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Die Klimalösung – so können wir die Welt retten

Die Bestsellerautoren David Nelles und Christian Serrer veröffentlichen ihr zweites Buch zum Klimawandel

25.01.2022 - Zwei Studenten erklären den Klimawandel und mögliche Lösungen – wissenschaftlich fundiert und doch leicht verständlich

Der Klimawandel ist Fakt, der Mensch die Ursache. Doch wir können noch etwas tun. Das zeigen David Nelles und Christian Serrer in ihrem Buch: „Machste dreckig – machste sauber: Die Klimalösung“, das sie mit Unterstützung von über 250 Wissenschaftlern verfassten. Bereits 2018 veröffentlichten die beiden Studenten vom Bodensee ein Buch zum Klimawandel im Selbstverlag – und landeten damit auf der Spiegel-Bestsellerliste. Andrea Gruß sprach mit den Autoren anlässlich der Veröffentlichung ihres zweiten Buchs „Machste dreckig, machste sauber: Die Klimalösung“.

CHEManager: Sie studieren beide Wirtschaftswissenschaften. In Ihrem ersten Buch befassen Sie sich mit den Ursachen des Klimawandels. Wie kam es dazu?

D. Nelles: Bei einem Mittagessen in der Mensa mit anderen Kommilitonen haben wir über den Klimawandel diskutiert. Jeder hatte eine andere Meinung und etwas dazu gehört, aber keiner wusste, was ist Stand der Wissenschaft. Uns nervte die emotionale und hitzige Debatte und wir suchten damals nach einem Buch, das uns wissenschaftlich fundiert und trotzdem kurz und verständlich erklärt, was Klimawandel bedeutet. Als wir keines fanden, beschlossen wir, es selbst zu schreiben. 
Unser Buch „Kleine Gase – große Wirkung: Der Klimawandel“ sollte sich jeder leisten können und durfte daher nicht mehr kosten als eine Pizza. Ein klassischer Verlag hätte hier nicht mitgemacht. Daher haben wir kurzerhand einen eigenen gegründet und Finanzierung, Lektorat, Marketing und Vertrieb selbst organisiert. 
Der Erfolg des Buchs hat uns selbst überrascht. Bis heute wurde es fast eine halbe Million Mal verkauft und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Sie können es rund um den Globus kaufen, zum Beispiel in China, Russland, Brasilien oder in Korea. 

Pünktlich zur Weltklimakonferenz in Glasgow im vergangenen Jahr veröffentlichten Sie einen zweiten Band. Mit welchen Inhalten?

C. Serrer: Bei unseren Recherchen und Vorträgen zum ersten Buch haben wir festgestellt: die Diskussion über Klimaschutz ist fast noch heftiger als die Auswirkungen des Klimawandels selbst. Um Ordnung in diese Debatte zu bringen und mit Missverständnissen und Vorurteilen aufzuräumen, haben wir weitere zwei Jahre recherchiert und mit Unterstützung von über 250 Wissenschaftlern das Buch „Machste dreckig – machste sauber: Die Klimalösung“ geschrieben. Darin informieren wir über die Vielzahl an konkreten Maßnahmen, mit denen wir es schaffen können, die Erderwärmung auf 2 °C zu begrenzen.
D. Nelles: Wir haben uns angeschaut: Wo entstehen überall Emissionen, in welchen Sektoren? Angefangen bei Energie über Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft bis zu Industrie gehen wir für jeden Sektor systematisch die Handlungsmöglichkeiten durch. Am Anfang des Buchs steht ein großer Emissionsbalken. Mit jeder Seite, die der Leser umschlägt, kommt er der Klimalösung ein Stück näher – bis zur Klimaneutralität.

„Die größte Hürde für den Klimaschutz ist die fehlende Motivation in der Politik.“
 

Welche Rolle spielt der Industriesektor beim Klimawandel?

C. Serrer: Hier entstehen etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgase.
Aufgrund des globalen Wirtschaftswachstums und der dadurch vermehrten Förderung und Gewinnung von Rohstoffen sind die Emissionen dieses Sektors in den vergangenen Jahren am stärksten angestiegen. Industriegüter sind sehr vielfältig und es gibt nicht die einzelne Maßnahme, um ihre Produktion klima­freundlicher zu machen. Doch die großen Treiber der Emissionen sind unabhängig von der Industrie meist die gleichen. 

