Personal & Karriere

Sprache ist der Schlüssel – wie die Ausbildung ausländischer Azubis gelingen kann

Drei spanische Auszubildende von BüFa nutzen das Sonderprogramm MobiPro-EU der Bundesagentur für Arbeit

06.09.2016 - Im produzierenden und handwerklichen Gewerbe sprechen Betriebe von immer größeren Schwierigkeiten, geeignete Auszubildende zu finden.

Die Statistik bestätigt das: Seit 2005 sank die Zahl der Ausbildungsbewerber kontinuierlich von 750.000 auf 550.000 zu Beginn des Ausbildungsjahres 2015. Im September 2015 kamen auf 21.000 noch unversorgte Bewerber 41.000 offene Stellen. Gleichzeitig traf die Wirtschaftskrise junge Menschen in Südeuropa besonders hart, denen in ihren Heimatländern oft eine berufliche Perspektive fehlt. Hier setzt das Sonderprogramm MobiPro-EU an, 2013 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufen und von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt. Es soll jungen Menschen aus Europa den Weg in und durch eine betriebliche Ausbildung in Deutschland erleichtern.

Die Firma BüFa im niedersächsischen Oldenburg hat das Programm MobiPro-EU als Chance wahrgenommen, Auszubildende mit internationalem Background in die überwiegend deutsche Mitarbeiterschaft zu integrieren. Das mittelständische Unternehmen mit knapp 500 Mitarbeitern ist in den Geschäftsbereichen Chemikalien, Reinigung und Hygiene sowie Composite-Systeme tätig. Es produziert bspw. Verbundwerkstoffe für die Automobil-Industrie. Seit August 2015 bildet BüFa, gefördert durch MobiPro-EU, zwei Produktionsfachkräfte Chemie und einen Fachlageristen aus Spanien aus.

Bei der Suche nach Auszubildenden den Blick ins Ausland zu wenden, wird vielen Unternehmen nicht als erstes in den Sinn kommen. Denn junge Menschen aus dem Ausland auszubilden, ist mit besonderen Herausforderungen verbunden: Mehr noch als bei der Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland, mit der viele Firmen bereits Erfahrung gemacht haben, sind Sprachkenntnisse bei Auszubildenden von zentraler Bedeutung. Denn sie müssen dem Berufsschulunterricht folgen, Arbeiten schreiben und Berichtshefte führen können – auf Deutsch. Und auch in ihrer Freizeit müssen sie die Möglichkeit haben, am sozialen Leben in Deutschland teilnehmen zu können. Wer sich langweilt und keinen Anschluss findet, wird bald wieder die Heimreise antreten. Allgemein benötigen Jugendliche und junge Menschen aus dem Ausland eine intensivere Betreuung vor Ort, denn nicht immer verfügen sie über die nötige Lebenserfahrung, um sich in einer fremden Arbeits- und Lebenswelt eigenständig zurechtfinden zu können.

Doch all diese Herausforderungen lassen sich überwinden, und der Gewinn für die Betriebe kann den erhöhten Aufwand aufwiegen – das ist eine der zentralen Lehren aus dem Sonderprogramm MobiPro-EU. Das Geheimnis liegt in der Vorbereitung vor und Begleitung während der Ausbildung. Sprachförderung bereits im Heimatland und während der Ausbildung, Zuschüsse zu Reise- und Unterhaltskosten sowie Qualifizierungs- und Orientierungsmaßnahmen sind Bestandteile des Programms. Die Firma BüFa jedenfalls ist mit ihren Auszubildenden hochzufrieden: „Alle drei sind sehr motiviert und engagiert. Sie haben schnell Deutsch gelernt und arbeiten in der Schule fleißig mit. Im Betrieb haben sie keinerlei Probleme“, stellt die Ausbildungsleiterin Sabine Hinrichs fest. „Und auch für die betreuenden Kollegen ist die Arbeit mit den spanischen Azubis eine sehr bereichernde Erfahrung.“

Die allgemeine Resonanz sieht ähnlich aus. „Von vielen Arbeitgebern, die sich an dem Programm MobiPro-EU beteiligt haben, bekommen wir äußerst positive Rückmeldungen zu den vermittelten Jugendlichen“, bestätigt Dr. Carsten Klein, Vorsitzender der Geschäftsführung der ZAV. „Sie seien motiviert und lernbegierig und würden sich trotz anfänglicher Hürden schnell in die deutsche Sprache sowie die neue Lebenssituation einarbeiten. Das ist umso bemerkenswerter, da viele der neuen Auszubildenden vor MobiPro-EU noch kaum oder gar keinen Bezug zu Deutschland hatten.“

