Organische und gedruckte Elektronik am Wendepunkt
Von der Technologievision zur Industrie
Der gedruckten Elektronik liegt die Idee zu Grunde, durch die Kombination von Druckverfahren mit neuen funktionalen Materialien sehr kostengünstige elektronische Produkte herzustellen. Der Einsatz von Drucktechnologien mit sehr hohem Durchsatz sorgt hierbei für niedrige Kosten, die im klassischen Druck verwendete Farbtinte wird durch organische und druckbare Funktionsmaterialien ersetzt. Doch die Wirklichkeit folgt nicht der reinen Lehre und ist damit komplexer. In der Praxis hat sich beispielsweise gezeigt, dass die für derzeitige Druckerzeugnisse entwickelten Maschinen für die Herstellung elektronischer Bauteile modifiziert und Verfahren optimiert werden müssen. Nicht nur organische oder polymere Materialien kommen zum Zug, sondern auch anorganische Materialien wie Metalltinten.
In diesen Bereichen wurden in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Diese wurde auf der LOPE-C, der führenden Messe und Konferenz auf diesem Gebiet, die im Juni 2013 in München stattfand, deutlich. Die LOPE-C fand erneut unter der gemeinsamen Regie der OE-A (Organic and Printed Electronics Association) und der Messe München statt. 110 Aussteller aus aller Welt präsentierten dort über 1.800 Besuchern aus 40 Ländern neue Produkte, Anwendungen, Materialien und Maschinen. Auf der LOPE-C wurde nun erstmals das Pflänzchen sichtbar, welches aus dieser Vision erwächst: eine Industrie der gedruckten und organischen Elektronik.
Erhebliche Investitionen
In den vergangenen fünf Jahren sind erhebliche Investitionen in die Technologie der gedruckten Elektronik geflossen. Mit über 200 Mio. € an Fördermitteln allein von der Europäischen Kommission und zusammen mit nationalen und lokalen Fördermitteln werden die öffentlichen Investitionen auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Gemeinsam mit den privaten Investitionen, z.B. durch die Industrie, wurde in diesem Zeitraum eine Summe von ca. 2,5 Mrd. € allein in Europa investiert.
Diese nicht unerheblichen Investitionen erwecken selbstverständlich Erwartungen an zukünftige Gewinne. Diese rechtfertigen zum einen die getätigten Investitionen, werden zum anderen aber auch benötigt werden, um weitere Entwicklungen zu finanzieren.
Nachfrage steigt
Erwartungen an die Zukunft sind nicht verlässlich und sagen wenig über die tatsächliche Zukunft von Technologien aus, wie sich an Beispielen aus dem Jahre 2004 ablesen lässt: In 2004, dem Gründungsjahr der OE-A, geriet „Digital Paper" gerade in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zum gleichen Zeitpunkt war die organische Photovoltaik in aller Munde und das Interesse an organische Leuchtdioden ließ gerade nach. Heute, fast zehn Jahre später, haben sich mit organischen Leuchtdioden bestückte Smart Phones, aber auch Digital Paper in Form von elektronischen Büchern zu Massenprodukten entwickelt. Die organischen Solarzellen, auch bedingt durch die Krise der klassischen Solarzellen, bemühen sich heute um Aufmerksamkeit der Allgemeinheit ungehindert der Tatsache, dass Anwender längst die spezifischen Vorteile dieser Technologie entdeckt haben. Die Sichtbarkeit ist damit nicht unbedingt das Maß, welches den Erfolg am Markt bedingt. Wesentlich ist, dass der Markt tatsächlich nach Produkten der organischen und gedruckten Elektronik nachfragt.
Chancen am Markt
Der Markt für organische und gedruckte Elektronik ist in Bewegung geraten, mehr und mehr Produkte erscheinen in großen Stückzahlen am Markt. Der Konsumer-Elektronik Markt ist ein wichtiger Vorreiter. Dieser Bereich wird dominiert durch den stetigen Zwang zur weiteren Einsparung von Kosten, Energie und Gewicht bei gleichzeitig immer mehr eingebauten Funktionen. Hier kommt organische und gedruckte Elektronik vermehrt zum Zuge. So hat sich die OLED-Technologie hin zu Fernsehbildschirmen (55" OLED TV von LG, vorgestellt in 2012) entwickelt und es gibt einen ausgeprägten Trend, bisher verwendete Materialien wie das für Displays essentielle Indium Zinn Oxid (ITO) als transparente Elektrode in Displays und besonders in den allgegenwärtigen Touch Panels durch andere, neue Materialien zu ersetzen, die mittels kostengünstiger Beschichtungsverfahren verarbeitet werden können und zudem flexible Bildschirme und Touchsensoren ermöglichen.