Wo sehen Sie Ansatzpunkte für Klimaschutz in der Industrie?

C. Serrer: Die Industrie ist der Sektor mit dem größten Energiebedarf, auf ihn sind etwa zwei Drittel der Emissionen zurückzuführen. Etwa ein Drittel entfällt auf den Bezug von externer Elektrizität und Wärme. Ein Drittel entsteht durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe zur Energieerzeugung in der Industrie selbst, zum Beispiel beim Befeuern eines Hochofens bei der Stahlproduktion oder eines Steamcrackers in der Chemie. Und 25 % der Emissionen entstehen schließlich direkt in den Prozessen, zum Beispiel bei der Verbrennung von Abfallstoffen. Ansatzpunkte in der Industrie sind daher der externe Bezug von klimafreundlicher Energie sowie klimafreundliche Alternativen zur Erzeugung der Prozesswärme. 
Ein weiterer Emissionstreiber in der Industrie ist der Materialbedarf. Er ist für 60 % der Industrieemissionen verantwortlich. Egal welcher Industriezweig, es gilt den Materialeinsatz zu verringern, zum Beispiel durch Leichtbau oder über Recycling. Klimafreundliche Energien und Kreislaufwirtschaft sind daher wesentliche Maßnahmen für den Klimaschutz in der Industrie. 

Welche Besonderheiten sehen Sie für die Chemieindustrie?

C. Serrer: Die Chemieindustrie leistet aktuell mit etwa 14 % einen großen Beitrag zu den weltweiten industriebedingten Emissionen. Haupttreiber der Emissionen bei der Chemikalienherstellung ist die Verbrennung fossiler Rohstoffe zur Wärmeerzeugung. Hier wird es nicht reichen, Prozesse effizienter zu machen. Sie müssen komplett neu strukturiert werden, zum Beispiel mit klima­freundlichem Wasserstoff. Das gilt insbesondere für die Ammoniakherstellung, auf die etwa 30 % aller Treibhausgas-Emissionen in der chemischen Industrie entfallen.
Eine Sonderrolle spielt die Chemiebranche auch, weil sie fossile Rohstoffe nicht nur zur Energieerzeugung, sondern auch als Rohstoff einsetzt. Etwa die Hälfte der fossilen Energieträger in der Chemieindustrie werden stofflich genutzt, zum Beispiel für die Herstellung von Kunststoffen. Hier gilt es, klimafreundliche Ersatzstoffe zu finden. Aber ein Rohölersatz, der aus erneuerbaren Energien und Kohlenstoff aus der Luft hergestellt wird, wird sich auch in Zukunft nur wettbewerbsfähig in Regionen herstellen lassen, in denen günstig große Mengen klima­freundlicher Energie zur Verfügung stehen, zum Beispiel in Nordafrika. Ein klarer Standortnachteil für Deutschland. 

Welche Technologie der Wasserstofferzeugung wird sich durchsetzen?

D. Nelles: Weltweit setzen derzeit die meisten Länder auf blauen Wasserstoff. Für dessen Erzeugung wird Erdgas unter hohem Druck in Wasserstoff und CO2 gespalten und das CO2 unterirdisch gespeichert. Studien zeigen, dass die Umweltauswirkungen hierbei überschaubar sind. Zwar können lokale Ökosysteme geschädigt werden, wenn CO2 austritt, aber wenn man leere Gasfelder für dessen Speicherung nutzt, scheint die Technologie relativ sicher zu sein. So der aktuelle Stand der Wissenschaft.
Noch klimafreundlicher ist grüner Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, aber aufgrund des Zeitaspekts werden wir am blauen Wasserstoff nicht vorbeikommen. Allein mit grünem Wasserstoff könnten wir erst 2060 oder 2070 klimaneutral werden.

In Ihrem Buch zeigen Sie viele Ansätze, um dem Klimawandel zu begegnen. Warum setzen wir sie noch nicht um?

C. Serrer: Die größte Hürde für den Klimaschutz ist die fehlende Motivation in der Politik. Wenn Politik Bock auf Klimaschutz hat, dann geht unglaublich viel. Die Regierung von Norwegen hat zum Beispiel schon vor Jahren beschlossen, Elektromobilität zu fördern, und Elektroautos von der Steuer befreit. Heute sind dort über die Hälfte der neu zugelassenen Autos elektrisch angetrieben. In Schweden wurde vor 30 Jahren eine CO2 -Steuer eingeführt. Die Folge: Seit 2012 wird im Prinzip kein Haus in Schweden mehr mit Öl oder Gas beheizt. Während wir in Deutschland zehn Jahre später immer noch über ein Verbot von Ölheizungen diskutieren! Wenn die Politik einen langfristigen Plan hat und den Menschen und der Industrie sagt, wo sie hin will, können sich alle Akteure darauf einstellen. Dann funktioniert Klimaschutz.

