Lösemittelbasiertes Recycling von WEEE-Abfällen
Neue Verfahren können den Rezyklateinsatz in elektrischen und elektronischen Geräten erhöhen
Wie kann der Rezyklateinsatz in Elektrogeräten gesteigert werden? Ein Gespräch mit Benjamin Porter, Global Sustainability Business Development Manager bei Trinseo, und Klaus Wohnig, Managing Partner bei Atmedio und Gründer der Dissolution Recycling-Initiative DROP-IN, über Potenziale und Grenzen des lösungsmittelbasierten Recyclings von Abfällen aus elektrischen und elektronischen Geräten (Waste Electrical and Electronic Equipment, WEEE).
CHEManager: Laut Plastics Europe, dem Verband der Kunststofferzeuger, lag der Einsatz von Post-Consumer-Rezyklaten in Elektronikgeräten in der EU 2022 bei 3,2 %. Warum wird in der Elektro- und Elektronikindustrie, dem viertgrößten Abnehmer von Kunststoffen, noch so wenig Rezyklat eingesetzt?
Benjamin Porter: Es gibt einige technische Herausforderungen, die einen Rezyklateinsatz in Elektrogeräten im größeren Maßstab erschweren. Im Gegensatz zu kurzlebigen Verpackungen werden Kunststoffbauteile in der Elektrotechnik für lange Zeithorizonte konzipiert. Kabel- und Rohrleitungen oder Sicherungskästen im Gebäudebereich erreichen oft 20 bis 30 Jahre Nutzungsdauer. Es ist daher für Recycler sehr schwer, die genaue Zusammensetzung der Bauteile am Lebensende einzuschätzen. Außerdem müssen bei Elektrogeräten strenge Produktregularien eingehalten werden, beispielsweise für den Flammschutz, die Vermeidung von Kurzschlüssen, Kriechstromfestigkeit oder die Reduzierung der Rauchgasentwicklung. Diese Anforderungen gelten auch beim Einsatz von Rezyklaten.
„Es gibt einige technische Herausforderungen,
die einen Rezyklateinsatz in Elektrogeräten
im größeren Maßstab erschweren.“- Benjamin Porter, Global Sustainability Business Development Manager,Trinseo
Die Anforderungen an Sicherheit und Verbraucherschutz nehmen in der Elektronikindustrie ja tendenziell eher zu. Lässt sich der Einsatz von recycelten Kunststoffen in Elektrogeräten unter diesen Voraussetzungen überhaupt erhöhen?
B. Porter: Ja, da wir es bei Elektroanwendungen mit komplexen Bauteilen zu tun haben, könnten hier neuartige Ansätze einen signifikanten Mehrwert bieten. Digitale Produktpässe könnten beispielsweise dem Recycler Zugang zur genaueren Zusammensetzung geben, sodass man im Vorfeld genauer weiß, mit welcher Zusammensetzung man es hier zu tun hat, und ebenso für zukünftige rechtliche Rahmen gerüstet ist, zum Beispiel die Einhaltung von REACH, RoHS, Basel- und der Stockholm-Konvention. Zudem gibt es ein großes Potenzial für lösungsmittelbasierte Recyclingverfahren, bei Elektrogeräten. Wenn diese Verfahren skaliert werden, könnten WEEE-Abfälle deutlich effizienter recycelt werden.
Können Sie genauer erläutern, was es mit diesen lösungsmittelbasierten Recyclingverfahren auf sich hat?
Klaus Wohnig: Beim sogenannten Dissolution Recycling von WEEE-Abfällen wird werden diese nach mechanischer Vorbehandlung einem Lösemittel ausgesetzt. Diese Flüssigkeit kann in die Polymermatrix diffundieren und die gewünschte Fraktion in Lösung bringen. Unlösliche Bauteile, wie andere Polymere, aber auch Metalle, Glas, oder Keramik, werden von diesem Lösemittel nicht verändert. Sie verbleiben als Feststoff in der Lösung und können abgeschieden werden. Anschließend kann man die erhaltene Fraktion über gängige Filtrationsverfahren weiter verfeinern, um beispielsweise störende Komponenten wie Druckfarben, Sticker, Beschichtungen, aber auch Füllstoffe, wie Farbpigmente, Flammschutz, oder Verstärkungsfasern, zu entfernen. Abschließend wird das Lösemittel von der Zielfraktion entfernt, und man erhält eine regenerierte Polymerfraktion, die oftmals einer Neuwarenqualität sehr, sehr nahekommt.
„Wir sehen das Lösemittelverfahren nicht als Konkurrenz,
sondern als Ergänzung zu konventionellen
mechanischen Aufbereitungsverfahren.“- Klaus Wohnig, Managing Partner, Atmedio, und Gründer der Dissolution Recycling-Initiative DROP-IN
Welche Vorteile hat Dissolution Recycling von WEEE-Abfällen im Vergleich zu anderen Recyclingverfahren? Und für welche Kunststoffe eignen sich diese Verfahren besonders gut?
K. Wohnig: Wir sehen das Lösemittelverfahren als Ergänzung zu konventionellen mechanischen Aufbereitungsverfahren, nicht als Konkurrenz.
Es ist für eine Vielzahl von Zielpolymeren geeignet. Im Bereich technischer Anwendungen wird es künftig insbesondere bei PC, ABS und PS, aber auch bei PA und PP in naher Zukunft relevant, weil damit künftige regulatorische Anforderungen erreicht werden können.Zudem zeichnet sich das als physikalisches Recycling kategorisierte Lösemittelverfahren dadurch aus, dass es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch besonders klimafreundlich und ressourcenschonend ist.
Was würden Sie Unternehmen raten, die große Mengen WEEE-Abfälle bearbeiten? Wie können sie lösungsmittelbasierte Verfahren in den Recyclingprozess integrieren?
B. Porter: Das Wichtigste ist, sich erst einmal einen guten Überblick über neue Technologien und Recyclingverfahren zu verschaffen. Das Arbeitsgebiet des Kunststoffrecyclings erlebt zurzeit eine unglaubliche Dynamik.
Ich würde den Unternehmen daher neben Besuchen auf Fachtagungen und Messen zur Kontaktaufnahme mit der Dissolution Recycling Of Plastics Initiative (DROP-IN) raten, um ein Gesamtbild der aktuellen Entwicklungen zu erhalten.
Über DROP-IN ergeben sich möglicherweise interessante Synergien und wegweisende neue Geschäftsmodelle, wie Rücknahmeinitiativen, sogenannte Take-Back Schemes, oder auch die Ausgestaltung von EPR-Systemen. Das wird Unternehmen helfen, langfristig mehr Rohstoffe aus ihren WEEE-Fraktionen zurückzugewinnen.
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ZUR PERSON
Klaus Wohnig ist Managing Partner bei Atmedio und Gründer von DROP-IN, der Dissolution Recycling of Plastics Initiative. Der Diplomkaufmann ist u.a. Vorstandsmitglied des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) und des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE).
ZUR PERSON
Benjamin Porter ist Global Sustainability Business Development Manager bei Trinseo und Mitglied bei DROP-IN, der Dissolution Recycling of Plastics Initiative. Der Diplomingenieur arbeitete vor seiner aktuellen Tätigkeit bei Trinseo u.a. bei Lubrizol und Tecnaro.
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