Pharmatransport: Ambitionierte Ziele für eine zuverlässige Lieferkette
08.10.2014 -
Die Pharma- und die biomedizinische Industrie sind im Gesundheitsmarkt zu einem wichtigen Motor der Weltwirtschaft geworden. Bei der Anpassung an die Globalisierung sieht sich die Branche vor neue Herausforderungen gestellt. Der Pharmatransport ist ein wesentliches Glied in der Lieferkette und gewährleistet einen kontinuierlichen Zugang zu Qualität und Auswahl bei den Pharma- und Healthcare-Produkten.
Viele pharmazeutische oder biotechnologische Produkte erfordern einen Transport mit temperaturgeführten Systemen, um ihre therapeutischen Eigenschaften zu erhalten. Bei sensiblen Produkten sollten daneben aber auch Umweltbedingungen wie Feuchtigkeit, Licht, Sauerstoff, Stösse, Druck, Vibrationen und Röntgenstrahlen während des Transports per PKW, LKW, Bahn, Schiff oder via Luftfracht kontrolliert werden.
Zur Optimierung der pharmazeutischen Versorgungskette gehört es aber auch, das richtige Produkt in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität und zu einem attraktiven Preis für den Verbraucher bereitzustellen. Diese Herausforderungen erfordern eine enge Zusammenarbeit von Handel, Herstellern und Transporteuren.
Eine erfolgreiche End-to-End-Optimierung der Logistik umfasst die entscheidenden Fragen: Wie hoch sind die Gesamtkosten der Liefer-kette? Welcher Lieferweg ist für welchen Lieferanten der beste? Welche Lagerkapazität wird benötigt? Der Aufbau einer wirklich Demand-getriebenen Lieferkette sollte daher im Fokus der Pharma-Operationen stehen.
Integrität und Sicherheit
Der Markt für medizinische Produkte ist weiter am Wachsen und zeigt sich resistent gegenüber den globalen wirtschaftlichen Schwankungen. Eine zunehmend alternde Bevölkerung lässt die die Aufwendungen für die nationalen Gesundheitsprogramme steigen. Die Entstehung und Expansion von großen Verbrauchermärkten wie Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wird die Nachfrage weiter ansteigen lassen und zu ausgeglichenen Handelsströmen in der Luftfrachtindustrie führen, wie z. B. im Handel mit China. In den Schwellenländern steigt eine wachsende Mittelschicht in den Gesundheitsmarkt ein, so dass das Luftfrachtaufkommen auch in den kommenden Jahren expandieren wird. Damit die therapeutischen Eigenschaften der pharmazeutischen Wirkstoffe sichergestellt wird, wenn sie mit dem Flugzeug transportiert werden, hat die IATA gemeinsam mit den Behörden neue Standards eingeführt.
Die Veränderung der Demographie, die Alterung der Bevölkerung und die bessere Zugänglichkeit zum Gesundheitsmarkt für breitere Schichten, sowie eine größere Auswahl an Arzneimitteln: dies Alles führt zu einer anhaltenden Nachfrage nach Gesundheitsprodukten. Der expandierende Pharmamarkt hält spezifische Herausforderungen für den Transport von Arzneimitteln in dieser stark regulierten Branche bereit. Ein neuer Trend ergibt sich aus der Verlagerung, weg von einzelnen Produktionsstandorten, hin zu einer globalen Fertigung von Medikamenten. Die Produktion eines Medikaments vollzieht sich demnach heutzutage sukzessive an mehreren Standorten auf der Erde. Zunehmend setzt sich diese weltumspannende Produktionsweise in der Gesundheitsindustrie durch.
