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Deutsche Industrielandschaft: 51 Chemie- und Industrieparks

15.11.2011 -

51 Chemie- und Industrieparks in Deutschland. Chemie- und Industrieparks sind aus der deutschen Industrielandschaft nicht mehr wegzudenken. Machte man vor knapp 20 Jahren mit der geschäftsfeldbezogenen Privatisierung alter Chemiekombinate der ehemaligen DDR aus der Not noch eine Tugend und stieß die Zerschlagung von Hoechst Anfang der 90er Jahre mancherorts auf Unverständnis, so stellen wir heute fest, dass sich die Idee der Industrieparks zu einer klaren Erfolgsgeschichte entwickelt hat.

Die Vorteile von Industrieparks überwiegen für immer mehr Unternehmen den eventuellen Nachteilen. Ein deutlicher Beleg für diese These ist der im Gang befindliche Umzug von Ticona in den Industriepark Höchst.
Ticona
muss seinen Standort wegen des Ausbaus des Frankfurter Flughafens verlagern und es hat sich nach einem ausführlichen Validierungsprozess für den Umzug in einen der großen hessischen Industrieparks entschieden. Dort trifft Ticona auf eine voll funktionierende Infrastruktur. Das Unternehmen kann sich so besser auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Zugleich erspart es sich hier in weitem Umfang den Ausbau eigener Infrastrukturen und bezieht die für seine Produktion erforderlichen Medien und sonstigen Dienstleistungen von einem professionell gemanagten Industrieparkbetreiber, der seinerseits den Kundenservice als seine Kernkompetenz begreift.
Gleichzeitig profitiert es von der hohen Akzeptanz deutscher Industrieparks in der Öffentlichkeit, insbesondere in der näheren Umgebung, was angesichts der EU-weit betriebenen Ausweitung von Bürgerrechten im Bereich des Umweltschutzes ein klarer Standortvorteil ist. Eventuelle Nachteile, die in den unterschiedlichen Industrieparktypen unterschiedlich ausfallen und die vor allem in einer zu großen Abhängigkeit vom Betreiber des Industrieparks – vor allem an den sog. Major-User-Standorten – gesehen werden, treten bei der Standortauswahl zumeist in den Hintergrund.

Hohe Komplexität

Ein struktureller Nachteil von Industrieparks liegt in ihrer besonders hohen Komplexität. Diese ergibt sich aus einer Vielzahl neuer Schnittstellen, die zwischen den verschiedenen Unternehmen am Standort entstehen. Zu bewältigen sind hier besondere Anforderungen organisatorischer und vertragsrechtlicher Art, die aber – wie die Erfahrungen der letzten 18 Jahre zeigen – in der Summe lösbar und gut beherrschbar sind. So lässt sich nachweisen, dass der Sicherheitsstandard von Industrieparks nicht hinter dem Standard einheitlich genutzter Werksstandorte zurückgefallen, sondern eher noch gestiegen ist. Dafür sprechen die im Allgemeinen weiter rückläufigen Zahlen bei den Störfällen, Beinahe- Störfällen und Arbeitsunfällen.

Industrieparks wider Willen

Problematischer gestaltet sich die Rechtslage oft noch in den unzähligen „Industrieparks wider Willen”. Zumeist sind die Industrieparkstrukturen hier durch Outsourcingmaßnahmen entstanden, in dem singulär angesiedelte Unternehmen begonnen haben, ihre technischen Services, die IT-Abteilung und die Logistik auf eigenständige Tochtergesellschaften auszulagern. Die ausgelagerten Einheiten werden zwar zunächst noch unter dem Mantel eines einheitlichen Konzerns geführt. Hier hat die Muttergesellschaft ggfls. rechtlich die Möglichkeit, in die Belange der Tochtergesellschaften hinein zu regieren.
Diese Möglichkeiten enden aber, wenn der Konzern seine Tochtergesellschaft verkauft. Mit dem Verkauf ziehen dann oft fremde Unternehmenskulturen am Standort ein, die sich mit den seit Jahren vorhandenen und gelebten Kulturen nicht vertragen. Im Ergebnis werden durch Outsourcingmaßnahmen dieselben Schnittstellen geschaffen wie in den „geplanten Industrieparks”. Deshalb verlangen sie auch nach analogen Lösungen, an denen es aber mancherorts aufgrund eines oft noch fehlenden oder nicht so ausgeprägten Problembewusstseins noch fehlt. Geradezu leichtsinnig ist der Verkauf von Tochtergesellschaften, ohne zuvor die Spielregeln des Zusammenlebens am Standort vertraglich möglichst klar und eindeutig geregelt zu haben.

