Dow Corning und Wacker: Partnerschaft für Effizienz
Dow Corning und Wacker eröffnen gemeinsamen Produktionsstandort in China
Dow Corning und Wacker zählen zu den weltweit führenden Anbietern siliciumbasierter Produkte. Um ihre jeweiligen Kunden in China und in der Region Asien noch besser bedienen zu können, haben die beiden Unternehmen gemeinsam mit einem Investitionsvolumen von rund 1,8 Mrd. US-$ den größten Produktionsstandort für Silicone in China errichtet. Mitte November haben Dow Corning und Wacker den gemeinsamen integrierten Produktionskomplex für Silicone in Zhangjiagang eröffnet. Was hat die beiden Wettbewerber zu dieser Partnerschaft bewogen? Dr. Michael Reubold befragte dazu Dr. Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie, und Klaus Hoffmann, Regional President Western Europe und Xiameter Commercial Director Europa bei Dow Corning.
CHEManager: Es ist nicht alltäglich, dass zwei im Wettbewerb stehende Unternehmen, gemeinsam einen neuen Produktionsstandort aufbauen. Was sind die Hauptgründe für diese Zusammenarbeit?
Rudolf Staudigl: Wir betreiben eine gemeinsame Upstream-Anlage zur Herstellung von Siloxan und pyrogener Kieselsäure. Aber Downstream agieren unsere Unternehmen nach wie vor selbstständig und unabhängig voneinander. Das gilt für die Produktion von Siliconprodukten ebenso wie für deren Vertrieb und Vermarktung. Insofern bleiben wir Wettbewerber, trotz der gemeinsamen Produktionsanlagen.
Beide Unternehmen haben erkannt, dass es auf Dauer ökonomisch und ökologisch unsinnig ist, Silicone in ein Land zu liefern, das jedes Jahr um 10 % wächst und mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist. Ein solch dynamisches Wachstum kann man nur mit einer eigenen Produktion im Land begleiten. Allerdings braucht man dafür zwei Rohstoffe: Siloxan und pyrogene Kieselsäure. Die Herstellung dieser Rohstoffe rechnet sich betriebswirtschaftlich nur in Großanlagen. Deshalb haben Wacker und Dow Corning hier ihren Bedarf gebündelt und gemeinsam investiert.
Klaus Hoffmann: Asien ist Dow Cornings größter und am schnellsten wachsender Markt. Vor der Eröffnung des integrierten Produktionskomplexes mussten wir unsere Kunden in Asien aus unseren Werken in Europa und den USA bedienen. Unsere beiden Werke dort waren vollständig ausgelastet. Um in Europa und den USA wieder freie Kapazitäten für Innovation mit unseren Kunden zu schaffen und zugleich die stark wachsende Nachfrage nach Siliconen in China und Asien mit einer Produktion vor Ort zu beliefern, haben wir uns für einen Produktionskomplex in China entschieden: ein Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 1,8 Mrd. US-$. Dabei haben wir die effizienteste Lösung gesucht.
Wie sind die gemeinsamen und die getrennten Aktivitäten am Standort Zhangjiagang geregelt? Wer betreibt die Infrastruktur und Energieversorgung am Standort?
Klaus Hoffmann: Die Anlagen zur Herstellung von Siloxan und pyrogener Kieselsäure betreiben Dow Corning und Wacker gemeinsam. Diese Zusammenarbeit ermöglicht Kosten- und Qualitätsvorteile, die wir an unsere Kunden weitergeben. Dow Corning ist Mehrheitseigner bei der Siloxanproduktion und Wacker bei der Herstellung von pyrogener Kieselsäure. Deshalb wird auf der operativen Ebene die Siloxanproduktion von Dow Corning, die Herstellung von pyrogener Kieselsäure von Wacker gemanagt.
Rudolf Staudigl: Alle Kosten, beispielsweise für Wasser, Energie und für die Infrastruktur, werden anteilig verrechnet. Für ihre Downstream-Anlagen sind Wacker und Dow Corning jeweils alleine zuständig.