Ein wichtiges Anliegen der Pharmaindus-trie und der Gesundheitsbehörden ist es zu gewährleisten, dass Arzneimittel zum Patienten gelangen, die keinen Verlust der therapeutischen Eigenschaften aufweisen. Die Regulierungsbehörden schreiben vor, dass der Hersteller die Produktqualität nicht nur während Lagerung oder Transport, sondern bis zum Zeitpunkt der Patientenbehandlung kontrolliert wird. Die Norm „ICH Q1A 2.1.7 (1) besagt für die Hersteller, dass ihre Kontrollfunktion in der Lieferkette erst dann endet, wenn das Produkt beim Apotheker oder Krankenhaus eintrifft. Wichtig ist zudem, das Risiko für Qualitätsmängel durch den Transport soweit als möglich verringern. Qualitätsmängel treten auf, wenn der Temperaturbereich beim Transport von temperaturempfindlichen Produkten überschritten wird oder wenn die Transportorganisation nicht den Produktanforderungen entspricht. Wenn der Produzent z. B. zwischen einem günstigen aber langsamen Transport per Schiff oder dem teureren, aber raschen Transport per Flugzeug abwägt, sollten auch Risikoabwägungen und Kosten für die Güterkontrolle in die Entscheidung einbezogen werden.
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften
In der Pharmaindustrie ist die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften von grösster Wichtigkeit - nicht nur bei der Entwicklung und Produktion, sondern auch bei der Lagerung und Verteilung von Medikamenten, Wirkstoffen und anderen Medizinprodukten. Behördliche Vorschriften und Branchenbestimmungen fordern von Pharmaunternehmen eine kontinuierliche Qualitätsüberwachung und Prozesskontrolle. Um die mit internationaler Compliance verbundenen Anforderungen zu erfüllen, benötigen Unternehmen validierte Lösungen sowie Lieferketten-Managementsysteme, die absolute Genauigkeit, Zuverlässigkeit, kontinuierliche Kontrolle und sofortige Verfügbarkeit gewährleisten. So können die Wechselwirkungen zwischen den marktinternen Prozessen und den Lieferprozessen dargestellt, quantifiziert und als Grundlage für weitere Entscheidungen nutzbar gemacht werden. Die ICH WHO Leitlinien, die von den Aufsichtsbehörden und den Pharmaverbänden ausgegeben werden, umfassen Empfehlungen für die Durchführung von Langzeit- und beschleunigten Stabilitätstests und Kontrollen für die zu transportierenden Wirkstoffe.
Pharmamobile in der Praxis
Die Temperaturempfindlichkeit vieler pharmazeutischer Präparate stellt besondere Anforderungen an die Kühllogistik. Um sicherzustellen, dass der Transport die Integrität der temperaturempfindlichen Produkte nicht beeinträchtigt, bieten verschiedene Dienstleister komplexe Lösungen für die Kühllogistik an, die den hohen Anforderungen der Pharmaindustrie gerecht werden. Diese Kühltransporter oder Pharmamobile zeichnen sich durch eine optimale Isolierung des Laderaums, durch Flügeltüren und die darauf abgestimmte Klimatisierung im Bereich von +15 °C bis +25 °C aus. Die Temperaturregelung erfolgt bequem über ein digitales Bedienelement im Fahrerhaus, das Fahrzeug ist vorbereitet für den Einbau von Temperaturaufzeichnungsgeräten, um bestehende und zukünftige gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Für tiefere Temperaturen zwischen +2 bis + 8 °C und für rasche Fahrzeugwechsel bietet sich ein Contaimnent an (siehe Abb. 1). Das Containment entspricht einem modularen Bausatzkonzept, mit dem firmeneigene Nutzfahrzeuge optimal für individuelle Transportbedingungen ausgestattet werden. Das Containment wird mit vier Befestigungspunkte sicher im Fahrzeug fixiert. Der schnelle Wechsel in ein anderes Fahrzeug ist mit nur geringem Aufwand möglich. Das Contaiment enthält ein Regal-auszugsystem, das ein schnelles Be- und Entladen der Medikamente ermöglicht. Zugleich gewährleistet das System mit den Klimazonen Cold Chain (+2 °C bis +8 °C) und Ambient (+15 °C bis +25 °C) über die 12V SET-line Pharma Kühl- und Heizanlage Temperaturen, die dem jeweiligen Medikament angemessen sind.