Hohe Verantwortung

Mancher Unternehmenschef ist sich seiner Verantwortung, die er etwa auch in umwelt- und sicherheitsrechtlicher Sicht trägt, nicht hinreichend bewusst. Ihn alleine trifft die Generalverantwortung für die Einhaltung aller umwelt- und sicherheitsrechtlichen Vorschriften. Hierzu darf er Pflichten delegieren.
Strafbefreiend wirkt die Delegation aber nur, wenn dabei die Grundsätze ordnungsgemäßer Pflichtendelegation, die vor allem der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht entwickelt haben, beachtet werden. Allzu oft aber beherrschen Zahlen das Denken in den Vorstandsetagen, was sich für Personen mit Leitungsmacht verheerend auswirken kann. In zahlreichen, teilweise auch spektakulären Umweltstrafverfahren, haben die Gerichte für jedermann deutlich gemacht, dass die Organisationsverantwortung von Leitungspersonen regelmäßig wesentlich schwerer wiegt als die Handlungsverantwortung untergebener Mitarbeiter.
Demgemäß fallen bei Umwelt- und sonstigen Verstößen die Strafen auf der Leitungsebene auch deutlich schärfer aus als auf den Bearbeiterebenen. Und bestraft werden können in Deutschland immer nur die verantwortlichen Mitarbeiter im Unternehmen, nicht aber das Unternehmen selbst. Weil das so ist, erfreuen sich D&O-Versicherungen wachsender Beliebtheit.

EU verschärft Gangart

Soeben hat auch die EU Nachlässigkeiten von Unternehmen im Umweltbereich den Kampf angesagt. Die neue Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland dazu, bis zum 26.12.2010 Vorschriften zu erlassen, mit denen bei bestimmten Verstößen gegen Umweltvorschriften auch juristische Personen selber zur Verantwortung gezogen werden können. Als relevant eingestuft werden hier 72 Umweltrichtlinien und -verordnungen der EU.
Das bedeutet für unser nationales Strafrecht einen Systemwandel, denn bis heute herrscht in Deutschland der eherne Grundsatz, dass sich nur natürliche Personen, nicht aber Unternehmen strafbar machen können. Dies führte bislang in vielen Fällen zu einer Verfahrenseinstellung, weil den in Betracht kommenden natürlichen Personen im Unternehmen – angefangen von der Geschäftsleitung, über die Werksleiter, Betriebsführer bis zu den Arbeitern – die notwendige persönliche Schuld nicht nachgewiesen werden konnte.
Zwar hat das von der Rechtsprechung sehr ausgeweitete Organisationsverschulden, das Leitungspersonen oft vorgehalten werden konnte, in vielen Fällen Strafbarkeitslücken schließen können, aber eben nicht in allen Fällen. Das soll sich bis Ende 2010 ändern. Dann können auch die Unternehmen selber – ggfls. neben den auch verantwortlichen Mitarbeitern – zur Verantwortung gezogen werden.
Wo es heute also noch Verfahrenseinstellungen gibt, weil persönliche Schuld nicht nachzuweisen ist, sieht es künftig dann anders aus, wenn feststeht, dass aus dem Bereich eines Unternehmens eine Umweltstraftat begangen worden ist, bei der nur nicht aufklärbar ist, welche konkreten Mitarbeiter dafür die Verantwortung tragen. Der Verfolgungsdruck für Unternehmen wird sich also in Zukunft erhöhen. Dies erfordert es, verstärkte Aufmerksamkeit auf die eigenen Managementsysteme zu legen, mit denen Unternehmen bestmögliche Vorsorge gegen die Missachtung einschlägiger Umwelt- und Sicherheitsvorschriften treffen können.

Management als Daueraufgabe

Für Industrieparks folgt daraus die Pflicht, die eigenen Sicherheitsregelungen sowie die Vertragsstruktur im Hinblick auf die Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen der verschiedenen Unternehmen innerhalb des Industrieparks einer permanenten Kontrolle und Nachjustierung zu unterziehen. Dies betrifft auch die Industrieparks, die schon einmal viel Zeit und Energie auf die Schaffung entsprechender vertraglicher Regelungen verwandt haben. Da sich unser Recht permanent fortentwickelt, handelt es sich auch bei der Festlegung vertraglicher Pflichten im Schnittbereich verschiedener Unternehmen eines Industrieparks um eine permanente Aufgabe.

Kontakt:
Dr. jur. Hans-Jürgen Müggenborg
Rechtsanwälte Josten Müggenborg Weyers,
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