Schlüssel zur kontinuierlichen Produktion
cGMP-konformes Coriolis-Durchflussmessgerät für Single-Use-Anwendungen in der Biotechnologie
Fortschritte in der Coriolis-Durchflussmesstechnik ermöglichen den Einsatz wirtschaftlicher und sicherer Single-Use-Anlagen nicht nur in Batch-Prozessen, sondern auch in kontinuierlichen Produktionsverfahren, was die Effizienz und Anpassungsfähigkeit in beiden Branchen erheblich steigert.
Die steigende Komplexität in der Entwicklung neuer Wirkstoffe und Materialien stellt sowohl die Pharma- als auch die Chemieindustrie vor große Herausforderungen. In der Biopharmaindustrie treiben zell- und genbasierte Therapien, mRNA-Technologien und personalisierte Behandlungsansätze den Bedarf an flexiblen, dynamischen Prozessen voran. Gleichzeitig verlangt die Chemieindustrie nach innovativen Lösungen, um kleinere Chargen in kürzerer Zeit und mit größerer Präzision zu produzieren, bspw. bei Spezialchemikalien oder Hochleistungswerkstoffen. Die Antwort auf diese Herausforderungen liegt in agilen Produktionsmethoden und smarten Technologien, die es beiden Industrien ermöglichen, effizienter auf Marktdynamiken zu reagieren und Innovationen schneller auf den Weg zu bringen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, nutzen immer mehr Prozesse Single-Use-Systeme. Ihr Vorteil besteht vor allem darin, aufwändige Reinigungsprozesse wie bspw. Clean-in-Place (CIP) oder Steam-in-Place (SIP) zu optimieren, um Reinigungs- und Energiekosten sowie chemische Abfälle der Reinigungslaugen zu verringern. Vor allem jedoch werden Kreuzkontaminationen vermieden. Eine weitere Möglichkeit, die Vorlaufzeiten zu minimieren und insgesamt agiler zu forschen und zu produzieren, ist die Prozessintensivierung. Kleinere und kompaktere Anlagen sind flexibler nutzbar und reduzieren Material- und Energieverbräuche. Der Weg von der klassischen Batch-Verfahrensweise zur kontinuierlichen Herstellung kann zudem in geringeren Betriebs- und Investitionskosten resultieren und eine höhere Betriebssicherheit zur Folge haben.
Coriolis: Schlüssel für kontinuierliche Produktion
Neue Reaktor-, Anlagen- und Prozesskonzepte benötigen auch eine entsprechende Verfahrenstechnik. Die Instrumentierung muss ein auf die Life-Sciences-Industrie und den neuen Konzepten zugeschnittenes Portfolio anbieten. Beispiel Durchflussmessung: Um eine kleine, agile, cGMP-gerechte Single-Use-Bioprozesstechnologie aufzubauen, sind hochgenaue Messgeräte unabdingbar. Mit dem Coriolis-Durchflussmessgerät Proline Promass U 500 hat Endress+Hauser ein Gerät entwickelt, dass sich nahtlos in die Automatisierungslandschaft einfügt. Auch Aspekte wie Reproduzierbarkeit, Konformität mit internationalen Regularien, Rückführbarkeit, Kalibrierung oder cGMP-Konformität werden erfüllt. Bei der Entwicklung mit OEM-Kunden hat sich das Team eng an den Anforderungskatalogen und Empfehlungen der Biotech-Plattform BioForum orientiert.
Doch wie war eine solche Entwicklung möglich? Auf den ersten Blick bringen Verfahrensingenieure die beiden Aspekte Coriolis-Durchflussmessgerät und Single-Use nicht miteinander in Verbindung. Dafür war diese Durchflussmessmethode bislang deutlich zu teuer. Der Trick der Produkt- und Applikationsingenieure in der Neuentwicklung bestand darin, die Funktionseinheiten voneinander lösbar zu gestalten. So besteht Proline Promass U 500 aus einer Basiseinheit, die die Komponenten zur Spannungsversorgung, Erreger und Sensorik sowie die sonstige Elektronik enthält. Die Basiseinheit gibt es in zwei funktionsgleichen Versionen: als Einbau-Ausführung, die OEM-Hersteller in ihre Plattformen integrieren können, und als Tabletop-Version in einem eigenen Gehäuse mit entsprechenden Anschlüssen an die Laborumgebung vor Ort.
Die Trennung der Funktionseinheiten führt dazu, dass das gesamte System als Single-Use-Durchflussmessung konzipiert werden konnte und dennoch sowohl für eine wirtschaftliche als auch eine präzise Durchflussmessung eingesetzt werden kann. Das Schwingungsrohr der Einwegkomponente besteht aus Edelstahl 316L (AISI) bzw. 1.4435 (EN), damit die Coriolis-Technologie ihre Stärken voll ausspielen kann: höchste Genauigkeit bei der gleichzeitigen Messung von Durchfluss, Temperatur und Dichte. Auf diese Weise setzt sich die Technologie auch deutlich von alternativen Verfahren wie bspw. gravimetrischen Messungen ab.