Großes Interesse im europäischen Ausland

Das Interesse im europäischen Ausland an einer Ausbildung in Deutschland ist groß. Seit 2013 begannen über MobiPro-EU bereits 5.700 Teilnehmer eine Ausbildung in Deutschland, 3.400 werden zurzeit auf den Ausbildungsstart im Herbst 2016 vorbereitet. Es wird der letzte Jahrgang sein, der durch das Pilotprogramm gefördert wird. Dann werden die Ergebnisse evaluiert, denn ein vergleichbares Förderinstrument hat es vorher in Deutschland noch nicht gegeben. „Das Programm MobiPro-EU dient neben der unmittelbaren Förderung arbeitsloser Jugendlicher aus der Europäischen Union sowie der Unterstützung deutscher Unternehmen bei der Gewinnung von Auszubildenden nicht zuletzt dem Erkenntnisgewinn“, sagt Carsten Klein. „Aus vier Jahren MobiPro-EU lernen wir, worauf es bei der Integration ausländischer Auszubildender in das Arbeits- und Alltagsleben in Deutschland ankommt. Das lässt sich auch auf andere internationale Zielgruppen übertragen.“

Bereits während des Programmverlaufs passten die Verantwortlichen die Förderrichtlinien entsprechend dieser Erkenntnisse an. So wurde MobiPro-EU 2015 von der Individual- auf Projektförderung umgestellt. Fortan musste nicht mehr jeder Ausbildungssuchende alle Anträge allein stellen, vielmehr läuft die Förderung über sog. Projektträger, die ein oder zwei Teilnehmergruppen mit je max. 30 Auszubildenden betreuen. Auch zum Vorteil der teilnehmenden Ausbildungsbetriebe: Nicht jeder muss die Maßnahmen, bspw. Sprachkurse, für seine Auszubildenden alleine organisieren, Energien können gebündelt werden. Gleichzeitig haben die Auszubildenden zentrale Ansprechpersonen, die sich voll und ganz auf sie konzentrieren können, sie beispielsweise mit dem neuen Wohnort vertraut machen, bei der Eröffnung eines Bankkontos helfen oder Freizeitaktivitäten organisieren. In den Gruppen kommen die neuen Auszubildenden außerdem mit anderen MobiPro-Teilnehmern in ihrer Region in Kontakt und merken: „Ich bin nicht allein.“

Soziale Integration führt zum Erfolg

Denn eine der großen Herausforderungen bei der Ausbildung von jungen Menschen aus dem Ausland ist es, das früher oder später eintretende Heimweh zu überwinden. Neben einer gründlichen sprachlichen Vorbereitung hatten daher vor allem solche Arbeitgeber und Projektträger Erfolg mit MobiPro-EU, die es verstanden, ihre neuen Auszubildenden auch sozial gut zu integrieren. In und um Oldenburg sowie der Region Ostfriesland bspw. haben die Kreishandwerkerschaft LeerWittmund und BBF Sustain als Projektträger vier „Feel Good Manager“ eingestellt, um ihre 60 Ausbildungsinteressierten aus sechs europäischen Ländern zu betreuen, die im Herbst 2015 ihre Ausbildung begannen. „Wer sich wohl fühlt, arbeitet auch gut“, erklärt Detlef Greek, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft LeerWittmund den besonderen Einsatz. „Wir müssen neue Wege gehen, um zukünftige Fachkräfte zu finden und zu halten.“

Das Resultat bestätigt die Theorie: 40 der ursprünglich 60 Teilnehmer in Ostfriesland starten bald ins zweite Ausbildungsjahr – die bisherige Abbrecherquote liegt damit nur geringfügig über derjenigen aller Auszubildenden in Deutschland von 25 %. Die, die gingen, brachen vor allem wegen Schwierigkeiten in der Berufsschule ab. „Diese Herausforderung ist nicht zu unterschätzen“, sagt Greek. „Daher haben wir für unsere 66 neuen MobiPro-Teilnehmer in diesem Jahr auch die sprachliche Begleitung noch einmal intensiviert.“

Bei BüFa sind alle drei spanischen Auszubildenden noch an Bord und mit Eifer bei der Sache. „Ich fühle mich hier sehr wohl, weil die Kollegen mich so herzlich aufgenommen haben. Sie helfen mir wirklich immer, egal, ob es um etwas Fachliches oder eben um die Sprache geht. Wir sind wie eine kleine Familie“, sagt Claudia Díaz Ríos, Auszubildende zur Produktionsfachkraft Chemie. „Außerdem werden wir sehr gefördert, worum uns Auszubildende anderer Firmen sogar manchmal beneiden. Den Beginn der Ausbildung hat mir zum Beispiel ein Aufenthalt auf Juist mit allen anderen neuen BüFa-Azubis erleichtert. Zwei Wochen, in denen ich durchgängig Deutsch gesprochen habe und wir – neben Schulungen zu Methoden- und Sozialkompetenzen – sogar das Fliegen mit einem Motorsegler lernen durften.“

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