Strategie & Management

Read Deck statt Businessplan

Ein Read Deck vereint die Vorteile eines Businessplans und eines Pitch Decks

23.02.2022 - Wie Start-ups Investoren von ihrer Geschäftsidee am besten überzeugen können.

Chemie- und Biotech-Start-ups haben häufig kapitalintensive Geschäftsmodelle. Für die Laborausstattung, die Versuche oder das Scale-up werden oft Geldbeträge benötigt, die ohne externe Investoren nicht zu stemmen sind. Bei der Suche nach Investoren sind die Start-ups im direkten Wettbewerb mit vielen anderen Geschäftsideen um das in Europa limitierte Kapital. Wie also können Start-ups Investoren von ihrer Geschäftsidee überzeugen?

Bisher war die Antwort darauf eindeutig: Start-ups arbeiten in einem Businessplan alle für die Geschäftsidee relevanten Aspekte der Geschäftsidee aus, senden ihn an die Investoren, und wenn die einleitende Executive Summary gut formuliert ist, können die Start-ups darauf hoffen, dass der Investor den Businessplan liest.
Doch Investoren bekommen mehrere hundert Geschäftsideen jährlich zu sehen, und viele wünschen sich eine kompaktere, übersichtlichere Darstellung der Geschäftsidee mit weniger Text, ohne dabei an Verständlichkeit einzubüßen. Daher bevorzugen immer mehr Investoren ein Read Deck statt eines Businessplans.

„Die Inhalte des Read Decks orientieren sich an den erprobten Inhalten eines Businessplans.“

Verständlichkeit und Kompaktheit
Ein Businessplan wird klassisch im Format DIN-A4 hoch geschrieben. Auf 25 bis 30 Seiten werden die verschiedenen Aspekte einer Geschäftsidee ausführlich erläutert. Je nach Gründerteam finden sich mal mehr mal weniger Grafiken im Busi­nessplan. In der Regel dienen diese dazu, das Verständnis des Texts zu unterstützen. Der große Vorteil des Businessplans ist, dass er für sich steht. Dritte sollten so die Geschäftsidee verstehen können.
Ein Pitch Deck wird bei der Präsentation eingesetzt. Daher wird das Pitch Deck mit Präsentationsfolien im Querformat angelegt. Ein Pitch Deck hat etwa zehn Folien auf denen nur sehr wenig Text steht. Stattdessen setzt man auf wenig komplexe Grafiken, wie Tabellen oder Bilder, die in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit visuell erfasst werden können. Durch den geringen Textanteil und die wenig komplexen Grafikelemente ist die Verständlichkeit der Geschäftsidee von den mündlichen Ausführungen des Vortragenden abhängig.
Ein Read Deck versucht nun, das Beste aus diesen zwei Welten zu kombinieren: die Verständlichkeit auf der einen Seite und die kompakte Darstellung auf der anderen. Ein Read Deck wird wie ein Pitch Deck als Foliensatz im Querformat angelegt. Es umfasst alle Inhalte eines klassichen Businessplans und steht im Gegensatz zu einem Pitch Deck für sich selbst, d.h. es kommt ohne gesprochenes Wort aus. Dazu nutzt ein Read Deck viele, auch komplexere Grafiken und ergänzt dazu textliche Ausführungen. Die textlichen Ausführungen sollten dazu genutzt werden, Inhalte der Grafiken zu erläutern und zu unterstützen. Lange Fließtextpassagen gehören nicht in ein Read Deck.

Pluspunkte des Read Decks
Das Read Deck hat das Potenzial, Investoren und anderen Lesern schneller einen vollumfänglichen Einblick in die Geschäftsidee zu geben. Soweit die Theorie. Aber auch beim Read Deck gibt es gut und weniger gut umgesetzte Exemplare. Ein Read Deck zeichnet sich durch die Erfüllung der folgenden Eigenschaften aus.

  • Vollständigkeit: Das Read Deck muss alle grundlegenden Inhalte, die einen Investor interessieren, enthalten.
  • Storyline: Das Read Deck sollte nicht nur eine Aneinanderreihung von Folien sein, sondern das Read Deck sollte von vorne bis hinten eine schlüssige Geschichte erzählen, einen roten Faden haben.
  • Verständlichkeit: Insbesondere, wenn weniger Text genutzt wird, muss auf die Verständlichkeit geachtet werden. Grafiken und Text müssen so ausgearbeitet sein, dass der Investor die Inhalte in Gänze versteht:
  • Wake-up Call: Um die volle Aufmerksamkeit des Investors zu haben, sollte das Read Deck mit einem aussagekräftigen Weckruf beginnen, der die Wichtigkeit des Folgenden unterstreicht.
  • Call-to-Action: Es gibt einen Grund, warum man das Read Deck an Investoren versendet. Der Grund sollte prägnant dargestellt werden, z. B. die Aufforderung zur Kontaktaufnahme für eine anstehende Finanzierungsrunde.