Welche Rolle spielte und spielt der Schutz der jeweiligen Patente und des geistigen Eigentums an Technologien bei einer solchen Partnerschaft?
Rudolf Staudigl: Wacker und Dow Corning sind auf dem Gebiet der Silicone Technologieführer. Wir sind deshalb so erfolgreich, weil wir qualitativ hochwertige und innovative Produkte herstellen. Insofern ist Know-how-Schutz für uns sehr wichtig. Deshalb haben wir eine klare Vereinbarung: In den gemeinsamen Upstream-Anlagen hat der Mehrheitsgesellschafter nicht nur operativ, sondern auch technologisch das Sagen. Im Fall der Siloxan-Anlagen ist dies Dow Corning, bei den Kieselsäure-Anlagen Wacker. Das gilt entsprechend auch für den Know-how-Schutz.
Klaus Hoffmann: In den Arealen dieser Upstream-Anlagen bleibt also die gesamte Intellectual Property getrennt. In den Downstream- und Finishing-Bereichen sind wir ja weiterhin Wettbewerber und dort besitzt und schützt jedes Unternehmen ohnehin seine eigene IP.
Haben Ihre Unternehmen bereits in der Vergangenheit ähnliche Partnerschaften zum Aufbau oder Betrieb von Produktionsanlagen vereinbart und können Sie sich vorstellen, künftige Investitionen in ähnlicher Konstellation zu realisieren?
Klaus Hoffmann: Mit dem Joint Venture Hemlock Semiconductor ist Dow Corning sehr erfolgreich. Das Unternehmen, das seit 2005 Investitionen von knapp 5 Mrd. $ bekannt gegeben hat, ist ein führender Anbieter von Polysilizium und anderen Produkten auf Siliziumbasis, die bei der Fertigung von Halbleiterbauelementen sowie Solarzellen und -modulen zum Einsatz kommen. Dow Corning ist Mehrheitseigner des Joint Venture mit zwei in Japan ansässigen Minderheitseignern. Ähnliche Partnerschaften wie hier in China hat Dow Corning nicht.
Rudolf Staudigl: Wacker hat bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Partnerschaften sammeln können. Ich denke da etwa an unser Joint Venture mit Samsung Electronics in Singapur. Seit 2008 produzieren wir dort gemeinsam 300-mm-Wafer für die Computer- und Elektronikindustrie. Allerdings verwendet Samsung diese Wafer für die eigene Produktion, ist also unser Kunde und kein Konkurrent, wie dies in Zhangjiagang der Fall ist. Insofern kann man das nur bedingt mit dem Joint Venture mit Dow Corning vergleichen. Grundsätzlich sollte man sich neuen Ideen und Visionen, auch im Bereich der Rohstoffproduktion, nicht verschließen. Wir haben aber immer gesagt, dass wir aus eigener Kraft wachsen wollen, und das werden wir auch weiterhin tun.
Vorwettbewerbliche Kooperationen, z.B. bei F&E, sind bereits in vielen Branchen etabliert. Werden auch solche Produktionskooperationen zwischen Wettbewerbern in Zukunft zahlreicher, um mit Synergien neue Märkte zu erschließen?
Rudolf Staudigl: Das kommt immer darauf an, wie man den Begriff Produktionskooperation definiert. Beschränkt sich die Kooperation auf die Bereitstellung von Rohstoffen, wie das bei unserem Joint Venture in China der Fall ist, ist eine solche Partnerschaft in der chemischen Industrie durchaus üblich.
Klaus Hoffmann: Kooperativ zu arbeiten mag zunehmen, weil Firmen nach dem effizientesten und wirtschaftlichsten Weg suchen, ihre Kunden zu bedienen. Im F&E Bereich arbeiten wir in einer ganzen Reihe von Kooperationen mit Kunden, akademischen Einrichtungen und anderen privaten Organisationen zusammen, um Innovationen im Produktbereich, bei Geschäftsmodellen und Prozessen voranzutreiben - und manchmal schaffen diese Kooperationen Möglichkeiten für einzigartige geschäftliche Arrangements.
