Standorte & Services

Die Zukunft der deutschen Industriestandorte ist akut bedroht

Die deutschen Industriestandorte brauchen einen starken Industrieservice, der sie proaktiv begleitet.

11.09.2023 - Die Industriestandorte sind das Rückgrat der deutschen Industrie. In Deutschland gab es 2020 allein 366 große Industriestandorte, an denen jeweils mehr als 1.000 und insgesamt 1,4 Mio. Beschäftigte arbeiten.

Die Herausforderungen, vor denen unsere Industrie steht, sind immens. Die Dekarbonisierung, die Digitalisierung der Prozesse und der Fachkräftemangel infolge des demografischen Wandels stellen hohe Anforderungen an die Infrastruktur der Standorte.

Diese Anpassungen können die Betreiber nicht allein umsetzen. Sie brauchen einen starken Industrieservice, der sie proaktiv durch Beratung sowie bei der Umstellung und beim Einsatz neuer und grüner Technologien begleitet.

Die gerade erschienene Marktstudie der JPN Unternehmensberatung zeigt, dass in den letzten Jahren viele deutsche Industriestandorte infolge nötiger Umstrukturierungen oder teilweiser Verlagerung der Produktion ins Ausland diese Transformation nicht überleben konnten. Die Zahl der großen Industriestandorte ist seit Jahren rückläufig.

Die Studie zeigt auch: die deutschen Leitindustrien Automobil und Chemie konnten durch kluge Strategie sowie durch Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen in den letzten Jahren einen konstanten Wachstumspfad beschreiten und ein sattes Wachstum von 8,5 % bzw. 9,6 % verzeichnen.

 

„Einmal verlorene Industriestandorte kehren nicht zurück."

 

Zunehmende Deindustrialisierung

Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zukunft der deutschen Industriestandorte akut bedroht ist. Was wir heute noch nicht bemerken: Investitionsentscheidungen fallen oder sind bereits immer öfter zu Ungunsten Deutschlands ausgefallen. Die Bugwelle dieser Entwicklung wird uns indes erst in einigen Jahren mit einer zunehmenden Deindustrialisierung voll erfassen.

Bereits heute mehren sich die Anzeichen. Ende Juli prognostizierte der Internationale Währungsfonds für Deutschland eine Rezession, die weitestgehend auf eine schwächelnde Industrie zurückzuführen ist. Als einer der Hauptgründe für diese Schwäche werden die seit Jahrzehnten zu hohen und durch den Ukraine-Krieg noch stärker gestiegenen Energiekosten in Deutschland genannt.

An Rezepten mangelt es nicht. Das Wirtschaftsministerium hatte erst im Mai einen Vorschlag für die Einführung eines Industriestrompreises von 6 ct/kWh vorgelegt, der in der parlamentarischen Sommerpause nun zwischen den Koalitionären zerredet zu werden droht. Eine Förderung führe dazu, dass die Industrie nicht nötige Strukturierungen vornehme, eine Subventionierung sei EU-beihilferechtlich problematisch, heißt es aus dem Finanzministerium. Dabei sollte der „Transformationsstrompreis“, der sogar noch über dem 2021 von Bundeskanzler Scholz in Aussicht gestellten Preis von 4 ct lag, nur bis 2030 gelten und eine langfristige Garantie für den Erhalt des Industriestandortes beinhalten – keine „Staatsknete“ also, sondern ein klares Bekenntnis zu Transformation und zur Kontinuität der industriellen Produktion und damit gut angelegtes Geld.

Generationenaufgabe der Transformation

Denn die deutsche Industrie bewegt sich in einem internationalen Wettbewerb, in dem andere Staaten und Wirtschaftsblöcke durch astronomisch hohe Förderungen wie einen Inflation Reduction Act in den USA ihre heimischen Industrien massiv aufpäppeln und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Wie lange die deutsche Industrie, die seit Jahren zu großen Teilen die Generationenaufgabe der Transformation der deutschen Wirtschaft allein bewältigt, eine wettbewerbsrechtlich reine Lehre und regulatorische Bürden zugleich schultern kann, ist mehr als fraglich. Denn die letzten Jahre zeigen deutlich: Einmal verlorene Industriestandorte kehren nicht zurück.

 

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