Standorte & Services

Auf dem Weg zur Klimaneutralität

Dekarbonisierung und Defossilisierung am Chemiestandort Leuna

11.09.2024 - Die Dekarbonisierung der chemischen Industrie zählt zu den bedeutendsten Herausforderungen unserer Zeit. Die Branche trägt maßgeblich zu den globalen Treibhausgasemissionen bei, während ihre Produkte gleichzeitig unentbehrlich für das moderne Leben sind. Für den Übergang zu einer klimaneutralen Industrie sind erhebliche Investitionen und Innovationen in die Dekarbonisierung der chemischen Industrie notwendig.

Die Unternehmen am Chemiestandort Leuna und die InfraLeuna als Eigentümer und Betreiber der Infra­struktureinrichtungen sind bereits aktiv. Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssen die Anlagenbetreiber und die Dienstleister ihren Beitrag leisten und u.a. der Steigerung der Energieeffizienz, an der Nutzung erneuerbarer Energien für die Produktion, der Verwendung nicht fossiler Ausgangsmaterialien sowie der Schaffung von Methoden zur Wiederverwendung arbeiten. Die Infrastrukturdienstleistungen werden dabei mit den Anforderungen der Chemiekunden konsequent in Richtung Nachhaltigkeit und Effizienz weiterentwickelt.

Enormes Potenzial industrieller Abwärme

Bereits im Jahr 2014 hat sich der Standortbetreiber im Rahmen des Energiekonzeptes ProEnergie2014+ intensiv mit dem Thema Energie auseinandergesetzt und insbesondere die Flexibilisierung ihrer KWK-Anlagen vorangetrieben. Kraft-Wärme-Koppelung-Anlagen erzeugen sowohl Strom als auch Wärme und tragen so zu einer ressourcenschonenden Energieversorgung bei. Dank Investitionen in Flexibilisierung können die Kraftwerke in Leuna auf schwankende Einspeisungen erneuerbarer Energien reagieren und flexibel mit alternativen Quellen zur Dampfproduktion arbeiten. Auf dieser Grundlage wurde die industrielle Abwärme einer Wasserstoffanlage und einer Müllverbrennungsanlage in den Energieverbund am Standort integriert. Dafür waren Umbaumaßnahmen an den Anlagen notwendig. Heute wird Hochdruckdampf aus der Wasserstoffanlage genutzt und die Nutzenergie aus der Müllverbrennungsanlage in das Mitteldruck-Dampfnetz eingespeist. Da in deren Brennstoff ca. 50 % biogener Anteil enthalten ist, hat dies auch positive Effekte auf die CO2-Bilanz. „Wir betreiben unsere gasbetriebene KWK-Anlage so deutlich sparsamer und nutzen sie nur zur Deckung von Bedarfsspitzen, um die Kunden weiterhin rund um die Uhr mit Dampf zu versorgen. Dadurch liegt unser CO2-Emissionsfaktor bei etwa einem Drittel des Benchmark-Werts für eine solche Anlage, was mehrere Tausend Tonnen CO2 einspart, da wir weniger Gas verbrennen“, so Thomas Räcke, Bereichsleiter Energie/Wasser.

Durch die intelligente Steuerung der Kraftwerke und einen Strom­export in Schwachlastzeiten wird ein optimiertes Stromportfolio geschaffen, das den Kunden am Standort Zugang zu den Chancen des Markts bietet.

Die Nutzung von Abwärme aus energieintensiven Industrieprozessen bietet enormes Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung. Ein aktuelles Projekt der TotalEnergies Raffinerie Leuna ist ein weiteres Beispiel dafür: Die bisher ungenutzte Abwärme soll künftig ins Leipziger Fernwärmenetz eingespeist werden. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Vorhaben, durch das die Abwärme der Raffinerie künftig klimafreundlich 100.000 Wohnungen in Leipzig beheizen wird.

Die Nachfrage nach effizientem Energiemanagement und nach defossilisierten Energieträgern steigt am Chemiestandort Leuna. Anlagen­erweiterungen, Neuansiedlungen und angedachte Elektrifizierungen in der Produktion werden künftig zu einem ca. 6- bis 7-fachen Strombedarf am Standort führen.

 

 „Ein wettbewerbsfähiges Energiesystems schafft die Grundlage für die Transformation.“

Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna

 

Strategien für die Bereitstellung nachhaltiger Energie

Für den Mehrbedarf an Strom sind zusätzliche Anschlüsse an das vorgelagerte Netz geplant. Auf der 110 kV-Ebene ist vorgesehen, einen dritten Netzanschluss über 150 MW zu realisieren. Zudem laufen Gespräche über einen neuen Anschluss an das 380 kV-Höchstspannungsnetz mit einer Leistung von mehr als 500 MW.

