Anlagenbau & Prozesstechnik

Nachhaltiges und energieeffizientes Wirtschaften

Mit herstellerunabhängiger Automatisierung zur klimafreundlichen Industrie

24.01.2024 - Wenn Hardware und Entwicklungsumgebungen nicht mehr herstellerspezifisch aneinandergebunden sind, ergeben sich für Anlagenbauer und -betreiber erstaunliche Vorteile.

Das Öl geht zur Neige, Strom und Gas werden als taktische Kriegswaffen eingesetzt, unser Planet wird immer wärmer, der Meeresspiegel steigt – die Menschheit kann nicht so weitermachen wie bisher. Was gibt es für neue Ideen, wie jetzt acht Milliarden Menschen nachhaltig auf der Erde leben können?

Wahrscheinlich ist noch nie so viel über Nachhaltigkeit gesprochen worden wie heute – zumindest nicht in der Industrie. Aber was genau meinen wir eigentlich damit? Während die landläufige Verwendung dieses Begriffs vor allem Umwelt- und Klimaschutz impliziert, legen wir bei Schneider Electric eine deutlich breitere Definition an. Gemäß der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN geht es uns – neben der ökologischen Dimension – insbesondere um wirtschaftliche und soziale Aspekte. Um Chancengleichheit, Diversität, Kreislaufwirtschaft und um eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Das alles ist charakteristisch für unser eigenes Wirtschaften – und es ist das, was wir unseren Kunden mithilfe unserer Technologien ermöglichen wollen. Wir sind überzeugt davon, dass Nachhaltigkeit als Prinzip eines smarten, innovativen und verantwortungsvollen Wirtschaftens heute eine elementare unternehmerische Kernkompetenz ist, mit der wir unseren Wirtschaftsstandort sichern und zukunftsfähig machen können.

Die Schlüsseltechnologie für all das ist die IoT-basierte Digitalisierung. Ziel muss es also sein, alles mit allem zu vernetzen – so granular wie möglich. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen. Ebenso wie es politische Rahmenbedingungen und Anreize braucht, um Investitionen in die Energiewende attraktiver zu machen, müssen auch Technologien bestimmte Bedingungen erfüllen. Und da sehe ich uns Hersteller in der Pflicht. Nur wenn Lösungen offen und skalierbar sind, bringen sie einen langfristigen Gewinn. Nur dann haben Digitalisierungsprojekte langfristig Wirkung und sorgen nicht für Frust.

 

Herstellerunabhängige Automatisierung: Beschleuniger für digitale Transformation

Genau aus diesem Grund setzen wir auf eine herstellerunabhängige Automatisierungsphilosophie. Wir sind überzeugt davon, dass angesichts der rasanten Entwicklungen (etwa was die Rechenleistung oder die Intelligenz von Feldgeräten angeht), die die Automatisierungswelt schon jetzt verändert haben, längst eine Übergangsphase angebrochen ist, die für die Abfolge zweier Paradigmen charakteristisch ist. Ähnliches konnte man auch rund um die Erfindung der SPS-Steuerung vor über 50 Jahren beobachten. Um die Zukunft der Automatisierung wiederum entscheidend mitzuprägen, setzen wir auf eine Logik, die Hardware und Software entkoppelt.

Wenn Hardware und Entwicklungsumgebungen nicht mehr herstellerspezifisch aneinandergebunden sind, ergeben sich für Anlagenbauer und deren Kunden erstaunliche Vorteile: Software kann wiederverwendet werden, Migration und Integration sind erheblich vereinfacht und völlig neue ingenieurstechnische Freiheiten entstehen.

Wichtig ist, dass es bei dem Ansatz zunächst weniger um Technologie, als vielmehr um eine Philosophie geht – und um eine bestimmte Herangehensweise an das Thema Automatisierung. Diese wird bis heute nahezu unangefochten von der IEC-Norm 61131 bestimmt, deren Vorgaben in enger Abhängigkeit von der Funktionsweise einer SPS-Steuerung definiert wurden. Vereinfacht gesagt wird heute also immer noch nach einem Prinzip automatisiert, das mittlerweile mehr als 50 Jahre alt ist.

Doch das heißt nicht, dass es nicht auch andere Ansätze für die Automatisierung gibt. Einer davon wird von der Norm IEC 61499 definiert und ist kennzeichnend für die Art und Weise, wie wir bei Schneider Electric Automatisierung verstehen. Veröffentlicht im Jahr 2005, wurde die IEC 61499 mit dem Anspruch formuliert, einen Standard für das softwarebasierte und anwenderfreundliche Engineer­ing flexibler und komplexer Maschinen und Produktionsanlagen zu definieren. Bereits damals war klar, dass eine auf einzelne unabhängige SPS-Steuerungen basierende Automatisierungsstruktur, die das Verhalten unterschiedlicher Feldgeräte von der Steuerungslogik jedes einzelnen Controllers abhängig macht, langfristig nicht für die Anforderungen flexibler, komplexer und dennoch leicht umrüstbarer Anlagen geeignet ist. Was IEC 61499 daher grundsätzlich von IEC 61131 unterscheidet, ist die Verteilung einer gemeinsamen Steuerungslogik auf unterschiedliche Controller und Steuerungen einer Anlage.