Die Energieversorgung von Behältern und Containern für die Pharmaindustrie kann in vielen Teilen der Welt beim Transport nicht gewährleistet werden; bzw. sie wird sehr kostenintensiv. Doch auch für Transporte in diesen Regionen gibt es Lösungen: Systeme wie der Sky-Cell-Container (siehe Abb. 2) funktionieren selbstkühlend - ohne Energieeinsatz von aussen - und sorgen damit für eine sichere Kühlkette. Der Container arbeitet mit einem störungsfreien chemischen Kühlsystem und einer speziellen Dämmtechnik. Selbst bei hohen Aussentemperaturen wird die Innentemperatur von 2- 8 °C stabil gehalten, und dies während 72 h. Während des Transports entfallen aufgrund der Selbstkühlung die Energie-Kosten reduziert und die Logistik funktioniert sicher. Darüber hinaus erfüllt das System die Richtlinien der neuen EU Good Distribution Practice (GDP).
Sammeltransporte stellen eine weitere Möglichkeit für einen effizienten Transport dar. Das Transportunternehmen DHL (Unternehmen der Deutschen Post) nutzt ein Netzwerk von Cross Docking Hubs für pharmazeutische Produkte (siehe Abb. 3) als Zwischenlager. Das System verfügt über europaweit einheitliche Qualitätsstandards nach GDP & GSP gemäss den EU-Direktiven. Mit dem Produkt LSHC ColdChain Europe betreibt DHL im Bereich Life Science & Healthcare ein Dienstleistungskonzept für Pharmakunden, das eine effektivere Auslastung der LKWs und damit eine Kostenoptimierung im Logistikprozess durch die Zwischenlagerung in den entsprechenden Hubs gewährleistet. Sammeltransporte von temperierten Arzneimitteln ermöglichen in ökologischer Hinsicht eine Optimierung durch weniger LKWs und damit geringerem CO2-Ausstoss. Die dabei einbezogenen Cross Docking Hubs dienen als reiner Umschlagsplatz mit kurzzeitiger Zwischenlagerung von maximal 3 - 4 Tagen für pharmazeutische Güter. Sie unterliegen somit auch keiner Meldepflicht bei den Behörden. Sie umfassen Kühleinheiten, ein Zollverschlusslager, einen abgesicherten Lagerbereich für Gefahrgut und einen Service für Zollformalitäten. Die Qualifizierung der Lagerstätten und eine Kalibrierung der Monitoringsysteme sind gewährleistet. Bereits in Vorbereitung ist das eMaps Modul, welches dem Kunden erlaubt, vom eigenen Büro aus alle Sendungen und grundlegende Statusinformationen in Echtzeit zu verfolgen.
Lufttransport: Schnelligkeit ist Trumpf
Um Medikamente, Impfstoffe sicher und rasch in aller Welt dorthin zu verfrachten, wo sie gebraucht werden, verlassen sich Hersteller in der Regel auf Luftfracht. Denn der Transport per Schiff unter GMP-Bedingungen ist meist zu aufwändig und zu langwierig. Zudem ist Schnelligkeit auf dem Gesundheitsmarkt unerlässlich, und auch die Sicherheit spricht für die Luftfracht. Die Bewältigung der Herausforderung, um z. B. Produkte beim Transport im richtigen Temperaturbereich zu halten und um damit die Qualität des Produktes zu gewährleisten, ist ein wichtiger Bestandteil der Frachtindustrie.
Das wichtigste Thema für die Branche und deren Logistikanbieter aber ist es, die gegenseitigen Erwartungen, Risiken und Herausforderungen für die Luftfracht innerhalb der Kühlkette zu klären.
