21.08.2012 • NewsAkzoNobelBATBrasilien

Chemie-Inseln

Brasilien gewinnt in der Weltwirtschaft stetig an Bedeutung und ist nach China der wichtigste aufstrebende Markt. Auch für AkzoNobel wird der brasilianische Markt immer wichtiger. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat das Unternehmen Investitionen von mehr als 170 Mio. € im größten Land Südamerikas angekündigt. Im Vordergrund stehen die Zellstoffindustrie - einer der wichtigsten Industriezweige Brasiliens - und das innovative Konzept der „Chemical Islands" für eine nachhaltige Zellstoffproduktion. CHEManager befragte dazu AkzoNobel-Vorstandsmitglied Werner Fuhrmann, verantwortlich für die Bereiche Supply Chain und Specialty Chemicals, und André Veneman, den Corporate Director Sustainability. Die Fragen stellten Birgit Megges und Michael Reubold.

CHEManager: Das Schlagwort „Nachhaltigkeit" ist aus den Unternehmensleitlinien oder -strategien von Chemiekonzernen nicht mehr wegzudenken. Was versteht AkzoNobel unter Nachhaltigkeit?

André. Veneman
: Die Welt steht einer wachsenden Bevölkerung, der Knappheit natürlicher Ressourcen und dem Klimawandel gegenüber. Um weiterhin Produkte und Lösungen für unsere Kunden liefern zu können, müssen wir uns dieser Realität anpassen und die Art und Weise, wie wir Dinge tun, ändern. Wir müssen mehr mit weniger erreichen. Tatsächlich ist es eine Chance, dies besser und schneller zu tun, als unsere Mitbewerber, und es wird uns auch helfen, unser Geschäft zu vergrößern.
Werner Fuhrmann: Nachhaltigkeit ist vollkommen in unsere Unternehmensstrategie integriert. Alle Nachhaltigkeitsziele sind von der übergreifenden Unternehmensstrategie, unserer Value und Values-Strategie, abgeleitet, aber auf die spezifischen Bedingungen und Märkte, in denen wir operieren, zugeschnitten.
Wir streben danach, nachhaltiges, profitables Wachstum zu erzielen und zwar zum einen durch die Reduzierung von negativen Einflüssen unseres eigenen operativen Geschäfts und das unserer Zulieferer und zum anderen durch Innovation, indem wir unseren Kunden neue Technologien, Produkte und Services mit einer besseren Performance in Bezug auf die Umwelt anbieten.

Ein Aspekt der Nachhaltigkeit ist der verantwortliche Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Minimierung von Umweltauswirkungen von Produktionsprozessen. Für die Zellulose- und Papierindustrie, einem ressourcenintensiven Sektor und wichtigen Markt für AkzoNobel, haben Sie das Konzept der „Chemical Islands" entwickelt. Worauf basiert es?

André. Veneman:
Die Papier- und Zellstoffindustrie wird von vielen als eine der nachhaltigsten Industrien der modernen Ära angesehen. Wenn Menschen mehr Papier benutzen, pflanzen Landbesitzer mehr Bäume. Darüber hinaus ist die Papier- und Zellstoffindustrie als führend in der Produktion und Nutzung erneuerbarer Energien anerkannt. Die von dieser Industrie erzeugte Energie ist kohlenstoffneutral, nachhaltig und erneuerbar, anders als Kohle, Öl oder Erdgas. Durchschnittlich generieren Mühlen für Papier- und Holzprodukte 65 % ihres Energiebedarfes aus Biomasseabfällen. Die steigende Nutzung erneuerbarer Energien hat es dieser Industrie ermöglicht, den Einsatz von kohlenstoffintensiven fossilen Energieträgern und zugekaufter Energie seit dem Jahr 2000 um 19 % zu reduzieren.

Wie funktioniert das Konzept und wo wenden Sie es an?

Werner Fuhrmann:
Moderne Zellstoffwerke, wie sie in Brasilien gebaut werden, erzeugen in der Regel überschüssige Betriebsstoffe, wie etwa Dampf und Strom, die dann dazu genutzt werden können, andere Produktionsprozesse zu betreiben. Um diese überschüssige Energie zu nutzen, hat unsere Sparte Pulp and Performance Chemicals ein Konzept entwickelt, bei dem unsere Natriumchlorat- und Chlordioxid-Anlagen direkt in oder neben einem Zellstoffwerk errichtet werden. Auf diese Weise kann AkzoNobel den überschüssigen Strom des Zellstoffwerkes verwenden, um Natriumchlorat zu produzieren. Die Verwendung von Natriumchlorat zur Gewinnung von Chlordioxid ist die weltweit beste verfügbare Technik. Im Englischen spricht man von der „Best Available Technology" oder BAT. Zellstoffwerke verwenden Chlordioxid, um den Zellstoff zu bleichen.
Das „Chemical Island"-Konzept bietet ein umfangreiches, auf dem neuesten Stand der Technik befindliches Chemikalien-Managementsystem für eine sichere, zuverlässige und kosteneffiziente Produktion von Chemikalien wie Natriumchlorat, Chlordioxid und Wasserstoffperoxid. Es erlaubt auch das Handling anderer Chemikalien zur Herstellung von Zellstoffen, immer die Umwelt im Fokus.
Dies beinhaltet auch die Rund-um-die-Uhr-Besetzung mit ausgebildeten AkzoNobel-Mitarbeitern, die die Anlage vor Ort betreiben, um die Chemikalien zu produzieren und zu liefern, welche das Zellstoffwerk benötigt. Dies reduziert effektiv Transport- und Energiekosten und minimiert dadurch auch den ökologischen Fußabdruck.
Diese Lösung hat sich in Brasilien als hocherfolgreich erwiesen. Die Eka-Anlage bei Veracel im brasilianischen Bahia war die erste voll-funktionsfähige Anlage, bei der das „Chemical Island"-Konzept Anwendung fand. Die Anlage ging 2005 an den Start. Seitdem haben sich verschiedene andere Kunden für diese, für die Umwelt nachhaltigere, Partnerschaft entschieden, um ihren Bedarf an chemischen Produkten sicherzustellen.

