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Carbid – Basis für Hightech-Chemie

Gefährdungsbeurteilung ist ein wichtiges Thema auch im Carbid-Verbund

04.09.2015 -

Der Betriebsingenieur ist Garant für reibungslose Arbeitsabläufe in ­seinem Betrieb und damit für die chemische Industrie von großer ­Bedeutung. Er trägt die Verantwortung für Instandhaltung und Verfügbarkeit seiner Anlage sowie für die Prozess- und Anlagensicherheit. An dieser Stelle beschreiben wir in lockerer Folge Aufgaben und ­Themenschwerpunkte im betrieblichen Alltag und berichten über die regelmäßigen Treffen der Regionalgruppen der Informationsplattform für Betriebsingenieure der VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (VDI-GVC).

Beim Treffen am 07. Mai 2015 besichtigten die Betriebsingenieure der Regionalgruppe Bayerisches Chemiedreieck unter der Führung des Standortleiters Klaus Englmaier und des Betriebsingenieurs Heiko Schuart den Carbid-Betrieb der AlzChem AG am Standort Hart. Ein wichtiges Thema war dabei die am 1. Juni 2015 in Kraft getretene Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung und deren Umsetzung.

Die AlzChem ist ein innovatives Unternehmen mit wechselvoller Geschichte. Der Ursprung des Unternehmens liegt in der Wasserkraft der Alz. Der einzige Abfluss des Chiemsees wurde zusammen mit dem 1908 erbauten Alzkanal zur Energiegewinnung genutzt. 1908 wurde auch die Bayerischen Stickstoffwerke AG gegründet, die diese Wasserkraft für die Produktion von Calciumcarbid und Kalkstickstoff nutzte. Selbst nach mehr als 100 Jahren Firmengeschichte bekennt sich die heutige AlzChem bewusst zu ihren Wurzeln, dem Carbid. AlzChem produziert an vier Standorten: in Trostberg, Schalchen, Hart und Waldkraiburg. Mit 1.400 Mitarbeitern werden ca. 300 Mio € Umsatz erwirtschaftet. Hervorzuheben ist der hohe Anteil junger Mitarbeiter. Die Ausbildungsquote liegt konstant bei ca. 9 %.
Basierend auf dem Calciumcarbid wurde ein ausgefeilter Produktionsverbund rund um die N-C-N-Chemie entwickelt, d. h. für Produkte mit typischer Stickstoff-Kohlenstoff-Stickstoff-Bindung. Diese vernetzte Produktionsstruktur schafft eine leistungsfähige Wertschöpfungskette, die weltweit seinesgleichen sucht. Im Elektro­niederschachtofen des Produktionsstandortes Harts wird das Calciumcarbid bei Temperaturen von ca. 2.000 °C aus den Ausgangsprodukten Kalk und Kohle unter Einsatz großer Mengen elektrischer Energie erzeugt. Trotz der ständigen Diskussion über die Entwicklung der Strompreise und die Stromnebenkosten sind sich Vorstand und Mitarbeiter einig: Wir glauben an das Carbid. Und der Markt gibt ihnen Recht.

Spannende Produktpalette
Inzwischen kommen die Produkte der AlzChem in den unterschiedlichsten Bereichen, z. B.: in der Landwirtschaft, Ernährung und Pharmazie, in der Feinchemie und Metallurgie und bei den erneuerbaren Energien zum Einsatz. Denn Carbid wird heute nicht mehr nur einfach als Ausgangsprodukt für die Düngerherstellung genutzt, sondern wird in bis zu acht verschiedenen Formulierungsschritten weiter veredelt.
Aus dem am Standort Hart produzierten Carbid wird am Firmensitz Trostberg Kalkstickstoff (Calciumcyanamid) sowohl für die Basischemie als auch für die Landwirtschaft hergestellt. Auch die Produktpalette für die erneuerbaren Energien ist in Trostberg beheimatet. Im Juni 2012 wurde z. B. die neue Siliziumnitrid-Anlage in Betrieb genommen. In dieser Anlage wird hochreines Siliziumnitrid zur Produktion von Photovoltaikmodulen auf Basis polykristallinen Siliziums erzeugt. In Trostberg wird auch das unter dem Handelsnamen bekannte Nahrungsergänzungsmittel Creapure produziert.
Am Standort Schalchen werden aus Dicyandiamid verschiedene Guanidinsalze erzeugt, die in der Agro- und Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. Dicyandiamid-Derivate dienen auch als Härter und Beschleuniger für die Heißhärtung von Epoxydharzen und kommen z. B. bei der Herstellung von Windkrafträdern zum Einsatz.
Last but not least werden am Standort Waldkraiburg „lebenswichtige“ Produkte entwickelt und hergestellt wie z.  B. Nitroguanidin, das als Treibmittel in Airbags Leben retten kann. Unter der Marke Bioselect werden Produkte vertrieben, die u. a. zur DNA-Analyse eingesetzt werden. Damit tragen sie dazu bei, dass Kapitalverbrechen auch nach vielen Jahren noch aufgeklärt werden konnten.

Novellierung Betriebssicherheitsver­ordnung und Gefährdungsbeurteilung
Damit diese vernetzte Produktionsstruktur auch im Hinblick auf die Sicherheitsbestimmungen den modernsten Maßstäben entspricht, befasst sich die AlzChem aus aktuellem Anlass mit dem Thema Gefährdungsbeurteilung. Seit 1. Juni 2015 – also knapp dreizehn Jahre nach Einführung der BetrSichV – gilt eine novellierte Fassung der Verordnung. Angesichts dieser Novellierung müssen sich Arbeitgeber und Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen (z. B. Aufzüge, Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen, Druckanlagen) mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Auch wenn Unternehmen wie AlzChem in der Vergangenheit bereits viel in den Arbeitsschutz investiert haben, besteht aufgrund der Neuerungen wieder Handlungsbedarf.
Die Gefährdungsbeurteilung beschreibt den Prozess der systematischen Ermittlung und Bewertung aller relevanten Gefährdungen, denen die Beschäftigten bei ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind. Hinzu kommt die Ableitung und Umsetzung aller zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit erforder­lichen Maßnahmen, die anschließend hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden müssen. Das Ziel besteht darin, Gefährdungen bei der Arbeit frühzeitig zu erkennen und diesen präventiv, das heißt noch bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unfälle auftreten, entgegenzuwirken. Rudolf Osenstätter hat für die AlzChem ein komfortables Excel-Tool entwickelt, in dem die möglichen Gefährdungen in einem mehrstufigen Verfahren – wie gesetzlich gefordert – systematisch erfasst und bewertet werden. Aufgeschlüsselt nach Arbeits­bereichen und Arbeitsmitteln werden die Gefährdungs- und Belastungsfaktoren bewertet. Die entsprechenden Maßnahmen können mithilfe eines einfachen und effektiven Ampelsystems überprüft werden und alle erforderlichen Dokumente sind qualitätsgesichert ­archiviert.