14.11.2016 • ThemenChemielogistikChemieindustrieCM 21/2016

Ronald Friedreich, DHL, im Interview: Branchenkonzept bezieht Luftfracht mit ein

Luftfracht ist per se nicht die Standardtransportart in der chemischen Industrie. Doch haben Transporte mit dem Carrier Flugzeug durchaus einige Vorteile. Für DHL ist der Air Cargo Bereich im neu geschaffenen Branchenkonzept für die chemische Industrie ein Baustein. CHEManager befragte Ronald Friedreich, Europe Head of Air Freight der DHL, zu den relevanten Entwicklungen und der Bedeutung der Luftfracht für die Chemieindustrie. Die Fragen stellte Dr. Sonja Andres.

CHEManager: Herr Friedreich, welche signifikanten Entwicklungen sind in Bezug auf die beförderten Volumen im Luftfrachtbereich momentan zu erkennen?  Welche Ursachen stecken hinter diesen Entwicklungen?

R. Friedreich: Die Air Cargo Industrie befindet sich gerade in einem massiven Umbruch. Zum einen ziehen sich sehr viele renommierte Airlines aus den „Frachter-Märkten“ mehr und mehr zurück, gleichzeitig erkennen andere Fluggesellschaften gerade diese Veränderung bei den Netzwerk-Carriern und nützen dies als Geschäftsmöglichkeit. Luftfrachtdrehkreuze in Ländern wie Russland oder Azerbajan wären vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. In der Zwischenzeit besteht dort eine gute Infrastruktur, die in vielen Belangen mit Standorten in Europa mithalten kann.

Wie schätzen Sie hierbei den Einfluss der Carrier aus dem Mittleren Osten auf den Luftfrachtmarkt und das Preisgefüge im Weltmarkt ein?

R. Friedreich: Carrier aus dem Mittleren Osten spielen hier eine federführende Rolle! Sie haben aufgrund der sehr jungen Flugzeugflotten geringere Betriebskosten und ein geringeres Risiko von kostenintensiven AOGs (Aircraft on Ground) sowie ausschließlich Flugzeugtypen im Bereich der Passagierflotten mit interessanten Belly-Fracht-Optionen. Auch die Abflugdichte ist mit derzeit rund 1.300 Abflügen von europäischen Airports in deren Drehkreuze im Mittleren Osten recht hoch. Dies entspricht einer Kapazität von etwa 20.000 Frachttonnen pro Woche.

Wie ist die Situation im Bereich der per Luftfracht beförderten Chemikalien zu beurteilen?

R. Friedreich: Der Luftfrachttransport ist per Definition nicht der geplante Verkehrsträger in der chemischen Industrie. Trotzdem gibt es eine sehr große Tonnage, die jährlich geflogen wird. Herausfordernd sind natürlich Güter, welche einer schwierigen Gefahrengutklasse unterliegen und die deshalb häufig nicht auf Passagierflügen befördert werden können.

Welchen Anteil haben Chemikalien im Luftfrachtbereich überhaupt? Ist deren Anteil steigend oder fallend? Was sind die Ursachen?

R. Friedreich: Eine genaue Tonnage ist sehr schwierig zu beziffern. Momentan sehe ich den Anteil ansteigend, da doch Faktoren wie Hafenstreiks oder die aktuell schwierige Situation einer koreanischen Reederei, manche globale Lieferkette vor eine Herausforderung stellt und Sendungen geflogen werden müssen, die eigentlich im Seetransport geplant waren.

Welche Ziele verfolgt DHL mit dem Starbroker Europe Konzept und welche Vorteile bringen in diesem Zusammenhang Kapazitätsangebote wie „silkway“ über den Knotenpunkt Baku? Profitieren auch die Unternehmen der chemischen Industrie davon?

R. Friedreich: Das Inhouse-Produkt Starbroker gibt uns die Möglichkeit auf bestimmten Flugstrecken, die häufig Kapazitätsengpässe darstellen, unsere eigene Kapazität zu schaffen und unseren Kunden damit eine reibungslose Transportabwicklung auch in schwierigen Zeiten anbieten zu können. Baku oder auch Moskau stellen hier neue Frachtendrehscheiben dar, über die man Märkte in Asien, im Subkontinent als auch im Mittleren Osten sehr gut bedienen kann. Als Zukunftsmarkt sehe ich hier durchaus den Iran, dessen Grenze nur wenige LKW-Stunden von Baku entfernt liegt.

DHL hat unter dem Slogan „we think chemicals“ ein spezifisches Branchenkonzept für die chemische Industrie aufgesetzt. Was sind die Kernelemente dieses Konzepts?

R. Friedreich: Wir verstehen die Bedürfnisse unserer Kunden in der hochkomplexen Branche bis ins Detail. Deshalb können wir, als einer der weltweit führenden Anbieter von integrierten Logistiklösungen, gerade für den Chemiesektor ein umfangreiches Produktportfolio anbieten. Das reicht von der Logistikberatung über die Luft- und Seefracht, mit Produkten wie zum Beispiel DHL Ocean Secure und DHL Flexitanks für Flüssigware, bis hin zu Zollabwicklung und Lagerhaltung auch für Gefahrgut sowie Auslieferungskonzepte per LKW oder Bahn. Wir sind SQAS-zertifiziert, kennen und praktizieren die strengen Regularien der Branche in Bezug auf Sicherheit und Umwelt. Nur so ist es uns gelungen, uns als strategischer Logistikpartner in der chemischen Industrie zu etablieren.

Inwieweit ist der Transport per Luftfracht in dieses Supply-Chain-Konzept für chemische Güter eingebunden?

R. Friedreich: Mir ist klar, dass die Transportart, die ich vertrete zwei Attribute mit sich bringt, die eigentlich nicht gerne in der chemischen Industrie gesehen werden: Erstens höhere Kosten pro transportierter Tonne, und zweitens höhere CO₂-Emissionen pro FTK. Trotzdem greift man auf die Luftfracht zurück, wenn die Transportzeit kurzfristig verbessert werden muss. Wir als DHL Global Forwarding sind hier gefordert, innovative Transportlösungen anzubieten, welche die Herausforderung in der Lieferkette unseres Kunden kurzfristig verbessern und so Lieferengpässe und/oder Opportunitätskosten verhindern.

Welche Resonanz zeigt sich aus der Chemiebranche bislang auf das Konzept?

R. Friedreich: 2016 ist für DHL ein sehr erfolgreiches Jahr in der chemischen Industrie gewesen. Es ist uns gelungen neue, global agierende Kunden für unser Konzept zu begeistern und Partnerschaften signifikant auszubauen. Dies zeigt, dass wir die richtigen Schritte gesetzt haben und mehr und mehr ein integraler Bestandteil in der globalen Supply Chain unserer Kunden werden.

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