Standorte & Services

Wettbewerbsnachteile im internationalen Vergleich

Dr. Joachim Kreysing über den Standort Deutschland und Pläne für den Industriepark Höchst

08.12.2015 -

Infraserv Höchst ist als Betreibergesellschaft von Industriestandorten wie dem Industriepark Höchst Partner für Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche sowie verwandter Prozessindustrien. Das Unternehmen bietet Standortdienstleistungen in den Bereichen Site Services, Energien, Entsorgung und Logistik an. Seit Jahresbeginn ist Dr. Joachim Kreysing Geschäftsführer von Infraserv Höchst. Gemeinsam mit Jürgen Vormann, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, lenkt er die Geschicke bei der Standortbetreibergesellschaft. Von 2003 bis 2008 war Kreysing bereits im Industriepark Höchst tätig und begleitete u.a. die Gründung der Infraserv Höchst Technik, die 2005 Teil des Bilfinger-Konzerns wurde. CHEManager befragte ihn zu seinen Eindrücken und Erfahrungen im ersten Jahr nach der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte.

CHEManager: Herr Dr. Kreysing, für Ihre jetzige Aufgabe bei Infraserv Höchst kehren Sie an Ihre alte Wirkungsstätte zurück. Was sind für Sie die augenscheinlichsten Veränderungen?

Dr. J. Kreysing: Auch in den Jahren, in denen ich nicht am Standort tätig war, habe ich die Entwicklung des Industrieparks aufmerksam beobachtet. Daher wusste ich auch um die vielen neuen Projekte und Veränderungen. Dennoch war es beeindruckend zu sehen, was sich hier alles getan hat. Es gibt neue Produktionsanlagen, Forschungs- und Laborgebäude, neue Infrastruktureinrichtungen. Auch aus der Eindrücken, die ich an anderen Standorten gesammelt habe, kann ich sagen: Kaum ein anderer Industriestandort hat sich in den letzten Jahren so dynamisch entwickelt wie der Industriepark Höchst.

In der Tat: Die Unternehmen im Industriepark haben seit dem Jahr 2000 rund 6,3 Mrd. EUR am Standort investiert. Wie schätzen Sie generell das derzeitige Investitionsklima ein?

Dr. J. Kreysing: Ich rechne damit, dass das Investitionsklima rauer wird und es an allen Industriestandorten in Deutschland schwer werden dürfte, das Investitionsniveau stabil zu halten. Wesentliche Faktoren sind hierbei die Energiekosten, aber auch die fehlende Planungssicherheit. Die energiepolitischen Rahmenbedingungen, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden, haben die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland nicht verbessert. Im Gegenteil: Wir haben als deutscher Industriestandort nicht zuletzt aufgrund der energiepolitischen Rahmenbedingungen Wettbewerbsnachteile im internationalen Vergleich.

Sie haben bei Infraserv Höchst u.a. die Verantwortung für die Segmente Energiemanagement und Energiehandel. Nochmals nachgefragt: Betrachten Sie die aktuelle Energiepolitik in Deutschland als vorteilhaft für den Standort?

Dr. J. Kreysing: Klare Antwort: Nein! Dabei geht es mit nicht darum, für energieintensive Branchen Entlastungen zu fordern. Die Energiewende war gesellschaftlich und politisch gewollt, und wir bekennen uns als Industrieunternehmen auch dazu, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen und den Energiebedarf sowie den CO2-Ausstoß möglichst weitgehend zu reduzieren. Ich möchte auch nicht die Klimaschutzziele in Frage stellen, aber wir sollten versuchen, diese Ziele möglichst kosteneffizient zu erreichen. Und wir brauchen Wettbewerbsgleichheit und einen globalen Ansatz für Klimaschutzaktivitäten. Das ist für deutsche Industriestandorte enorm wichtig. Darüber hinaus ist Planungssicherheit ein wichtiger Faktor: Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, um Industriestandorte, produzierende Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu erhalten.

