antimikrobielle Prüfung voran.
ZUR PERSON
Martin Danz hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Er ist seit mehr als 11 Jahren in verschiedenen Positionen bei Heraeus tätig. Seit der Gründung der Wachstumsplattform „Antimicrobial Technologies“ von Heraeus Precious Metals Mitte 2021 ist er für diese hauptverantwortlich. Gemeinsam mit seinem Team sondiert Danz den Markt nach innovativen antimikrobiellen Technologien. Derzeit konzentrieren sich die Aktivitäten auf die AGXX-Technologie.