Über den Anteil des nachhaltig erzeugten Stromes entscheidet der Kunde, bspw. über den Kauf und die Entwertung von Herkunftsnachweisen. Der Bezug der erneuerbaren Energien soll künftig überwiegend aus den eigenen geplanten Anlagen sowie bei Bedarf durch Zukauf von Strom aus erneuerbaren Energien über Stromlieferverträge als Power Purchase Agreement (PPA) erfolgen. Hierbei ist die Lage Leunas im Süden Sachsen-Anhalts vorteilhaft. Beim Spitzenreiter im Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland werden rund zwei Drittel des grünen Stroms aus Windkraft erzeugt.

Der Chemieparkmanager wird außerdem in Erzeugungsanlagen für grüne Energie investieren. Dazu gehören die Errichtung von Windenergie- und Fotovoltaikanlagen. Beide Quellen werden jeweils ca. 52 GWh Strom bereitstellen können. Damit verbunden ist der Bau einer großen Power-to-Heat-Anlage geplant, die PV- und Windstrom in Dampf für das Standortnetz umwandelt, so das regionale Stromnetz entlastet und die Verwendung von Erdgas weiter zurückdrängt. Die Planungen sind bereits weit fortgeschritten – mit den Inbetriebnahmen werden, beginnend im Jahr 2025, große Schritte in Richtung der CO2-Neutralität des Standorts unternommen.

 

Nicht fossil und biogen – Wandel in der Rohstoffbasis

Ein weiterer vielversprechender Ansatz auf dem Weg zu CO2-Neutralität ist die Verwendung von Biomasse als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Chemikalien. Zudem gilt grüner Wasserstoff als unentbehrlich für die Umstellung der Chemieindustrie in Richtung Nachhaltigkeit.
Bereits seit zehn Jahren wird im Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna im Bereich nachwachsender Rohstoffe geforscht, die später in kommerzielle Verfahren münden. Rohstoffe wie pflanzliche Öle, Zellulose, Stärke oder Zucker werden aufbereitet und zu chemischen Produkten umgesetzt. Im Projekt EthaNa wird unter Koordination des Fraunhofer CBP ein neues Verfahren zur Aufbereitung von Raps nach dem Prinzip einer Raps-Bioraffinerie entwickelt.

Eines der größten Projekte im Bereich der Chemieproduktion auf Basis nachwachsender Rohstoffe liefert UPM Biochemicals: Das Unternehmen plant, Ende des Jahres in Leuna die weltweit erste Bioraffinerie in Betrieb zu nehmen, die aus nachhaltig erwirtschaftetem Laubholz Biochemikalien zur Herstellung recyclingfähiger Alltagsgegenstände gewinnt und so den Verbrauch fossiler Rohstoffe sowie den CO2-Fußabdruck erheblich reduziert.
Aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten – sowohl als Kraftstoff und Heizenergie als auch als Speicher und Rohstoff für industrielle Anwendungen – ist grüner Wasserstoff ein gefragter alternativer Energieträger und Dekarbonisierungsfaktor. Mit einer der weltweit größten PEM-Elektrolyseanlagen von Linde zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und dem Fraunhofer IWES mit seinen Forschungsaktivitäten ist Leuna führend in diesen Technologien. Im Bereich der emissionsfreien Mobilität tragen in diesem Zusammenhang u.a. Projekte der Total­Energies Raffinerie sowie das eMethanol-Projekt der C1 Green Chemicals mit grünem Wasserstoff dazu bei, den Straßen-, Schiffs- und Flugverkehr klimafreundlich umzugestalten. Nicht zuletzt mit der Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die in Leuna die Herstellung strombasierter Kraftstoffe im industriellen Maßstab erforscht und entwickelt. Der symbolische Baubeginn ist für Oktober 2024 geplant.

„Die wesentlichen Rohstoffe in Leuna sind aktuell noch Erdöl und Erdgas. Jetzt wird die Rohstoffbasis breiter, da nachwachsende Rohstoffe wie Holz künftig am Standort eine ganz wichtige Rolle spielen werden. Wir entwickeln den Standort weiter in Richtung einer nachhaltigen, biobasierten Chemie. Die wettbewerbsfähige Aufstellung unseres Energiesystems und unser gut ausgebautes Infrastrukturnetz schaffen die Grundlage für den Erfolg unserer Kunden und die weitere Transformation des Standortes“, so Geschäftsführer Christof Günther.

Klimaneutralität geht nur global

Die Zielsetzung der Klimaneutralität stellt hohe Anforderungen an Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft. Technologische Lösungen sind bereits verfügbar, jedoch mit komplexen Umsetzungsprozessen und hohen Investitionen verbunden. Die größte Herausforderung liegt in der globalen und gerechten Ausgestaltung der Transformation.

So erstrebenswert die vergleichsweise hohen Klimaziele in Deutschland sind, so wichtig ist die wettbewerbsgerechte Ausgestaltung der Maßnahmen. Eine Transformation, die im Ergebnis die schleichende Abwanderung der Branche zur Folge hat, kann nicht im gesellschaftlichen Interesse liegen. Der Ausbau der Stromnetze und ein ausreichender Zugang zu grünem Strom und Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen sind nur zwei flankierende Maßnahmen, die von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Transformationsprozesses sind.

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