Pandemiebedingte Lösungen bringen positive Nebeneffekte
Für Industriedienstleister Yncoris sind Stillstände in Coronazeiten nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance
Doch so manch eine pandemiebedingte Lösung kann unerwartet positive Nebeneffekte mit sich bringen. Diese Erfahrung hat der Industriedienstleister Yncoris gemacht.
Im Chemiepark Knapsack stehen jedes Jahr im Frühling mehrere Stillstände parallel an. Das galt auch für 2020 und 2021. Im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen der Branche, die ihre Stillstände verschoben, wickelte der Standortbetreiber diese Stillstände zusammen mit seinem Kunden im gleichen Umfang und gleichem Leistungsvolumen ab. Um Mitarbeiter und externe Fachkräfte zu schützen, ergriff der Industriedienstleister eine Vielzahl von praktischen Infektionsschutzmaßnahmen. Ein Teil davon wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen festen Platz in den Planungsaktivitäten des Unternehmens finden.
Anmeldezentrum im Zeltdorf entzerrt Fremdmitarbeiterströme
Einen positiven Effekt auf die gesamte Arbeitssituation am Standort hatte bspw. ein Zeltdorf mit Anmeldestelle und Testzentrum. Denn gerade zu Beginn eines Stillstands benötigen viele Fremdfirmenmitarbeiter gleichzeitig Ausweise zum Eintritt in den Chemiepark. Auf einen solchen Ansturm sind die Pförtnerhäuser jedoch nicht ausgelegt. Deshalb kommt es bei normalen Stillständen häufig zu Menschentrauben und Wartezeiten. „Durch die Anmeldestelle haben wir die Mitarbeiter schnell und effizient durch den gesamten Anmeldeprozess einschließlich Testung geschleust und auf die Anlagen verteilt“, sagt Andreas Becker, der das Projekt- und Stillstandsmanagement leitet. „Wir können uns daher sehr gut vorstellen, auch weiterhin solche Anmeldezelte für Stillstände zu nutzen – ganz unabhängig von der Pandemie.“
Lunchpakete für mehr Ruhe und Effizienz
Eine ursprünglich aus Abstandsgründen getroffene Regelung sorgte nicht nur für ausgesprochen positive Rückmeldungen aus der Belegschaft, sondern auch für mehr Ruhe und Effizienz im Stillstand: Um zu vermeiden, dass sich externes Stillstandspersonal mit anderen Mitarbeitern im Chemiepark durchmischte, stellte der Standortmanager mehrere große, beheizte Zelte bereit. Dorthin lieferte die Betriebsgastronomie insgesamt rund 4.800 Lunchpakete. Die Pausenzeiten wurden darüber hinaus so gestaffelt, dass sich die einzelnen Teams nicht begegneten. „Unsere Kunden zahlen für unsere Leistung und nicht für gearbeitete Stunden. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere Mitarbeiter – ob intern oder extern – optimale Bedingungen erhalten, um diese Leistung zu erbringen“, zeigt sich Rainer Betzin, Geschäftssegmentleiter Stillstands- /Baumanagement, überzeugt. „Dazu gehört auch, dass sie in Ruhe und im Warmen verpflegt werden.“ Insbesondere die kurzen Wege zur Anlage zahlten sich aus. Der Industriedienstleister plant daher auch für zukünftige Stillstände eine solche Lösung.
„Obwohl wir durch das Coronavirus zum mobilen Arbeiten getrieben worden sind, schätzen wir die vielen Vorteile."
Stillstandsplanungstool in der Cloud
Die Planung von Stillständen läuft bereits seit einigen Jahren über TARServ, eine spezielle Software, die das Unternehmen eigens für seine Kunden aus der Chemie- und Prozessindustrie entwickelt hat. In der Datenbank sind eine Vielzahl anlagenspezifischer Daten zur Planung und Ausschreibung von Anlagenstillständen erfasst. „Wir können so jede einzelne Anlagenkomponente bis ins Detail mit den erforderlichen Gewerken und Arbeitsvorgängen abbilden“, erklärt Becker.
„Außerdem lassen sich mit den geplanten Daten der Personalbedarf und die benötigte Zeit genau kalkulieren und in ihrer zeitlichen Abfolge vorbereiten.“ Diese Software hat der Dienstleister während der Pandemie in eine Cloud-basierte Lösung überführt. Das bietet noch einmal deutlich mehr Möglichkeiten: TARServ lässt sich nun per App plattformunabhängig von jedem mobilen Endgerät und von überall aus bedienen. „Dadurch können wir Materialveränderungen und andere Korrekturen direkt vor Ort vornehmen und Grafiken, Fotos oder andere Medien sofort komponentenspezifisch integrieren“, sagt Becker. „So muss der Anwender im Nachgang nichts mehr zuordnen und es kann auch nichts vergessen gehen.“
Die Software ist eine wichtige Möglichkeit, um Anlagenwissen festzuhalten und entlang der Prozesskette zu teilen. Denn gerade in der Instandhaltung wurden systematische Instandhaltungsansätze in den letzten Jahren aus Kostengründen oft zu Gunsten einer „Feuerwehrmethodik“ aufgegeben. Mit zunehmender Individualisierung und damit sinkenden Lagervolumina fallen jedoch plötzliche Ausfälle viel stärker ins Gewicht. Transparente Cloud-Lösungen können hier helfen, die Instandhaltung effektiv und effizient zu halten.