Ein weiterer wichtiger Treiber ist zudem die Automobilindustrie. In einem Plenarvortrag beschrieb Audi auf der LOPE-C eindrucksvoll die elektronische Zukunft des Automobils. Derzeit ordnet sich das Design des Innenraums noch den elektronischen Funktionen unter. So werden die derzeit bei Designern ungeliebten flachen Bildschirme sich in Zukunft an die Formgebung des Innenraums vollständig anpassen indem man gebogene Displays integriert. Touch Sensoren fangen gerade an, die heutige Funktion von mechanischen Schaltern zu übernehmen und diese neue, kostengünstige und robuste Mensch-Maschine-Schnittstelle wird sich schnell im Auto verbreiten.
Weitere, inzwischen klar erkennbare Märkte eröffnen sich für Verpackungen mit elektronischen Zusatzfunktionen, insbesondere für pharmazeutische Erzeugnisse sowie Verpackungen mit besonderen Sicherheitsmerkmalen oder für besonders werbewirksame oder interaktive Verpackungen, die die Aufmerksamkeit des Kunden auf sich ziehen.
Die Industrie der Wohnraumgestaltung nimmt aufgrund des besonderen Fokus auf Design derzeit eine Vorreiterstellung ein. Mit Hilfe von Annäherungssensoren und ultraflachen Leuchtmitteln auf Basis von organischen Leuchtdioden (OLED) lassen sich Designs realisieren, die mit konventionellen elektronischen Bauteilen nicht möglich sind.
Am Wendepunkt
Rückenwind erfahren diese Entwicklungen durch verschiedene weltweite Trends, beispielsweise die von der EU betriebene Regulierung der Leuchtmittel, welche OLEDs Auftrieb gibt. Somit befindet sich die Industrie der gedruckte und organischen Elektronik inzwischen an einem Wendepunkt: aus einer Technologie wächst sukzessive eine Industrie heran. Jeder Wendepunkt und Richtungswechsel benötigt Energie und es bedarf immer Anstrengungen, alle Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Die OE-A, der weltweite Zusammenschluss von führenden Firmen und Instituten, hat die aktive Rolle eines Katalysators dieser Entwicklung übernommen. Als strategische Plattform und Informationsbörse der inzwischen auf mehr als 220 angewachsenen Mitglieder aus aller Welt und in Verbindung mit verwandten nationalen Vereinigungen weltweit unterstützt die OE-A diese entstehende Industrie mit internationalen Treffen, Arbeitskreisen, Broschüren, Publikationen, und Pressearbeit. Die regelmäßigen Arbeitstreffen der OE-A sind Kern der in diesem Verband geleisteten erheblichen Arbeit.
Die alle zwei Jahre veröffentlichte Anwendungs-Roadmap für organische und gedruckte Elektronik ist ein Beispiel für diese Arbeit. Diese international stark beachtete Publikation erscheint in diesem Jahr zum fünften Mal mit ermutigenden Nachrichten: Eine stetig anwachsende Zahl an konkreten Anwendungen, von Pilotprodukten und Markteinführungen gibt zur Hoffnung Anlass, dass sich aus diesem Pflänzchen eine starke Industrie entwickeln wird. Derzeit ist in den bereits erwähnten Gebieten ein stetiges, „organisches" Wachstum zu beobachten. Gleichzeitig tendieren die Entwickler zu pragmatischen Ansätzen: Technologische Lücken werden durch Integration von klassischen, auf Siliziumtechnologie basierenden Komponenten, mit Komponenten der gedruckten Elektronik geschlossen. Limitierungen in Materialeigenschaften und Prozessen, die trotz des raschen Fortschritts existieren, können so elegant umgangen werden.
Schritte zum Erfolg
Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung der Etablierung einer Industrie gelang bereits im Jahre 2011: Unterstützt von der OE-A wurde von der International Electrotechnical Commission (IEC) das Technical Chapter 119 zur Standardisierung von gedruckter Elektronik aus der Taufe gehoben. Dieses internationale Gremium hat inzwischen die Arbeit aufgenommen und sorgt dafür, dass international eine gemeinsame Sprache gesprochen wird.
All dies sind wichtige Schritte zum wirtschaftlichen Erfolg, die durch gute Nachrichten begleitet werden: Eine übermäßige Erwartungshaltung flaut ab, die Zielmärkte konkretisieren sich, Hemmnisse werden mit pragmatischen Lösungen angegangen. Aber auch, wenn erste Früchte der Arbeit bereits sichtbar werden, erfordert der Aufbau dieser Industrie weiterhin ein hohes Maß an Zusammenarbeit zwischen allen Partnern entlang der Wertschöpfungskette, Industrie, Instituten, privaten und öffentlichen Geldgebern.