Paperless Lab: Nachweis des Potentials
Effizienzsteigerungen lassen sich statistisch abgesichert belegen
In CHEManager 16/2011 erläuterten wir, wie hoch die Einsparpotentiale durch die Einführung eines Paperless Lab in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sein können. Im zweiten Teil dieser Serie wird nun aufgezeigt, wie sich die versprochenen Effizienzsteigerungen statistisch abgesichert belegen lassen. Der daraus resultierende Business Case wird als Grundlage eines ganzheitlichen Konzepts zur Umsetzung des Paperless Lab als echte Prozessinitiative und nicht nur als Systemimplementation verstanden.
Wie rechtfertige ich ein Projekt?
Eines der Hauptprobleme bei Projekten zur Effizienzsteigerung ist die Bestimmung des Returns der Investition. Der Return ist dabei definiert als die Differenz aus dem Netto Cash Flow des Ist- gegenüber dem Soll-Zustand. Durch die Adaption, resp. Erstellung eines auf das spezifische Labor angepassten Finanzmodells lassen sich die zeitlichen Aufwände zur Durchführung der Hauptprozesse im Labor auf den Netto Cash Flow umlegen. Damit ergeben sich die zwei zu bestimmenden Zustände: Was ist der Aufwand heute und was wird der Aufwand nach Abschluss des Projektes sein? Nur mit fundierten Werten für diese zwei Größen lässt sich ein Return bestimmen und damit eine Projektinvestition rechtfertigen.
Statistische Absicherung
Die Multimomentanalyse liefert statistisch abgesicherte Werte für beide zu bestimmenden Größen. In einem ersten Schritt wird eine Prozessanalyse aller Hauptprozesse, wie sie heute im Betrieb durchgeführt werden, erstellt. Aus dieser Analyse werden Listen von Arbeiten abgeleitet, welche in einer Organisationseinheit (z.B. einer Gruppe) typischerweise anfallen. Zusätzlich werden nicht-prozessorientierte Listen geschaffen, welche Tätigkeiten enthalten die unterstützender Natur sind und nicht einem Hauptprozess zugeordnet werden können (z.B. Meetings, Trainings). Damit ergibt sich eine hierarchische Liste, die jede im Labor auftretende Tätigkeit beinhaltet.
In der Durchführungsphase der Multimomentanalyse erhält jeder Mitarbeiter einen Handheld mit dieser auf seinen Arbeitsbereich zugeschnittenen Liste (Abb.1). In periodischen, aber zufälligen Abständen (z.B. durchschnittlich alle 20 Minuten einmal) wird der Mitarbeiter vom Gerät aufgefordert, den eben durchgeführten Arbeitsschritt aus der Auswahlliste auszuwählen. Da die Multimomentanalyse keine Eingabe von Dauern oder anderen Parametern erfordert, sondern nur einen simplen Klick, ist der Eingriff in den Arbeitsfluss minimal. Über eine typische Zeitdauer von zwei Wochen erhält man so ausreichend Daten, um mit hohem Detaillierungsgrad statistisch signifikante Aussagen über Aufwände, Dauern und Häufungen für Prozesse, Prozessschritte und Arbeitskategorien treffen zu können.
Damit ergibt sich ein sehr detailliertes, qualitatives Bild des Ist-Zustandes, welches nicht nur für das anstehende Projekt, sondern auch ganz allgemein, eine fundierte Datengrundlage bietet, um mit Prozessoptimierungen am richtigen Ort anzusetzen.
Da nun durch die Momentanalyse alle Prozessschritte mit ihrem Aufwand bekannt sind, kann ein Soll-Prozess mit diesen Prozesschritten modelliert und der Gesamtaufwand für diesen neuen Prozess mit hoher Genauigkeit abgeschätzt werden. Als Beispiel sei hier genannt, dass fast alle Prozessschritte, die der Papierdokumentation dienen, eliminiert werden können und damit das Einsparungspotential hierfür genau erkennbar wird und nicht geschätzt werden muss.
In der Praxis werden typischerweise etwas komplexere Methoden angewendet, um auch nicht-proportionale Abnahmen von Aufwänden im neuen Prozess modellieren und bestimmen zu können.
Durch die Anwendung des Finanzmodells auf die Aufwände lassen sich nun schlussendlich die geforderten Zielgrößen Netto Cash Flow für den Ist- und den Soll-Prozess bestimmen und durch die Anwendung der üblichen Investitionsrechenverfahren eine Grundlage für den Projektentscheid schaffen.
Ganzheitlicher Ansatz
Da es sich bei der Einführung des Papierlosen Labors jedoch nicht einfach um die Implementierung einer weiteren IT-Applikation handelt, müssen zur Einführung weitere Aspekte berücksichtig werden, um ein tragfähiges Gesamtkonzept erstellen zu können. Die Business-Sicht ist durch die Bestimmung des Potentials abgedeckt, ebenso wichtig sind jedoch die Sicht der Nutzer sowie die technische Perspektive.
Das Schlüsselprinzip und die Vision des Paperless Lab ist der selbstdokumentierende Prozess, ein Prozess, der allein durch seine Ausführung eine GxP-gerechte Dokumentation generiert und überflüssige Arbeit aus dem Arbeitsfluss eliminiert. Das bedeutet natürlich implizit, dass manuelle Datenerfassungen und Überträge wo immer möglich eliminiert werden, sei es durch Schnittstellen von und zu Geräten und Systemen oder, wo dies nicht möglich ist, durch Nutzung von Barcodes zur fehlerfreien und schnellen Erfassung. Der Benutzer soll dabei optimal unterstützt und von für seine Arbeit unnötiger Komplexität abgeschirmt werden.
Berücksichtigt man schlussendlich noch die technische Sichtweise, die vor allem bestehende Infrastruktur, Unternehmensstandards und langfristige Strategie aus IT und apparativer Sicht beleuchtet, kann ein vollumfängliches Konzept zur Automatisierung der Labordatenflussprozesse in Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen erstellt werden.
Zusatznutzen des Paperless Lab
Obwohl schwieriger in Geldwerten auszudrücken, sollten die sog. weichen Faktoren und Vorteile eines Paperless Lab ebenfalls berücksichtig werden. Insbesondere sind dies die Reduktion von Durchlaufzeiten und eine deutliche Reduktion des Qualitätsrisikos durch Eliminierung beinahe aller manuellen Überträge. Da im Rahmen dieser automatisierten Dokumentation zahlreiche prozessbezogene Parameter, wie z.B. Durchlaufzeiten für einzelne Methoden, Geräteauslastungen oder probenlogistische Parameter automatisch erfasst werden, steht auch ein hervorragender Datenpool für das Labormanagement zur Verfügung. Nicht zuletzt profitieren auch Bereiche außerhalb des Labors von den in Echtzeit verfügbaren Daten, was die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg vereinfacht, das Wissensmanagement unterstützt und zu weiteren positiven Effekten in Folgeprozessen führt.
Die MMA zur Erfolgskontrolle
Es versteht sich von selbst, dass die Summe der positiven Effekte aus dem Papierlosen Labor enorm ist. Wie bei allen Investitionsprojekten dieser Größenordnung sollte auch hier nach Abschluss der Implementierung der Beweis angetreten werden, dass der kalkulierte Business Case auch der Realität entspricht. Dies kann wiederum und jederzeit mit Hilfe der Multimomentanalyse geschehen, die natürlich auch den Einfluss jeder anderer Prozessänderungen auf den Arbeitsablauf quantitativ belegen kann.
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