Der Bau des Standorts Zhangjiagang begann 2006. Seitdem hat sich das wirtschaftliche Umfeld gewandelt. Hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise etwas an Ihrem Engagement und an Ihrem Glauben an Chinas Zukunft als Absatzmarkt für Siliconprodukte geändert?
Rudolf Staudigl: Nein, überhaupt nicht. China wird auch weiterhin einer der wichtigsten Absatzmärkte bleiben. China war eines der ersten Länder, das sich von der Finanzkrise erholt hat. 2009 wuchs dort das Bruttoinlandsprodukt trotz Krise um 9 %. Wenn die Wirtschaftsforscher Recht behalten, werden es heuer sogar 10 % werden. Von diesem robusten Wachstum haben auch wir profitiert. In der Region Greater China hat Wacker 2009 über 700 Mio. € erwirtschaftet, das sind fast 20 % unseres Umsatzes. Neben dem Verkauf von Dispersionspulver und polykristallinem Reinstsilicium hat vor allem das Geschäft mit Siliconen zu diesem exzellenten Ergebnis beigetragen.
Klaus Hoffmann: Wie es unsere CEO Dr. Stephanie Burns bei der Eröffnung sagte: „Auch wenn sich das wirtschaftliche Umfeld stark gewandelt hat, seit wir hier vor vier Jahren mit dem Aufbau des Standortes begonnen haben, hat sich an unserem Engagement und an unserem Glauben an Chinas Zukunft nichts geändert." China ist einer der Motoren für das zukünftige Wachstum von Dow Corning. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit unseren beiden Marken Dow Corning und Xiameter vor Ort vertreten sind, um mit der modernsten Technology die wachsende Nachfrage zu bedienen und das Wachstum vieler Schlüsselindustrien weiter zu steigern. In den letzen fünf Jahren haben wir unsere Umsätze in China mehr als verdoppelt. Wir sehen den großen Wert dieses Projektes für unseren langfristigen Erfolg.
Sowohl Wacker als auch Dow Corning sind für hohe Standards für Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit bekannt. Mit welchen Maßnahmen stellen Sie die Einhaltung dieser Standards in Zhangjiagang sicher?
Klaus Hoffmann: Wir betrachten Nachhaltigkeit bei Dow Corning als ausschlaggebend für unseren zukünftigen Erfolg und haben es deshalb zu einem unserer Unternehmenswerte und unserer Unternehmensvision gemacht. Das gilt an allen unseren Standorten. Zhangjiagang ist einer der modernsten integrierten Produktionsstandorte für Silicone der Welt und erfüllt die höchsten Umweltschutz- und Sicherheitsstandards. So stellt die enge Verzahnung von Siloxaneproduktion und der Herstellung von pyrogener Kieselsäure die optimale Nutzung von Ressourcen sicher und spielt eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Emissionen und der Erhöhung der Logistikeffizienz. Wie die Produktionsstätten in anderen Teilen der Welt wurde auch Zhangjiagang nach den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung geplant und errichtet.
Rudolf Staudigl: Bei Umweltschutz, Sicherheit, Gesundheit sowie beim schonenden Umgang mit Rohstoffen und Energie haben wir sehr hohe Standards. Diese Standards gelten an allen unseren Produktionsstandorten weltweit, also auch für unsere Betriebe in Zhangjiagang. Wacker hat - anders als viele unserer Wettbewerber - eine eigene Ingenieurtechnik. Dort ist unser Anlagen-Know-how gebündelt. Bei der Planung neuer Anlagen setzen wir überall die gleichen Technologien ein, egal ob in Burghausen, USA oder in China. Außerdem veranstalten wir regelmäßig Schulungen und Informationsveranstaltungen zu den Themen Umwelt- und Gesundheitsschutz, Anlagensicherheit und Nachhaltigkeit an unseren Standorten.