„Der Witz an der CO2-Steuer ist, dass sie am Ende keiner mehr zahlt.“


Wie wirkt ein CO2 -Preis als mögliches Anreizsystem für mehr Klimaschutz? 

D. Nelles: Dahinter steckt folgende Idee: Wenn Unternehmen für jede ausgestoßene Tonne CO2 einen Preis zahlen müssen, rechnen sie die zusätzlichen Kosten in ihre Produkte mit ein, wodurch diese teurer werden. Privatpersonen kaufen dann eher das klimafreundlichere und günstigere Produkt. Gleichzeitig wollen Unternehmen kein Geld dafür zahlen, CO2 auszustoßen, und werden auf klimafreundlichere Verfahren umstellen. Die CO2 -Steuer schafft sowohl für Unternehmen als auch Privatpersonen einen finanziellen Anreiz, sich klima­freundlicher zu verhalten. Genau das ist in Schweden passiert: Als die Leute CO2 -Steuer für ihre Ölheizung zahlen mussten, bauten sie sich eine Wärmepumpe ein. Der Witz an der CO2-Steuer ist, dass sie am Ende keiner mehr zahlt. 

Ihre Bücher sind nur ein Teil Ihres Engagements für den Klimaschutz. Unter dem Namen „Die Klima­fabrik“ bündeln Sie weitere Projekte? Was genau?

C. Serrer: Ende vergangenen Jahres haben wir den YouTube-Kanal „Klima Wandel Dich“ gestartet – gemeinsam mit Scientists for Future und der Helmholtz Klima­initiative. Über den Kanal wollen wir ein jüngeres Publikum für aktuelle Themen des Klimaschutzes sensibilisieren, aber auch mit Politikern und Menschen aus der Wirtschaft ins Gespräch kommen und die Aufbruchstimmung, von der wir eben gesprochen haben, fördern. Hierzu nehmen wir uns alle zwei Wochen ein Klimamärchen vor und zeigen Lösungen auf. 
Mit unseren Büchern und dem YouTube-Kanal informieren wir die Öffentlichkeit über Klimalösungen. Darüber hinaus macht es uns Spaß, an deren Umsetzung aktiv mitzuwirken. Zum Beispiel, indem wir Menschen, die Klimaschutz im Alltag umsetzen müssen, bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Oftmals haben Politiker, aber auch Mitarbeiter aus Unternehmen, nicht die Zeit, sich in die Themen tief einzulesen. Hier unterstützen wir. Nicht mit einer klassischen Beratung, sondern eher wie bei „Frag doch mal die Maus“. Die Teilnehmer kommen mit einer Liste an Fragen und wir geben ihnen neutrale Antworten. Etwa zwei Drittel der Fragen können wir direkt auf Basis unserer bisherigen Recherchen beantworten. Alles andere klären wir mit unserem Netzwerk an Wissenschaftlern bis zum nächsten Gespräch. 

In Ihrem ­YouTube-Kanal „Klima Wandel Dich“ befassen Sie sich mit der Verantwortung Deutschlands beim weltweiten Klimaschutz. Wir erzeugen gerade 2 % der weltweiten Emissionen. Warum sollten gerade wir vorangehen? 

D. Nelles: Der Anteil von Deutschland an den weltweiten Emissionen ist so klein, weil Deutschland tatsächlich auch ein kleines Land ist. Würde man China in viele kleine Minichinas in der Größe Deutschlands aufteilen, wäre auch deren Anteil nichtig. Und keiner müsste mehr etwas tun. Egal wie groß unser Anteil an den Emissionen ist, wenn wir Klimaschutztechnologien entwickeln, die die ganze Welt braucht, dann profitiert am Ende unsere eigene Volkswirtschaft. Zudem ist es eine schöne Vorstellung, dass wir diese Technologien entwickeln, anstatt dass sie in Ländern entstehen, die weniger demokratisch unterwegs sind als wir.

Das Interview mit David Nelles und Christian Serrer führte Andrea Gruß.

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