Im Unterschied zu einem rein steuerungszentrierten Automatisierungsansatz kommt hier ein anwendungsorientierter Ansatz zum Tragen, bei dem es nicht darum geht, einzelne Controller zu konfigurieren und die Querkommunikation zwischen Controllern aufwändig zu programmieren, sondern darum, ein vollständiges Automatisierungsprojekt im Ganzen rein softwareseitig zu modellieren.

Design, Engineering und Inbetriebnahme komplexer, zeitgemäßer Industrieanlagen sind heutzutage mit einem immensen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Insbesondere dann, wenn es darum geht, herstellerheterogene Maschinenlandschaften zusammenzuführen oder die Interoperabilität verschiedener Steuerungen sicherzustellen. Einer kreativen und freien Entwicklung noch nachhaltigerer, innovativerer Maschinen steht dieser Aufwand oft im Weg. Aber gerade hier, beim Engineering, spielt ein herstellerunabhängiger und softwarezentrierter Automatisierungs­ansatz nach IEC 61499 seine enormen Stärken aus.

Engineering-Tool für softwarezentrierte und herstellerunabhängige Automatisierung

Am Beispiel unseres Engineer­ing-Tools EcoStruxure Automation Expert lassen sich die Vorteile exemplarisch verdeutlichen. Es folgt der in IEC 61499 angelegten Logik und abstrahiert die Software von der Hardware. Es wird also eine von der Hardware vollkommen losgelöste, geräte- und anwendungsübergreifende Softwareschicht geschaffen, innerhalb der die von IEC 61499 beschriebenen, wiederverwendbaren Softwareobjekte praktisch beliebig zur gewünschten Anwendungssequenz zusammengeschaltet werden können. Und das, noch bevor überhaupt ein einziges Stück Stahl verbaut werden muss. Sind die einzelnen Funktionsbausteine einmal von entsprechenden Experten programmiert, werden sie als Typ in herstellerunabhängigen Funktionsbibliotheken abgelegt und sind für jedes passende Projekt in Form einer Instanz verwendbar. Mithilfe der instanziierten Funktionsblöcke ist es dann möglich, die gewünschte Anwendungssequenz rein grafisch zu modellieren. In unserer Plattform EcoStruxure Automation Expert erfolgt das z.B. per eingängigem Single-Line-Engineering, also dem einfachen Ziehen von Verbindungslinien zwischen zusammengehörigen Funktionsbausteinen. Selbst die Querkommunikation zwischen den später verwendeten Steuerungskomponenten wird dann eigenständig durch die Software konfiguriert und softwareseitig erstellte Maschinenabläufe können bereits vorab simuliert und getestet werden. Einem vereinfachten, weniger fehleranfälligen und vor allem kreativeren Engineering kommt das sehr entgegen.

Auch wenn die Anwendungssoftware innerhalb einer zentralen und von der Hardware abstrahierten Softwareschicht erstellt und modelliert wird, ist es später nicht notwendig, diese Anwendungssoftware über eine zentrale SPS-Steuerung auszuführen. Vielmehr ist es im Sinne von IEC 61499 möglich, die Anwendungssoftware aufzuteilen und auf die jeweils zuständigen Hardwarekomponenten zu verteilen. So existiert kein Single-Point-of-Failure und eine Anlage kann über die Zeit hinweg viel flexibler und agiler umgerüstet werden. Hierbei spielt auch eine wichtige Rolle, dass automatisierte Anwendungen nach IEC 61499 grundsätzlich keiner zyklischen, sondern einer eventbasierten Ausführungslogik folgen. Einzelne Funktionen werden nur dann aktiv, wenn ein bestimmtes Event sie triggert. Auch dadurch ergeben sich deutlich mehr Freiheiten für das Engineering.

 

Fazit

Ein herstellerunabhängiger und softwarezentrierter Automatisierungsansatz bietet immenses unternehmerisches Potenzial. Neben flexibleren Anlagen, die leicht umgerüstet werden können, macht die Auflösung von Hardwarebeschränkungen auch eine gewisse Unabhängigkeit von Lieferketten oder Produktverfügbarkeiten möglich. Außerdem ist es im Sinne dieses Ansatzes so, dass sich einmal erstellte Softwareobjekte auf nahezu allen Anlagen einsetzen lassen. Auf diese Weise wird ein „Automation-Store“ für Softwareapplikationen denkbar, aus dem passende Anwendungen heruntergeladen und per Plug-and-Produce in eine Maschine integriert werden können. Was also in der IT-Welt schon lange möglich ist, ließe sich damit auch für die Automatisierung nutzen.

Die SPS-Steuerung wird dadurch nicht einfach obsolet. Aber ihre Rolle in modularen und wandelbaren Anlagen wird sich verändern. Es ist nicht hinnehmbar, dass wir unser enormes Potenzial in puncto Vernetzung und Engineering verbauen, nur weil wir an konservativen Systemstrukturen festhalten. Wenn wir unsere Anlagen klimafreundlicher und nachhaltiger einsetzen wollen, dann brauchen wir auch bei der Automatisierung mehr Mut und Offenheit.

Autor: Leif Jürgensen, Global Commercial Business Development Manager, Schneider Electric GmbH, Ratingen

 

„Auch die Technologiehersteller sind gefragt, optimale Rahmenbedingungen für die nachhaltige Transformation der Industrie zu schaffen“

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