Was unterscheidet das Chemical Island-Konzept von anderen Stoff- und Energieverbundkonzepten?

Werner Fuhrmann:
Das einzigartige an der „Chemical Island" ist, dass die Energie auf Biomasse basiert. Dieses Konzept und Geschäftsmodell, dass ein Chemielieferant seine Anlage am Werk des Kunden errichtet, war neu für die Zellstoffindustrie, als es von AkzoNobel als erstem Unternehmen eingeführt wurde. Heute haben wir fünf Anlagen, die in Betrieb sind oder es bald sein werden, alle in Brasilien (bit.ly/NriRAV).

Welche wesentlichen Investitionen, die auf dem Konzept der „Chemical Islands" basieren, haben Sie in den letzten Jahren in Brasilien getätigt?

Werner Fuhrmann:
In die Anlage Jupiá haben wir eine Summe in Höhe von ca. 90 Mio. € investiert, um das Zellstoffwerk Eldorado zu beliefern. Weitere ca. 80 Mio. € investieren wir in die Anlage in Imperatriz, um das Zellstoffwerk Suzano zu beliefern.

Realisieren Sie das Konzept der „Chemical Islands" auch in anderen Ländern oder Regionen?

Werner Fuhrmann:
Obwohl sich unsere derzeitigen „Chemical Islands" alle in Brasilien befinden, ist es ein Konzept, das dafür geeignet ist, in jeder Region der Welt implementiert zu werden. Wir suchen immer nach Möglichkeiten, um diesen innovativen Weg, der unseren Kunden dabei hilft, ihr Geschäft weiterzuentwickeln, weiter auszubauen.

Lässt sich das Chemical Island-Konzept auch auf andere Produktionsprozesse übertragen?

Werner Fuhrmann:
Die Idee integrierter Konzepte, bei denen man sehr eng mit seinen Kunden zusammenarbeitet, kann natürlich in anderen Produktionsprozessen implementiert werden. Das „Chemical Island"-Konzept jedoch wurde speziell für die Papier- und Zellstoffindustrie designt und ist auf das Überangebot an biobasierter Energie, die in einem Zellstoffwerk erzeugt wird, angewiesen.

Welche anderen Investitionen in energieeffizientere Produktionsprozesse tätigen oder planen Sie derzeit?

Werner Fuhrmann:
Wir investieren stets, um unsere Produktion noch effizienter und energiesparender zu machen. Ein Beispiel ist unsere Investition in Höhe von 140 Mio. €, um die Chlorelektrolyse in Frankfurt am Main in eine noch modernere und effektivere Technologie umzurüsten.

Zurück zur Nachhaltigkeit: Müssen Sie als Chemiekonzern, der in einer globalen Wirtschaft mit den unterschiedlichsten Industriezweigen und Kunden zusammenarbeitet, nicht unweigerlich Kompromisse eingehen?

André Veneman:
Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Option, sondern ein entscheidendes Element für langfristigen Geschäftserfolg und wird uns dabei helfen, mehr wettbewerbsfähige Produkte und Lösungen für unsere Kunden zu liefern. Unser Ziel ist es, Nutzen zu schaffen, sowohl für die Geschäfte von AkzoNobel als auch für unsere Kunden. Unsere „Eco-Premium"-Produkte zum Beispiel helfen dabei, dieses Ziel zu erreichen. Diese Lösungen bieten aufgrund ihrer verbesserten Performance hinsichtlich Rohstoff-
einsatz, Produktionsprozessen und Produktinnovationen beste Wachstumschancen. Bei Öko-Effizienz geht es darum, mehr Wert bei gleichzeitig geringeren ökologischen Auswirkungen zu generieren.

Auf welche Probleme und Dilemmas stoßen Sie dabei und wie gehen Sie damit um? Können Sie Beispiele nennen?

André Veneman:
Nachhaltigkeit erfordert einen Wandel von kurzfristigem hin zu langfristigem Denken. Wir waren es gewohnt zu denken, dass wir eines Tages ein nachhaltiges Unternehmen sein würden. Wir wissen jetzt, dass dies ein fortschreitender Prozess, eine andauernde Reise ist. Einige der Herausforderungen, auf die wir während dieser Reise gestoßen sind, sind für unsere internen wie externen Stakeholder gleich. Zum Beispiel wie man Management, Mitarbeiter aber auch Kunden gemeinsam ins Boot holt, um die Veränderungen umzusetzen, die uns nachhaltiger werden lassen. Dazu ist es wichtig zu zeigen, dass es nicht nur einfach darum geht, „grün" zu werden. Stattdessen sollten wir Nachhaltigkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachten. Nach Möglichkeiten suchen, wie man Mehrwert für Kunden schaffen kann und gleichzeitig die Kontinuität des eigenen Geschäftes sicherstellen und mit weniger Ressourcen arbeiten kann. Beispielsweise haben wir Diskussionen über die Verfügbarkeit, Preisstruktur und Produktionslogistik erneuerbarer Rohstoffe initiiert. Nachhaltigkeit ist in der Tat eine Kombination aus Menschen, Umwelt und Ertrag. 

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