Inhalte 
Die Inhalte des Read Decks orientieren sich an den erprobten Inhalten eines Businessplans. Ein Read Deck eines Chemie- oder Biotech-Start-ups sollte klar strukturiert sein und bspw. die folgenden Elemente/Abschnitte enthalten: Deckblatt, Problembeschreibung, Geschäftsidee, Geschäftsmodell, Unternehmerteam, Marktanalyse, Marketing, Markteintrittsbarrieren, Organisation, Finanzplan.
Ein guter Start ist wichtig, um den Investor in seinen Bann zu ziehen. Dazu hat sich folgender Dreiklang nach dem Deckblatt bewährt: Pro­blem – Lösung – Kundennutzen.

„Das Read Deck hat das Potenzial, Investoren und anderen Lesern schneller einen vollumfänglichen Einblick in die Geschäftsidee zu geben.“


Das Start-up sollte im Rahmen eines Weckrufs ein signifikantes Problem darstellen. Dabei sollte auch klar werden, welche Folgen dieses Problem z. B. auf Branchen oder die Gesellschaft hat und wie bisher versucht wird, dieses Problem zu lösen. Auf den nächsten Folien sollte die neuentwickelte Lösung dargestellt werden. Mit Schaubildern, Grafiken und textlicher Unterstützung sollten die Adressaten die Grundlagen der Technologie vermittelt bekommen, um zu verstehen, wie die Technologie ein bestehendes Problem lösen kann und wo sie sich von anderen Ansätzen abhebt. Im Anschluss steht der Nutzen für den Kunden im Fokus. Idealerweise können Start-ups diesen bereits quantifizieren.
Eine große Herausforderung für viele technologiebasierte Start-ups ist die verständliche Darstellung des Geschäftsmodells. Das Geschäftsmodell zeigt, wie die Geschäftsidee erfolgreich umgesetzt wird. Dazu gehört insbesondere die Positionierung in einer bestehenden oder neuen Wertschöfpungskette sowie das Erlösmodell, also wer einem wofür und in welchem Turnus Geld zahlt.
Eine vollständige Finanzplanung im knappen Folienformat so darzustellen, dass ein Investor die Rechnungen nachvollziehen und die Annahmen prüfen kann, ist de facto nicht möglich. Im Read Deck sind daher überwiegend Übersichtsfolien zu finden, wie z. B. die grafische Darstellung von Kennzahlen wie Umsatz, Kosten, Cashflow oder EBIT über fünf Jahre. Daneben fordern Investoren häufig zusätzlich die der Finanzplanung zu Grunde liegende Excel-Datei.

Fallstricke
Wer nun glaubt, ein Read Deck sei einfacher zu erstellen als ein Business-
plan, der könnte irren. Die konzeptionellen Überlegungen zur Geschäftsidee müssen für das Read Deck in gleichem Maße angestellt werden wie für einen Businessplan. Auch die Erstellung von Grafiken, die komplexe Sachverhalte leicht verständlich darstellen, brauchen gute konzeptionelle Überlegungen und Zeit in der Umsetzung. Zudem sollte die gleiche Sorgfalt an den Tag gelegt werden wie beim Businessplan: durchgängiges – auch für den Leser attraktives – Layout, Seitenzahlen und korrekte Rechtschreibung sind bspw. zu em­pfehlen, um professionell zu wirken.
Der Businessplan verschwindet nicht von heute auf morgen, doch wer sich mit Investoren austauscht, stellt fest, das Read Deck gewinnt an Bedeutung. Das zeigt auch die Tatsache, dass sich erste Business­plan-Wettbewerbe für Read Decks öffnen, z.B. der größte branchenspezifische Businessplan-Wettbewerb, der Science4Life Venture Cup. Dort erhalten Start-ups im Rahmen der Wettbewerbe auch Feedback zu ihren Read Decks.

Tobias Kirchhoff, Senior Consultant und Prokurist, BCNP Consultants GmbH, Köln

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