Statement: Ralf Busche, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und Senior Vice President European Site Logistics Operations, BASF
Experten der Chemie- und Pharmalogistik blicken zurück und voraus: Welche Innovationen haben die Branche geprägt – und welche Trends bestimmen die nächsten 20 Jahre?
Spezifische Logistiklösungen sind gefragt

Die Chemie- und Pharmaindustrie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten signifikant und sichtbar weiterentwickelt. Während die Entwicklung anderer Industrien in diesem Zeitraum vor allem durch technologische Innovationen und weitreichende Automatisierung gekennzeichnet war, wurde der Fortschritt in der Chemie- und Pharmaindustrie im Wesentlichen durch verbesserte Sicherheitsstandards, Automatisierung von Geschäfts- und Produktionsprozessen durch Einsatz leistungsfähiger ERP-Systeme sowie Globalisierung der Lieferketten geprägt. Die sichere und effiziente Handhabung und der Transport empfindlicher und oft gefährlicher Substanzen erforderte seit jeher in der Chemie- und Pharmalogistik spezielle Sicherheitsprotokolle und Ausrüstungen. Dementsprechend werden spezifische Logistiklösungen benötigt, um die hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu erfüllen.
Rückblickend sind die Einführung von Just-in-Time-Lieferungen und Echtzeit-Tracking-Systemen Meilensteine in der Entwicklung der Logistik, da sie eine weitere Optimierung der Lieferketten und die Reduktion der Lagerkosten ermöglichten. Besonders hervorzuheben ist auch die Implementierung temperaturgeführter Transporte, die die längere Wirksamkeit pharmazeutischer Produkte sicherstellte.
Gleichzeitig haben Unternehmen spezialisierte Logistikstrukturen aufgebaut und Teile ihrer Logistikaktivitäten ausgelagert, um sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und so Effizienz- und Flexibilitätsgewinne zu realisieren. Technologische Innovationen wie die RFID-Technologie zur Verfolgung von Gütern, automatisierte Lagersysteme und die Nutzung von Big Data zur Vorhersage der Nachfrage und Optimierung der Lieferketten spielten in den vergangenen Jahren eine zentrale Rolle.
Nach vorne blickend wird die Chemie- und Pharmaindustrie mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben. Im Heimatmarkt Europa leidet die Industrie unter mangelndem Wachstum, hohen Energiekosten, überbordender Bürokratie und schlechten Standortrahmenbedingungen wie zum Beispiel Fachkräftemangel und Verfall der Infrastruktur. Dieser Umstand erfordert zusätzliche Anstrengungen, insbesondere zur Sicherstellung der Resilienz gegenüber globalen Krisen. Die Digitalisierung wird zukünftig eine noch zentralere Rolle spielen. Technologien wie künstliche Intelligenz – KI – und das Internet der Dinge – IoT – werden eine präzisere Steuerung und Überwachung der Lieferketten ermöglichen. Die Blockchain-Technologie könnte die Transparenz und Sicherheit der Logistikprozesse noch weiter verbessern. Neben dem Einsatz autonomer Fahrzeuge wie auch Drohnen zur Revolutionierung der Transporte könnte auch der Einsatz innovativer mobiler Roboter zu einer höheren Effizienz führen. Um ihre Produktivität weiter zu steigern und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen verstärkt in die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden sowie in flexible Logistiklösungen investieren. Auch der Weg hin zu Nachhaltigkeit wird ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein, da regulatorische Anforderungen und das Bewusstsein der Verbraucher für umweltfreundliche Praktiken stetig zunehmen.
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Chemie- und Pharmalogistik bedeutende Fortschritte erzielt hat und nun vor großen Herausforderungen steht. Die Fähigkeit, technologische Innovationen als große Chance zu begreifen und zu nutzen und sich dabei schnell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, wird entscheidend für den Erfolg in den kommenden Jahrzehnten sein.