Können Sie konkreter werden?

Dr. J. Kreysing: Ein Beispiel: Die Kraft-Wärme-Kopplung. Der Betrieb hocheffizienter und umweltfreundlicher KWK-Anlagen ist für die Unternehmen deutlich schwieriger geworden, und mit dem Inkrafttreten des neuen KWK-Gesetzes zum 1.Januar 2016 soll die Kraft-Wärme-Kopplung für den industriellen Bereich gegenüber den KWK-Anlagen für das allgemeine Netz noch schlechter gestellt werden. Das kann dazu führen, dass industrielle KWK-Anlagen nur noch eingeschränkt betrieben werden können und der Strom anderweitig produziert wird, beispielsweise in Kohlekraftwerken mit einem geringeren Brennstoffnutzungsgrad und in Relation höheren CO2-Emissionen.

Auch das Eigenstromprivileg, das gerade in Frage gestellt wird, ist ein wichtiges Thema für energieintensive Branchen. Wenn die Befreiung von der EEG-Umlage für den für den Eigenbedarf produzierten Strom nicht mehr gelten sollte, hätte das erhebliche Auswirkungen für die Industrie.

Mir ist bei diesen Diskussionen auch das Thema Planungssicherheit für Unternehmen wichtig: Wer heute in eine Produktionsanlage investiert, denkt in Zeiträumen von Dekaden – nicht in Quartalen oder Legislaturperioden, so wie das mitunter in der Energiepolitik der Fall zu sein scheint. Verlässliche Rahmenbedingungen sind ein Erfolgsfaktor für eine Industrienation.

Inwieweit spüren Sie denn die Konkurrenz von Chemie- und Industriestandorten im benachbarten Ausland, die ebenfalls um Ansiedlungen und Investitionen werben?

Dr. J. Kreysing: Wir stehen als Industriepark in einem globalen Wettbewerb, da unsere Kunden überwiegend auch international aufgestellt sind und bei Investitionsentscheidungen Standorte in verschiedensten Regionen der Welt in Frage kommen. Natürlich spielt es da mitunter eine Rolle, dass beispielsweise in den USA die Energiepreise ganz andere sind als in Europa. Aber es ist in den vergangenen Jahren gelungen, den Industriepark Höchst trotz dieser Unterschiede erfolgreich im Standortwettbewerb zu positionieren und dafür zu sorgen, dass beachtliche Investitionsprojekte in Höchst realisiert wurden.

Welche Erwartungen hinsichtlich künftiger Investitionen haben Sie denn trotz der Standortnachteile für Ihren eigenen Standort?

Dr. J. Kreysing: Was den Industriepark Höchst angeht, bin ich optimistisch, dass wir auch weiterhin signifikante Investitionen am Standort erleben werden, einfach weil die Rahmenbedingungen stimmen und die Investitionen an unserem Standort für forschende und produzierende Unternehmen nach wie vor rechnen. Aber es könnte auch für den Industriepark Höchst schwieriger werden, sich im internationalen Standortwettbewerb zu behaupten.

Inwieweit beeinflusst die Energiewende Ihre Strategie als Betreibergesellschaft von Industriestandorten in Deutschland?

Dr. J. Kreysing: Im Industriepark Höchst hat Infraserv sehr frühzeitig auf einen breiten Brennstoff-Mix und hocheffiziente, umweltfreundliche Anlagen gesetzt. Leider bietet die Energiewende aktuell nicht die Möglichkeit, die ökologischen Vorteile solcher Anlagen auch wirklich konsequent zu nutzen.