Digitale Kommunikation
Insgesamt nahm die Akzeptanz digitaler Lösungen während der Pandemie deutlich an Fahrt auf. „Für die Abstimmung intern und mit Geschäftspartnern sowie die Stillstandsplanung selbst haben wir überwiegend Microsoft Teams genutzt – und zwar in einem Umfang, den wir uns vor der Pandemie nicht hätten vorstellen können“, sagt Betzin. Er schätzt, dass insbesondere die Teamleiter- und Operations Manager zwischen 50 und 80 % ihrer Präsenztermine durch Teams-Meetings ersetzt haben. Auch während der Stillstände stellte das Unternehmen in den täglichen Lage-Besprechungen auf Videokonferenzen um und besprach Fortschritte, Probleme oder Forecasts online. „Obwohl wir durch das Coronavirus zum mobilen Arbeiten getrieben worden sind, schätzen wir die vielen Vorteile“, so Betzin weiter. In einem New-Work-Projekt soll daher nun festgelegt werden, wie sich Präsenztermine und mobiles Arbeiten im Sinne von Mitarbeitern und Unternehmen auch nach der Pandemie bestmöglich vereinbaren lassen. In der Diskussion stehen bestimmte Präsenztage, an denen möglichst alle Mitarbeiter anwesend sind, begleitet von Tagen, in denen Mitarbeiter aufgabenabhängig wählen können, ob sie von zuhause oder vom Büro aus arbeiten.
„Die Herausforderungen, uns auch in Zukunft Personal auf unserem hohen Qualitäts- und Sicherheitsniveau zu sichern,
werden immer größer."
Mit digitalem Pilotprojekt gegen Fachkräftemangel
Zunehmend Sorgen bereitet dem Serviceunternehmen der anhaltende Fachkräftemangel. Während im letzten Jahr viele Fachkräfte verfügbar waren, weil einige Unternehmen ihre Stillstände verschoben hatten, war die Situation bei Personal und Equipment in diesem Jahr deutlich angespannter. Gerade bei der Personalbeschaffung mussten die Beteiligten dieses Jahr besonderes leisten. „Rund 20 % der Fachkräfte, die uns unsere Fremdfirmen zugesagt hatten, sind einfach nicht erschienen. Andere wurden spontan durch Kollegen ersetzt, was ebenfalls zusätzliche Arbeit, z.B. für Unterweisungen, bedeutete“, erklärt Becker. „Wir können nur spekulieren, warum. Denn aufgrund der guten Arbeitsbedingungen ist Yncoris bei Fremdfirmen beliebt.“ Die eigenen Kräfte des Dienstleisters glichen dies durch mehr Arbeit aus, auch am Wochenende.
Dass solche Engpässe in der Personalbeschaffung in Zukunft häufiger vorkommen werden, hält Betzin für wahrscheinlich: „Die Herausforderungen werden immer größer, uns auch in Zukunft Personal auf unserem hohen Qualitäts- und Sicherheitsniveau zu sichern. Deshalb stehen wir in engem Austausch mit den Partnern, die eine große Anzahl an Fremdfirmen-Mitarbeiter für uns bereitstellen, und bringen gemeinsam Maßnahmen zu deren Weiterentwicklung auf den Weg.“
In einem Pilotprojekt will der Standortbetreiber zudem ausgewählten Partnern Zugriff auf die eigene Datenbank gewähren. In der dortigen Kapazitätsplanung wird dann der Personalbedarf während bestimmter Zeiten zusammen mit der jeweils benötigten Qualifikation hinterlegt sein. Die Disponenten in den Partnerfirmen können auf dieser Basis Ihre Kapazitäten einstellen und gleichzeitig Dokumente und Bescheinigungen für die verschiedenen Arbeitskräfte hochladen. Über ein Ampelsystem sollen außerdem die Stillstandplaner auf einen Blick erkennen, in welchen Qualifikationsbereichen noch Mitarbeiter benötigt werden.
Die Stillstände in diesem Frühjahr kann der Chemieparkmanager als Erfolg verbuchen: Zeitplan eingehalten, keine Verbreitung von Neuinfektionen, keine meldepflichtigen Unfälle. Sie zeigen darüber hinaus, dass auch ungeahnte Herausforderungen den kontinuierlichen Verbesserungsprozess eines Unternehmens weiter beschleunigen können.
Downloads
Kontakt
Yncoris GmbH & Co. KG
Industriestraße 300
50354 Hürth
Nordrhein-Westfalen, Deutschland
+49 22 33 - 48-1212