Temperaturabweichungen und Temperaturschwankungen während der gesamten Reise erfordern die Einrichtung eines kompletten logistischen Prozesses, um den Versand und die Integrität zu erhalten. Qualität, Zuverlässigkeit und Leistung sind entscheidend, damit Dialog, gemeinsame Strategie und Standardisierung über die gesamte Versorgungskette gewährleistet werden. Letztlich ist jedoch der Absender dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die richtigen Voraussetzungen für das Produkt und jede Verpackung gegeben sind damit die erforderliche Temperatur erreicht und während des Transports in einem definierten Temperaturbereich bleibt - mit den entsprechenden Kühlverfahren zum Versand. Dazu müssen die Gegebenheiten angepasst werden und die Verantwortlichkeit durch alle Beteiligten in der Versorgungskette garantiert sein. In diesem Sinne müssen alle Beteiligten in der Lieferkette die Notwendigkeit zur Einhaltung von Leitlinien erkannt haben.
Die International Air Transport Association (IATA), ein weltweit aktiver Fachverband der Branche, vertritt rund 240 Fluggesellschaften und damit 84 % des Weltluftverkehrs. Im Bereich Fracht übernimmt IATA einen Supply-Chain-Ansatz mit dem Ziel, dass alle Parteien (Fluggesellschaften, Speditionen, Regierungen, Zoll und Verlader) profitieren. IATA schreibt Standards und Lösungen vor, um eine sicheres und harmonisiertes Luftverkehrssystem zu gewährleisten. Das Ziel von IATA ist eine sichere, zuverlässige, effiziente und profitable Luftfracht Lieferkette. Fluglinien mit langjähriger Betriebserfahrung haben sehr effektive Managementsysteme für gekühlte und tiefgekühlte Produkte entwickelt. Für die Verladung sind kosteneffiziente Verpackungsmethoden für diese Zeit- und Temperatur-empfindlichen Gesundheitsprodukten nötig, die eine geeignete Adressetikettierung umfassen. Die verderbliche-Fracht-Ordnung (Perishable Cargo Regulations), Kapitel 17, regelt die Anforderungen für den Transport von Temperatur-geführten Pharma- und Gesundheitsfrachtsendungen in Bezug auf Ausbildung, Qualitätsmanagementsystemen und sie legt auch die empfohlenen Standards - wie die Nutzung der IATA- und Temperatursensitiven Label - fest. Aufgrund einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Etikettierungssystemen wurden im Zuge einer Standardisierung einheitliche Zeit- und Temperatur-empfindliche Aufkleber (Label) in der gesamten Frachtindustrie eingeführt. Speziell für die Healthcare-Industrie gibt es ein Temperatur-empfindliches Versand-Label, das an allen empfindlichen Frachtsendungen angebracht werden muss. Zunächst als Empfehlung der IATA betrachtet, erkennt die Luftfrachtindustrie dieses Label heute als obligatorischen Standard an.
Neben dem Label arbeitet IATA an einer Reihe anderer Projekte, um Schwierigkeiten beim pharmazeutischen Transport zu überwinden. Zur Verbesserung der Lieferkette ist eine 24-h-Hotline eingerichtet, die über die Sendung zum Zeitpunkt der Buchung informiert. Auf dem Luftfrachtbrief wie auch im SLA oder SOP muss eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt werden, damit der Kontakt im Falle einer erheblichen Verzögerung oder Unterbrechung der Sendung, die den Inhalt der Sendung gefährden könnte, gewährleistet ist. Die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit sensibler Fracht ist von entscheidender Bedeutung, um die Integrität der Kühlkette aufrechterhalten zu gewährleisten. Es ist für die Ansprechpartner wichtig und notwendig, alle Bereiche in der Gesundheitsversorgungskette zu verstehen, ihre eigene Rolle und Verantwortlichkeit ebenso wie die der vor- und nachgelagerten Partner in der Lieferkette. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis des gesamten Supply-Chain-Prozesses und eine reibungslose Integration. Denn der Erfolg von einem Programm wie Perishable Cargo Regulations Kapitel 17 hängt davon ab, wie gut sie umgesetzt wird.