Was unsere Strategie angeht: Dass der Industriepark Höchst trotz der beschriebenen Probleme erfolgreich positioniert ist, hat auch etwas mit unserem Serviceportfolio und den verschiedenen Synergieeffekten zu tun, die wir mit unseren Leistungen generieren können. Dementsprechend haben wir unsere Wachstumsstrategie auch dahingehend weiterentwickelt, dass wir andere Unternehmen an Industriestandorten, die auch aufgrund der Energiewende unter einem erheblichen Kosten- und Wettbewerbsdruck stehen, durch modular aufgebaute Services dabei unterstützen können, ihren Produktionsstandort effizienter zu betreiben und trotz der energiepolitischen Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein. Das reicht von der Beratung über die detaillierte Analyse der Sekundärprozesse an einem Standort bis hin zu der Übernahme einzelner oder kompletter Leistungspakete.

Wie soll sich der Standort künftig entwickeln – zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört der Bereich Business Development – und worauf legen Sie den Fokus Ihrer Tätigkeit, um das Geschäft auszubauen?

Dr. J. Kreysing: Man muss unterscheiden zwischen dem Geschäft, dass wir als Standortbetreiber mit den Kunden im Industriepark machen, den potenziellen Neukunden am Standort und dem externen Wachstum außerhalb des Industrieparks.

Am Standort stehen wir auch als Betreiber mit unseren Leistungen in einem harten Wettbewerb. In den letzten Jahren hat Infraserv Höchst viel getan, um die Effizienz kontinuierlich zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit weiter zu optimieren. Die Ergebnisse sind nachweisbar, das spüren wir auch beim Bestandskundengeschäft und sehen das unter anderem auch in den beachtlichen Investitionen, die von den Standortgesellschaften im Industriepark getätigt werden. Letztendlich wirken sich diese Kostenoptimierungen auch auf Neuansiedlungen, denn natürlich spielen auch für Unternehmen, die sich für den Industriepark als Standort entscheiden, die Kosten eine entscheidende Rolle. Die sehr spezielle, technisch anspruchsvolle Infrastruktur hat ihren Preis, aber der muss international wettbewerbsfähig sein. Da können wir sehr gut mithalten.

Darüber hinaus wollen wir auch außerhalb des Industrieparks Geschäftspotenziale nutzen, denn für Unternehmen unserer Zielbranchen haben wir ein breites, aber auch sehr spezielles Leistungsportfolio, mit dem wir standortunabhängig Wettbewerbsvorteile für Kunden erzielen können.

Das Gelände hat noch Platz für Neuansiedlungen. Welchen Mix streben Sie dabei an?

Dr. J. Kreysing: Der Industriepark Höchst bietet besonders gute Voraussetzungen für produzierende Unternehmen, die eine technisch anspruchsvolle Infrastruktur benötigen, beispielsweise in Bezug auf spezielle Entsorgungseinrichtungen oder die Versorgung mit Energien, Medien und Rohstoffen. Daraus ergibt sich beinahe zwangsläufig eine Fokussierung auf Firmen, die eine solche Infrastruktur benötigen, aber nicht unbedingt selbst betreiben und Investitionen hierfür tätigen wollen. Diese Unternehmen können sich bei uns in einen gut funktionierenden, hocheffizienten Ver- und Entsorgungsverbund einklinken.

Darüber hinaus haben bei unserem Service-Portfolio natürlich auch besondere Expertise in den Bereichen, die für Chemie- und Pharmakunden relevant sind. Das reicht vom Gefahrgut-Handling bis hin zu dem speziellen Fachwissen, dass beim Facility Management in Forschungs- und Laborgebäuden benötigt wird. Aber es gibt durchaus auch andere Branchen, für die der Standort interessant sein könnte. Beispielsweise für Betreiber von Rechenzentren, die viel Energie, Kühlung und Sicherheitseinrichtungen brauchen.

Für kleine Technologiefirmen kann die Nähe zu großen Unternehmen und potenziellen Kunden ein wichtiger Vorteil sein. Das gilt sicherlich auch für Start-ups, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass bei an einem hochentwickelten Industriestandort natürlich höhere Kosten anfallen als in einem klassischen Gründerzentrum. Das ist für Start-ups mitunter eine hohe Hürde.

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