Auch Vollkunststoff-Lösungen haben sich unsere Entwickler angeschaut, doch das Schwingungsverhalten von Kunststoffen ist für die Coriolis-Technik nicht optimal. Das Messrohr aus Edelstahl hingegen liefert präzise Ergebnisse, die sich mit Kunststoffrohren nicht erreichen lassen.
Die Einwegkomponenten werden in vier unterschiedlichen Nennweiten angeboten und erreichen eine Messgenauigkeit von 0,5 % des Masseflusses. Betrachtet man den hohen Preis vieler Biopharmazeutika, bedeuten Messungenauigkeiten in der Tendenz schnell größere wirtschaftliche Nachteile. Somit amortisiert sich eine präzise Messtechnik, die alle prozesstechnischen Anforderungen erfüllt, schon nach kurzer Zeit.
Vorkalibrierte Einwegkomponenten
Zu einem flexiblen und agilen Einsatz der Messeinrichtung gehört es auch, unnötige und fehleranfällige manuelle Tätigkeiten durch automatisierte zu ersetzen. Hierfür hat das Entwicklerteam einige innovative Ansätze entwickelt. Zunächst einmal können die Einwegkomponenten von Proline Promass U 500 mit einer Hand in die Basiseinheit eingeschoben und verriegelt werden. Die Handgriffe lassen sich auch unter Reinraumbedingungen, d. h. mit entsprechender Schutzkleidung, einfach ausführen. Die dann normalerweise aufwändige und zeitraubende Kalibrierung vor Ort entfällt. Denn beim Einsetzen liest eine integrierte Kamera den bei der Werkskalibrierung aufgebrachten QR-Code und das Gerät startet eine automatische Verifizierung. Mithilfe der Heartbeat Technology von Endress+Hauser verifiziert die Basiseinheit die Gültigkeit der Werkskalibrierung. Das geführte Verfahren zur rückführbaren Verifizierung von Messgeräten nach ISO 9001 generiert zudem alle notwendigen Berichte.
Heartbeat dokumentiert nicht nur die Funktionalität des Gerätes, sondern liefert auch eine kontinuierliche Prozess- und Gerätediagnose im Sinne einer Zustandsüberwachung und sammelt Informationen zur Prozessoptimierung. Frühzeitige standardisierte Diagnosemeldungen mit Empfehlungen für eventuelle Behebungsmaßnahmen erhöhen die Betriebs- und Prozesssicherheit. Solche Optionen entfalten ihr Potenzial besonders in einer digitalen Produktionsumgebung. Das Gerät kommuniziert dazu via sicherem und raschem Datentransfer über 2-Draht Ethernet in Profinet- und Modbus-TCP-Netzwerken für die Anbindung an SPS-Systeme. Das Cloud-basierte Datenhandling erlaubt zudem prinzipiell den Zugriff unabhängig vom Standort.
Mit diesem Gesamtpaket ist ein Automatisierungsgrad in kontinuierlichen Single-Use-Prozessen erreicht, der in anderen Produktionen bereits Stand der Technik ist. Das ist besonders für Endanwender im Rahmen ihrer Qualitätssicherung von großem Nutzen, da der Dokumentations- und Zertifizierungsaufwand sowie die Kalibrierung der Einwegkomponenten überschaubar bleiben. Zudem tragen Single-Use-Technologien maßgeblich zur Kostensenkung bei, da sie die hohen Herstellungskosten der Biotechnologie reduzieren. Diese Kosten sind oft bedingt durch komplexe Produktionsverfahren und die Notwendigkeit strenger Qualitätskontrollen. Insbesondere die Anschaffung und Wartung traditioneller Edelstahlanlagen sowie die regelmäßige Reinigung und Sterilisation können erhebliche finanzielle Belastungen darstellen. Durch den Einsatz von Single-Use-Technologien werden die Anschaffungskosten deutlich niedriger, da keine teuren Reinigungsanlagen und -prozeduren mehr erforderlich sind. Außerdem entfallen die Kosten für Reinigungschemikalien, Wasserverbrauch und Abfallentsorgung, die bei der Reinigung traditioneller Anlagen anfallen würden. Produktionsstillstandzeiten werden minimiert, da die Umrüstzeit zwischen den Chargen durch den schnellen Austausch der Einwegkomponenten erheblich reduziert wird. Dies macht den gesamten Produktionsprozess wirtschaftlicher und flexibler. Single-Use-Technologien bieten somit nicht nur eine effektive Lösung zur Kostenreduktion, sondern auch einen wesentlichen Baustein für die digitale Transformation der Biotechnologie.
Insgesamt stößt das Coriolis-Durchflussgerät die Tür weit auf, um die Forschung und Entwicklung neuer zell- und genbasierter Therapien zu beschleunigen und die Prozessintensivierung auch in die Produktion der noch jungen Wirkstoffklassen zu tragen.
Autor: Samuel Neeser, Produktmanager Coriolis, Endress+Hauser Flow, Flowtec AG, Reinach (Schweiz)
„Frühzeitige standardisierte Diagnosemeldungen erhöhen die Betriebs- und Prozesssicherheit.“
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